Seit gestern ist im Kasseler Stadtraum auf vielen Litfaßsäulen und City-Light-Postern an Haltestellen eine Ausstellung mit KI-Bildern zu sehen: „KI trifft Alte Meister · Pixel statt Pinsel“. Den Sinn der großformatigen „Fotos“ versteht man erst richtig, wenn man näher herantritt und das kleiner eingeblendete „Original“ betrachtet, auf das sich die KI-Generierung bezieht. Diese Originale sind in den Museen von Hessen Kassel Heritage zu sehen – die Bilder zur Ausstellung hat Doc Baumann geschaffen.

Als ich vor einem Jahr den Kasseler Museen eine KI-Aktion vorschlug, hatte ich noch eine andere Vorstellung davon gehabt: Ich hatte an einige „Gemälde“ im Stil Alter Meister gedacht, die in klassischen Rahmen in die Museumsräume geschmuggelt werden und dort zwischen ihren echten Nachbarn hängen sollten. Die Aufgabe für die Besucher wäre es gewesen, die KI-Bilder zu identifizieren.
„Interessante Idee“, meinte der (damalige) Direktor von Hessen Kassel Heritage, Prof. Martin Eberle, dazu und zeigte sich für die Anregung offen. Im Laufe der nächsten Monate und nach etlichen Diskussionen hatte sich das Konzept verändert: KI-generierte Bilder mit Bezug auf tatsächlich dort hängende Gemälde ja, aber nicht in den Museumsräumen, sondern auf Litfaßsäulen und Plakatwänden über die ganze Stadt Kassel verteilt. Das setzte meine Intention sogar noch besser um: Auf der einen Seite öffentlich zu zeigen, welche Qualität inzwischen auf diesem Wege erreichbar ist – auf der anderen Seite Menschen zu motivieren, sich die Originale anzuschauen. Und dabei gleich noch ihre Wahrnehmung zu schärfen: Was unterscheidet das eine Bild vom anderen, kann man Bildern noch trauen?
Zunächst hatte ich mit Ergebnissen experimentiert, die selbst wie alte Gemälde aussahen, sich auf das vorgegebene Motiv bezogen, diesem aber eine neue Bedeutung gaben. Bei einem dieser Werke – dem Kampf zwischen Herkules und Äntäus von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1531 – ging aber plötzlich die Phantasie mit mir durch und ich ließ die Szene – in zahllosen Durchgängen in unterschiedlichen KI-Modellen – als aktuelles Foto generieren: als Wrestling-Fight zwischen zwei muskelbepackten Kämpfern. Ich hatte das gar nicht so ernst gemeint und die Variante zum nächsten Treffen im Museum eigentlich nur als Gag mitgenommen, um zu zeigen, so könnte das auch aussehen. Doch zu meiner Verwunderung kam ausgerechnet dieses Bild am besten an und nun sollten auch alle anderen in diesem Stil gestaltet werden.
Nach langer Vorbereitung hängen die Bildmotive nun in der Stadt Kassel verteilt an Litfaßsäulen (je drei rundum pro Säule) und Haltestellen. Ich muss gestehen, dass es schon ein tolles Gefühl ist, alle paar Schritte (na gut, ich übertreibe ein wenig) auf die eigenen, drei Meter hohen Werke zu stoßen. (Für Leser aus der Region: Die meisten befinden sich zwischen Ständeplatz und Stadthalle.) Die Bilder sind dort noch bis 9. Juni zu sehen.
Parallel dazu habe ich ein kleines Buch für die Museen gemacht, „44 Kunst-Bilderrätsel“, in dem Originale KI-generierten Kopien gegenübergestellt werden. Bei anderen gibt es kleine Detailabweichungen zwischen den beiden Fassungen zu entdecken. Wen’s interessiert: das Buch lässt sich über den Museumsshop von HKH bestellen. Über die Einleitung zu diesen KI-Aktionen, meinem Aprilscherz mit dem angeblich wieder aufgetauchten verschollenen Barockgemälde, hatte ich hier ja bereits berichtet: https://www.docma.info/blog/doc-baumann-hilft-museum-bei-jahrhundertelang-verschollenem-gemaelde
Ausführlicher stelle ich diese Plakataktion in der übernächsten DOCMA vor.