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Interview mit einem Buch: Nachtfotografie

Interview mit einem Buch: Nachtfotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher dazu, welche Antworten sie geben können. „Nachtfotografie“ erinnert daran, dass alle 24 Stunden des Tages fotografische Gelegenheiten bieten.

Fotografie bedeutet Zeichnen mit Licht, und so könnte man denken, dass es in der Nachtfotografie nur darum ginge, mit wenig Licht auszukommen. Aber die Welt bei Nacht ist eine andere als die bei Tag, und ihr Licht ist nicht bloß schwächer, sondern auch kontrastreicher und zeigt andere Farben. Außerdem können die Lichtquellen nachts selbst zum Motiv werden, ob es der Mond und die Sterne sind, Polarlichter oder künstliche Lichtquellen. Beim Lightpainting entstehen die Motive überhaupt erst durch planvoll vor der Kamera bewegte Lichtquellen.

In „Nachtfotografie“ behandeln die Autoren Sebastian Worm und Marcello Zerletti alle Aspekte des Fotografierens bei Nacht, der nötigen Ausrüstung und nützlicher Techniken. Workshops zeigen die Umsetzung des theoretischen Wissens in die Praxis. Dem Thema „Lightpainting“ ist das letzte Drittel des Werks gewidmet, in dem die vier Mitglieder von „Lightart im Pott“ verraten, wie ihre mit Licht gemalten Werke entstehen. Wir befragen das Buch zu diesen Themen, und es antwortet mit der Stimme seiner Verfasser.

Warum sind Nachtaufnahmen oft so kontrastreich?

Bei Tag reicht das diffuse Sonnenlicht häufig aus, um erkennen zu können, was sich im Schatten befindet. In der Nacht versinkt ein Bereich, den die Straßenlaterne nicht beleuchtet, schnell in kompletter Dunkelheit. Manche Motive werden Sie im Dunkeln auch nur als Silhouetten abbilden können. Häufig braucht unser Gehirn aber gar nicht mehr Infor­mationen, um sich aus den schemenhaften Umrissen ein Bild zu machen 1.

Nebel und die Scheinwerfer der Autos an einer Kreuzung sind die perfekte Kombination, um Menschen als Silhouetten aufzunehmen. Interview mit einem Buch: Nachtfotografie
Nebel und die Scheinwerfer der Autos an einer Kreuzung sind die perfekte Kombination, um Menschen als Silhouetten aufzunehmen.

Wozu ist ein Mist-Filter nützlich?

Für Fotos von Lichtquellen empfiehlt sich der Einsatz eines Mist-Filters, auch Diffusions- oder Glow-Filter genannt. Wie der Name schon verrät, erzeugt er durch eine spezielle Beschichtung eine Art Nebeleffekt, der sich besonders bei Lichtquellen bemerkbar macht 2. Gleichzeitig reduziert er den Kontrast und lässt das Foto weicher erscheinen. Solche Filter sind nicht ganz günstig; gute Exemplare aus Glas kosten je nach Objektivgröße ab 60 Euro. Sie eignen sich auch für die Porträtfotografie: Durch den Detailverlust wirkt die Haut sanfter und matter.

Der Einsatz eines Mist-Filters erzeugt diffuse Halos um die Lichter am U-Bahn-Eingang. Interview mit einem Buch: Nachtfotografie
Der Einsatz eines Mist-Filters erzeugt diffuse Halos um die Lichter am U-Bahn-Eingang.

Wie kann man das Bokeh formen?

Ein interessantes Motiv bei Nacht sind Aufnahmen mit Bokeh-Kreisen im Hintergrund. Jede punktförmige Lichtquelle erzeugt in der Unschärfe eine annähernd runde Form. Wenn Ihnen die Kreise zu langweilig sind, können Sie sich ein eigenes Bokeh basteln; Herzen, Sterne oder andere Formen sind möglich. Nehmen Sie sich ein Stück festes Papier oder Karton, schneiden Sie die gewünschte Form hinein und halten Sie die Schablone beim Fotografieren direkt vor das Objektiv. Um die Form vollständig auf die Bokeh-Kreise zu übertragen, muss die Schablone exakt vor die Mitte der Frontlinse gehalten werden. Wählen Sie am Ende einen Bildausschnitt, in dem Ihnen die Formen besonders schön gelun­gen sind 3.

Mit einer sternförmigen Schablone vor dem Objektiv werden aus
Bokeh-Kreisen Bokeh-Sterne. Interview mit einem Buch: Nachtfotografie
Mit einer sternförmigen Schablone vor dem Objektiv werden aus
Bokeh-Kreisen Bokeh-Sterne.

Wozu dient eine Tube und wie stellt man sie her?

Die Tube, eines der beliebtesten Tools beim Lightpainting, ist ein Lichtformer. Es handelt sich um eine Röhre (daher der englische Name „Tube“), die auf eine Taschenlampe gesteckt oder geklebt wird. Durch das Licht der Taschenlampe wird die Röhre angeleuchtet. Eine Tube kann aus den verschiedensten Materialien hergestellt werden, die lichtdurchlässig und leicht sind. Gleichzeitig müssen sie stabil genug sein, um die Röhrenform zu behalten. Die einfachste und günstigste Version einer Tube besteht aus einem Bogen Bastelpapier. Rollen Sie es um den Kopf der Taschenlampe herum und fixieren Sie es mit Tesafilm. Langlebiger ist eine Tube aus fester Klarsichtfolie. Eine solche Basis-Tube lässt sich dann mit verschiedenen Farbfiltern bekleben. Da die Tube nicht dauerhaft mit der Taschenlampe verbunden wird, können Sie mit einer einzelnen Taschenlampe ein breites Spektrum an Tubes verwenden. Indem Sie eine Seite mit einem Streifen Panzertape lichtdicht verschließen, verhindern Sie, dass auch die Person angestrahlt wird, die die Tube in der Hand hält 4.

Die Maschinen wurden – ebenso wie das Model – nur durch die orange Tube angeleuchtet.
Die Maschinen wurden – ebenso wie das Model – nur durch die orange Tube angeleuchtet.

Sebastian Worm, Marcello Zerletti,

Lightart im Pott:

Nachtfotografie

Rheinwerk Verlag, 2023

360 Seiten, gebunden

39,90 Euro

www.rheinwerk-verlag.de/5756

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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