Wie fotografiert man den Sternenhimmel, Jan Rumstadt?

Die Astrofotografie gehört zu den anspruchsvollsten und zugleich faszinierendsten Disziplinen. Sie ist ein Feld, in dem sich technische Akribie und eine beinahe meditative Naturerfahrung die Waage halten müssen. Wer hier beeindruckende Ergebnisse erzielen will, kann sich nicht allein auf teure Ausrüstung oder glückliche Zufälle verlassen. Gefragt ist eine Mischung aus wissenschaftlicher Vorbereitung, handwerklichem Können in der Bildaufnahme und -bearbeitung sowie einer tiefen Leidenschaft für die majestätische Stille des Nachthimmels. Wir sprachen mit Jan Rumstadt, einem Fotografen, der diese Passion lebt und uns Einblicke in seinen Workflow gewährt – von der peniblen Planung am Rechner bis zum entscheidenden Moment des Auslösens unter dem Sternenzelt.
DOCMA: Die Astrofotografie ist eine Disziplin, die immense Geduld und technisches Wissen verlangt. Was ist der ursprüngliche Impuls, der Sie immer wieder in die Dunkelheit treibt, weg von der Bequemlichkeit des Studios oder der schnellen Ausbeute der Tageslichtfotografie?
Jan Rumstadt: Der Impuls ist tatsächlich weniger ein rationaler Entschluss als vielmehr eine tiefsitzende Faszination. Es begann in einer jener perfekten, warmen Neumondnächte. Obwohl die Müdigkeit an mir zerrte, war der Drang, hinauszugehen, stärker. Wenn man dann allein in der Stille steht, das leise Zirpen der Grillen im Ohr, und über sich das Band der Milchstraße in einer Klarheit sieht, die man im Alltag längst vergessen hat, dann relativiert sich der Aufwand. Diese Momente des Staunens sind der eigentliche Lohn. Die Fotografie ist dann der Versuch, dieses Gefühl festzuhalten und zu transportieren.
DOCMA: Das klingt sehr nachvollziehbar. Doch ohne das richtige Handwerkszeug bleibt dieses Gefühl unfotografiert. Welche Ausrüstung hat sich für Sie als unverzichtbar erwiesen, um die Weite des Kosmos adäquat abzubilden?
Jan Rumstadt: Absolut, die Technik ist das Vehikel für die Vision. Lichtstärke ist hier das A und O. Ich setze daher vor allem auf Festbrennweiten. Ein SIGMA 14-mm-Ultraweitwinkelobjektiv ist für mich die erste Wahl, um die schiere Dimension des Himmels und die Beziehung zwischen Landschaft und Milchstraße einzufangen. Für gezieltere Ausschnitte oder um Deep-Sky-Objekte stärker zu betonen, greife ich zu einem 135-mm-DG | Art Teleobjektiv, idealerweise mit einer Offenblende von F1.4. Diese enorme Lichtstärke erlaubt es, die Belichtungszeiten und ISO-Werte in einem Rahmen zu halten, der das Rauschen minimiert. Dazu kommt natürlich eine Kamera, deren Sensor auch bei hohen ISO-Werten noch eine saubere Abbildungsleistung liefert, ein stabiles Stativ und auch oftmals eine Nachführung, die die Erdrotation ausgleicht.

DOCMA: Sie sprechen die Planung an. In Ihrem Blogbeitrag beschreiben Sie einen detaillierten digitalen Workflow vor der eigentlichen Tour. Wie entscheidend ist diese Vorarbeit am Bildschirm für den Erfolg in einer einzigen Nacht, in der Zeit und Licht knapp sind?
Jan Rumstadt: Sie ist nicht nur entscheidend, sie ist fundamental. Ohne eine minutiöse Planung wäre die Astrofotografie ein reines Glücksspiel.
Mein Prozess beginnt Wochen im Voraus am Rechner. Das wichtigste Werkzeug ist dabei Light Pollution Map, eine Lichtverschmutzungskarte, um überhaupt erst Gebiete mit geringer Umgebungshelligkeit zu identifizieren. Habe ich eine Region gefunden, nutze ich Anwendungen wie Planit Pro. Damit kann ich für jeden beliebigen Ort und Zeitpunkt exakt simulieren, wo die Milchstraße oder andere Himmelsobjekte stehen werden. Anschließend schalte ich auf Google Earth und Street View um, um die Topografie und potenzielle Vordergrundmotive wie eine alte Windmühle oder ein Wasserschloss zu erkunden. Diese Kette an digitalen Werkzeugen erlaubt es mir, mit einem sehr konkreten Bild im Kopf loszufahren.
Die eigentliche Fotografie vor Ort ist dann die finale Ausführung eines sorgfältig ausgearbeiteten Plans.
DOCMA: Sie nannten die Lichtverschmutzung. Viele Fotografen bezeichnen sie, neben dem Wetter, als den „Endgegner“ der Astrofotografie. Welche technischen Strategien wenden Sie an, um diesen Störfaktor nicht nur zu umgehen, sondern aktiv im Bild zu managen?
Jan Rumstadt: Der Begriff „Endgegner“ trifft es sehr gut, wobei ich eher die Wolken als meinen persönlichen Endgegener bezeichnen würde. Selbst an vermeintlich dunklen Orten hat man fast immer mit einer diffusen Lichtglocke am Horizont zu kämpfen. Hier kommt eine Aufnahmetechnik ins Spiel, die aus der wissenschaftlichen Astrofotografie entlehnt ist: das Stacking. Statt einer einzigen langen Belichtung fertige ich eine Serie von zahlreichen, aber kürzeren Belichtungen an – oft 15 bis 40 Aufnahmen vom exakt gleichen Bildausschnitt. In der späteren Bildbearbeitung werden diese Einzelbilder mittels spezialisierter Software übereinander gelegt und verrechnet. Der Algorithmus erkennt dabei das konstante Signal – die Sterne und die Milchstraße – und verstärkt es, während das zufällige Rauschen und zu einem gewissen Grad auch die statische Lichtverschmutzung herausgemittelt werden. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Detailzeichnung und Farbtiefe im finalen Bild, als es eine Einzelaufnahme je ermöglichen könnte. Diese Methode verbessert das Signal-Rausch-Verhältnis.

DOCMA: Das ist ein sehr technischer Ansatz. Wie bringen Sie diese analytische Vorgehensweise mit der kreativen, oft spontanen Komponente der Fotografie in Einklang? Gibt es Momente, in denen der Plan über Bord geworfen wird, weil die Atmosphäre vor Ort eine andere Bildidee diktiert?
Jan Rumstadt: Ständig. Der perfekte Plan überlebt selten den Kontakt mit der Realität. Die Planung gibt mir Sicherheit und eine Ausgangsbasis.
Aber die eigentliche Magie entsteht oft erst durch die Improvisation. Ich erinnere mich an eine Nacht an einem Wassergraben, wo der ursprüngliche Plan durch eine unerwartete Wolkenbank zunichte gemacht wurde. Doch während ich wartete, bemerkte ich die spiegelglatte Wasseroberfläche und die perfekte Reflexion der wenigen Sterne, die zu sehen waren. Das wurde dann das Motiv. Die Technik, das Stacking, die lichtstarken Objektive – all das wird dann zum reinen Werkzeug, um diese neue, spontane Vision umzusetzen. Die emotionale Stimmung, die Stille, das Gefühl der eigenen Kleinheit unter dem Firmament, beeinflusst die Komposition maßgeblich. Man sucht nach Linien in der Landschaft, die den Blick zum Himmel führen, oder nach einem Vordergrund, der die kosmische Szenerie erdet und ihr einen Maßstab gibt.
DOCMA: Sie erwähnten bereits Stacking. Welche weiterführenden Aufnahme- und Bearbeitungstechniken nutzen Sie, um die finale Bildwirkung zu steigern? Ich denke hier beispielsweise an Panoramen.
Jan Rumstadt: Das Panorama ist eine weitere Schlüsseltechnik, insbesondere für die Darstellung des gesamten Milchstraßenbogens. Statt mit dem 14-mm-Objektiv ein einzelnes Bild aufzunehmen, nutze ich oft eine längere Brennweite und nehme eine Serie von sich überlappenden Hochkant-Aufnahmen auf. Jedes dieser Einzelbilder wird dann wiederum als Stack aus mehreren Belichtungen gewonnen. In der Bearbeitung füge ich diese gestackten Kacheln zu einem hochauflösenden Panorama zusammen. Der Vorteil ist immens: Die Auflösung ist gigantisch und somit die Detailfülle in der Milchstraße ungleich höher, weil ich mit der längeren Brennweite „näher dran“ bin. Es ist zwar ein extrem aufwendiger Prozess, der aber zu Ergebnissen führt, die eine ganz andere visuelle Wucht entfalten.
DOCMA: Zum Abschluss ein Blick nach vorn. Die technologische Entwicklung, insbesondere im Bereich der Sensoren und der KI-gestützten Bildbearbeitung, schreitet rasant voran. Wo sehen Sie die Astrofotografie in fünf Jahren? Wird die Technik die Herausforderungen so weit minimieren, dass der Fokus wieder stärker auf der reinen Komposition liegt?
Jan Rumstadt: Ich denke, die Technik wird uns vor allem von repetitiven und frustrierenden Aufgaben befreien. KI-Algorithmen sind schon heute exzellent darin, Rauschen zu entfernen, Sterne präzise zu schärfen oder komplexe Stacking-Prozesse zu automatisieren. Das spart enorm viel Zeit in der Nachbearbeitung. Aber die eigentliche Herausforderung – den richtigen Ort zur richtigen Zeit zu finden, eine überzeugende Komposition zu entwickeln und mit unvorhersehbaren Bedingungen wie dem Wetter umzugehen – wird bleiben. Und das ist auch gut so. Die Technologie senkt die Einstiegshürde, aber sie kann die Erfahrung und die künstlerische Vision des Fotografen nicht ersetzen. Die Faszination der Astrofotografie wird immer auch darin liegen, dass sie uns aus unserer Komfortzone lockt und uns zwingt, uns intensiv mit der Natur und dem Kosmos auseinanderzusetzen. Daran wird auch die beste KI nichts ändern.
DOCMA: Vielen Dank für diese spannenden Einblicke in Ihre Arbeit.











