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Nikon Z f – zurück in die Zukunft

Nachdem der Retrolook für spiegellose Systemkameras ungebrochen populär bleibt, will der japanische Hersteller mit der Nikon Z f offenbar ein weiteres Z-Modell vorstellen, das äußerlich an die FM2 von 1983 erinnert – nach der APS-C formatigen Nikon Z fc von 2021 aber diesmal mit einem 24,5-MP-Vollformatsensor.

Dass die Vorstellung eines geradlinigen Geschichtsverlaufs allzu naiv ist, zeigt sich auch im Kameramarkt. Obwohl die 1990er Jahre zunächst eine Abkehr von mechanischen Blendenringen am Objektiv und Verschlusszeitenrädern neben dem Prismenbuckel gebracht hatten, die Mechanik durch Fly-by-wire-Elektronik ersetzt und die Belichtung zunehmend durch frei belegbare Rändelräder gesteuert wurde, sehnten sich bald viele Fotografen nach dem althergebrachten Bedienkonzept zurück. Inzwischen sind zwar auch die SLR-Prismen verschwunden, aber bei den meisten spiegel- und prismenlosen Kameras steckt der nunmehr elektronische Sucher wieder in einer Ausbuchtung, die an den alten Prismenbuckel erinnert. Auch dedizierte (und daher beschriftete) Verschlusszeiten findet man bei manchen Modellen wieder, ebenso ISO-Räder und teilweise auch Blendenringe am Objektiv, auch wenn diese nun optisch abgetastet werden und der Kamera auf digitalelektronischem Wege mitteilen, welche Blende gewünscht ist.

Nikon Z f – zurück in die Zukunft
Auf den ersten Blick könnte man an eine Spiegelreflexkamera aus den 1970er oder 1980er Jahren denken; erst die Rückseite offenbart, dass die Nikon Z f eine spiegellose Systemkamera nach dem aktuellen Stand der Technik ist. (Bild: nikonrumors.com)

Fuji hat diesen Weg mit der X-T-Baureihe am konsequentesten beschritten, aber auch Nikon hatte schon vor gut zwei Jahren eine Z fc mit einem ähnlichen Retrodesign auf den Markt gebracht. Manchen erschien es allerdings noch zu unentschieden, zumal die Z fc mit ihrem APS-C-Sensor hinter den Spitzenmodellen des Z-Systems zurückblieb. Schon seit einiger Zeit kursierten Gerüchte, dass Nikon nun aber mit einer Z f wirklich ernst machen würde, und die Kollegen von der PHOTOGRAPHIE haben inzwischen Details des künftigen Retro-Modells in Erfahrung gebracht.

Der Kleinbildsensor der Z f soll mit seinen 24,5 Megapixeln dem der Z 6II gleichen, während die Kamera ansonsten einige Eigenschaften der Z 8 und Z 9 erben wird. Die Messfelder ihres Autofokus sollen ähnlich den Spitzenmodellen einen großen Bereich des Bildfelds abdecken und die AF-Performanz nicht weit dahinter zurückbleiben. Der integrierte Bildstabilisator mit beweglichem Sensor soll zusammen mit stabilisierten Systemobjektiven bis zu 8 EV ausgleichen, also rund 250 mal längere Verschlusszeiten ohne Verwacklungsunschärfe ermöglichen. Der Sensor kann auch in einem Pixel-Shift-Modus um ganze und halbe Pixelbreiten verschoben werden, damit sich aus vier bis 32 Aufnahmen ein Bild mit vielfach höherer Auflösung berechnen lässt. Aus der Gerüchteküche war schon vor ein paar Tagen zu hören, dass der Sucher und das ausklappbare Display dem Standard der Z 6II entsprechen sollen; der Expeed-7-Prozessor ist dagegen aus der Z 8/9 bekannt.

Während also die elektronischen Innereien weitgehend auf der technologischen Höhe der Zeit sind, setzt Nikon beim Gehäusedesign auf klassische Werte und viel Metall. Die Einstellräder auf dem Magnesiumgehäuse sind aus schwarz eloxiertem Messing gefertigt, wie die PHOTOGRAPHIE berichtet, und der Auslöser, dessen Druckpunkt ein F3-Feeling vermitteln soll, hat ein Gewinde für traditionelle mechanische oder pneumatische Fernauslöser.

Rund 2500 Euro wird die Nikon Z f kosten; für 200 Euro mehr gibt es ein klassisches Normalobjektiv Z 40 mm/F2 dazu, mit dem der traditionsbewusste Fotograf die Retro-Ausstattung komplettieren kann. Noch in diesem Monat September 2023 soll es so weit sein.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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2 Kommentare

  1. Ich bin nun schon ein alter Kämpe, 50 Jahre SLR, DSLR und jetzt DSLM, und kenne mich recht gut aus. Ich erstaune aber immer wieder über Retro-Kameras, da ich deren Sinn nicht verstehe. Ich erinnere mich noch an meine Anfänge in den 70er Jahren, und wie umständlich ich es fand, immer das die Kamera vom Auge nehmen zu müssen, um die Belichtungszeit am oben liegenden Drehrad zu verändern. Die Kameras, die Luigi Colani für Canon entworfen hatte, waren für mich ein großer Schritt nasch vorne, und ich bin froh darüber, dass Canon seit der T90 alle Kameras nach den Colani-Vorgaben baut. Handgriff für die rechte Hand, Auslöser nach vorne (wo der Zeigefinger ruht, wenn die Hand die Kamera hält), Kopf-Display. Ergonomisch halt.
    Ich habe mit Vergnügen festgestellt, dass die Z f Einstellräder vorne und hinten für Zeigefinger und Daumen hat. Die Räder sind vermutlich frei belegbar, ebenso die vielen nicht-retro-liken Knöpfe auf der Rückseite. Da kann der Fotograf alles so zuweisen, wie er es braucht. So ganz Retro ist die Z f wohl doch nicht.
    Allerdings ist der Auslöser oben, an einer für den Zeigfinger unbequeme Position. Wo liegt der Vorteil? Wo ist der Gewinn, einen Drahtauslöser anschließen zu können, statt einem Kabel- oder Funkauslöser? Und das F3-Feeling? Macht man damit bessere Bilder? Oder ist das „Feeling“ der Gewinn beim Fotografieren?
    Mir kommt es auf die Bilder an. Die will ich zeigen, deswegen schleppe ich die Ausrüstung durch die Landschaft. Ein modernes, frei programmierbares, ergonomisches Kameradesign unterstützt mich dabei, indem es mich davon entlastet, mich um die Mechanik kümmern zu müssen.
    Der Text hier ist wohl zu einem Plädoyer für anwenderfreundliches Kameradesign geworden. Daher nochmal die Frage: wo liegt der Vorteil von Retro?

    1. Außer der Befriedigung nostalgischer Gefühle und etwaigen modischen Aspekten sehe ich auch keinen Vorteil in Retro-Designs per se.

      Ich bin beispielsweise aber ein Freund der Haptik. Und statt an einem Rändelrad zu drehen und dabei auf einem Display zu verfolgen, welcher Wert gerade eingestellt ist (was beim Blick in den Sucher natürlich toll ist), fände ich es oft sehr nützlich, einfach ein Rad direkt auf den gewünschten Wert stellen zu können. Direkt und mechanisch. Also so, wie es diese Nikon oder die Fujis versprechen.

      Andererseits bin ich einfach pragmatisch und freue mich, dass Nikon bei den moderner designten Kameras das Schulterdisplay beibehalten hat. Da werfe ich doch auch sehr oft einen Blick drauf und nutze es, um schnell die gewünschten Einstellungen zu setzen, ohne erst durch den Sucher schauen zu müssen.

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