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photokina 2016 – ein Zwischenbericht

Bisher liegt zwar erst der Pressetag und ein Messetag hinter uns, aber viele Überraschungen dürfte es bis zum Wochenende nicht mehr geben. Was hat die photokina bisher gebracht?

Ein photokina-Tag ist lang und voller Termine, und man könnte locker mit der Hälfte der Zeit auskommen, wenn man nur vorher wüsste, welche Hälfte sich als wirklich wichtig erweisen wird. Wie die Dinge liegen, bleibt einem aber nichts anderes übrig, als es darauf ankommen zu lassen.

Canon EOS M5
Canon EOS M5

Einen Teil der Spannung hatten manche Hersteller schon herausgenommen, indem sie ihre neuen Produkte bereits Tage vor der Messe ankündigten. Man wusste also bereits, dass Canon die EOS 5D Mark IV und die EOS M5 zeigen und dass es bei Leica eine Sofortbildkamera auf Basis der Fuji instax mini 90 zu sehen geben wird (und keine neue M und T, wie manche gehofft hatten). Trotzdem besucht man erwartungsfroh die Pressekonferenzen am Montag, denn schließlich wird die Presse nicht wegen Nichtigkeiten eingeladen. Oder?

Die Panasonic G80/81, jetzt mit Magnesiumgehäuse. Auch in der EU wird man damit jetzt Videos in unbegrenzter Länge aufnehmen können.
Die Panasonic G80/81, jetzt mit Magnesiumgehäuse. Auch in der EU wird man damit jetzt Videos in unbegrenzter Länge aufnehmen können.

Panasonic machte den Anfang mit einer soliden Präsentation, die die Erwartungen erfüllte. Das neue Spitzenmodell GH5 wurde angekündigt, das insbesondere im Filmbereich Neuerungen bringen wird, so etwa 6K-Video mit 18 Megapixeln pro Einzelbild. Da die Panasonic-Modelle die Videobilder auch fotografisch nutzbar machen, ist das selbst für diejenigen relevant, die an Video gar nicht interessiert sind. Über den 4K-Photo-Modus hatten wir bereits berichtet und auf Features wie ein Fokus-Stacking in der Kamera werden wir wohl noch einmal zurückkommen. Auch die ebenfalls angekündigte G80/81 und zwei Bridgekameras bieten teilweise ähnliche Funktionen.

Canon EOS 5D Mark IV
Canon EOS 5D Mark IV

Die nächste Pressekonferenz war die von Canon, aber hier wurde nur das Ergebnis einer GfK-Umfrage vorgestellt, die Zuversicht zur Zukunft der Fotografie (insbesondere der mit „richtigen“ Kameras) vermitteln sollte – aber war das schon alles? Ja, das war’s. Das heißt, Ulla Lohmann war da und berichtete von ihrer jüngsten Expedition, bei der sie mit einer EOS 5D Mark IV in einen aktiven Vulkan geklettert war. Sehr beeindruckend, aber vor allem wegen Ulla Lohmann. Und die vor der Messe angekündigten Produkte wie die EOS 5D Mark IV? Ich frage mich, warum man über 4000 Euro für eine Kamera zahlen soll, deren Bildqualität von einer Ricoh Pentax K-1 zum halben Preis in jeder Disziplin übertroffen wird, zumal die K-1 mit einem (sehr) beweglichen Display und einem integrierten Bildstabilisator auch noch besser ausgestattet ist (allerdings ist die EOS 5D Mark IV im Serienbildmodus deutlich schneller und kann auch längere Bildserien aufzeichnen. Außerdem unterstützt sie 4K-Video). Aber trotz aller Bedenken: Der Dual-Pixel-Raw-Modus dieser Kamera ist wirklich spannend. Falls es jemanden interessiert, wie die damit mögliche Verschiebung der Schärfe nach der Aufnahme überhaupt funktioniert (Canon selbst erklärt es ja leider nicht), kann ich bei Gelegenheit noch einmal darauf eingehen.

Sony machte eine durchaus unerwartete Ankündigung: Es gibt eine Alpha 99 Mark II. Also ein neues Spitzenmodell mit A-Bajonett und dem festen, halbdurchlässigen Spiegel der SLT-Baureihe. Dieses Pferd ist doch längst tot, hatte ich gedacht, aber nun schnallt man ihm noch mal einen Jetpack um und lässt es fliegen. Schnell ist die Alpha 99 Mark II in der Tat. Das kann auch durchaus beeindrucken. Aber diese Modellreihe von DSLRs ohne Spiegelreflexsucher hat doch keine Zukunft. Immerhin wird es all jene freuen, die auf das A-Bajonett gesetzt haben und um ihre Investition fürchten.

Nun hätte ich zur Nikon-Pressekonferenz gehen sollen, aber die habe ich mir geschenkt – ein schwerer Fehler, wie sich herausstellte. Nicht wegen des Inhalts – Nikon stellte lediglich ein paar Action-Cams vor – aber: Es gab dort etwas zu essen. Ich ging stattdessen zum Arbeiten ins Pressezentrum und danach hungrig zu Fuji.

Die Fuji GFX 50s mit Mittelformatsensor (44 x 33 mm): Der elektronische Sucher ist abnehmbar; mit einem optionalen Gelenkadapter lässt er sich kippen und drehen und bietet bei Hochkant-Aufnahmen ebenso wie im Querformat auch einen Einblick von oben. Das Display kann man nach oben und unten kippen und zur Seite schwenken, wie man es von Fujis X-T2 kennt.
Die Fuji GFX 50s mit Mittelformatsensor (44 x 33 mm): Der elektronische Sucher ist abnehmbar; mit einem optionalen Gelenkadapter lässt er sich kippen und drehen und bietet bei Hochkant-Aufnahmen ebenso wie im Querformat auch einen Einblick von oben. Das Display kann man nach oben und unten kippen und zur Seite schwenken, wie man es von Fujis X-T2 kennt.

Diese Pressekonferenz brachte nun wie erwartet den Knüller des Tages: Fuji führt ein neues, spiegelloses Mittelformatsystem ein. Damit gehen sie auf Kollisionskurs mit ihrem langjährigen Kooperationspartner Hasselblad, die ja vor wenigen Monaten ebenfalls ein solches System vorgestellt haben, das jetzt auf den Markt kommt. Im Mittelformatmarkt wird es noch spannend werden, zumal bereits die Prototypen von Fujis GFX 50s, die wir gestern ausprobieren konnten, schneller schienen als Hasselblads X1D. Und dabei soll Fujis System ja erst Anfang 2017 marktreif sein. Fuji und Hasselblad dürften künftig Gesprächsbedarf haben.

Vielleicht haben auch Panasonic und Leica Gesprächsbedarf. Beide Hersteller verbindet eine langjährige Partnerschaft, nachdem Leica seine einstige Kooperation mit Fuji aufgekündigt hatte. Und nun gibt es wieder eine zarte Annäherung an Leicas Ex, denn die bereits erwähnte Leica Sofort stammt ja von Fuji. Vielleicht war das einer der Gründe, weshalb Leicas Mehrheitsaktionär Dr. Andreas Kaufmann auf der Panasonic-Pressekonferenz auftrat und dort die Freundschaft beider Unternehmen betonte. Denn Leica und Panasonic machen viel zusammen – Kooperationen, über die sie reden, ebenso wie solche, über die sie nicht reden.

Big News von Olympus: Das neue Flaggschiff OM-D E-M1 Mark II
Big News von Olympus: Das neue Flaggschiff OM-D E-M1 Mark II

Am Abend hatte Olympus in die Abenteuerhallen Kalk eingeladen. Versprochen waren „BIG NEWS“: Das neue Flaggschiff OM-D E-M1 Mark II (wer zum Teufel ist eigentlich Mark?) wurde vorgestellt. Die Neue ist verdammt schnell; 18 Bilder schafft sie pro Sekunde und kann dabei noch die Schärfe nachführen. Die spiegellose Kameratechnik scheint die DSLRs zu überholen statt nur einzuholen. Neben vielen anderen Verbesserungen ist auch der hochauflösende Modus noch einmal überarbeitet worden, in dem die Kamera aus mehreren Aufnahmen mit minimaler Verschiebung des Sensors ein Bild mit vierfacher Auflösung erzeugen kann. Kleine Bewegungen des Motivs während der Aufnahmen sollen nun kein Problem mehr sein (aber man wird die Kamera dafür wohl weiterhin auf ein Stativ stellen müssen).

So bot die photokina bislang ein wechselhaftes Programm mit teils spannenden und teils zweifelhaften Neuerungen, daneben aber auch Belanglosigkeiten. Aber ich habe auch schon langweiligere photokinas erlebt. Zu Klagen gibt es insofern keinen Anlass.

Michael J. Hußmann
Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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