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Malen nach Zahlen, Teil 3: Braun

Warum gibt es zwar weißes, rotes, grünes, gelbes, blaues und sogar purpurnes Licht, aber kein braunes? Warum existiert kein dunkles Orange und kein helles, gesättigtes Braun? Ein paar Anmerkungen zu einer seltsamen Farbe …

Manche werden erleichtert sein, dass hier nicht die Nazis das Thema sind – oder der FC St. Pauli, der Zweitligaclub, dessen „Boys in brown“ ich den Aufstieg in die erste Liga gönnen würde. Es geht tatsächlich nur um die Farbe Braun.

Malen nach Zahlen, Teil 3: Braun
Braun ist schön – zum Beispiel geröstete Kaffeebohnen. (Bild: Popo le Chien, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Es gibt so schöne Dinge wie geröstete Kaffeebohnen oder Schokolade, die braun sind, aber insgesamt hat diese Farbe wohl nicht allzu viele Fans. Das war nicht immer so. Als ich 1972 endlich mein Kinderzimmer nach eigenem Geschmack gestalten durfte, malte ich die Wände und die Decke braun, was damals einem durchaus angesagten Einrichtungsstil entsprach. Die 60er Jahre mit ihrem fröhlichen Orange waren vorbei, und auch „Schöner Wohnen“ stellte dunkle, höhlenartige Interieurs als beispielhaft vor. (Kürzlich habe ich die alte Bemalung unter Tapetenschichten freigelegt; Reste davon existieren noch immer, werden aber bald wieder hinter raumhohen Bücherregalen verschwinden, denn dieser Raum des geerbten Hauses wird meine neue Bibliothek. Wobei ich mit dem Begriff „Bibliothek“ vorsichtig umgehen sollte: Doc Baumann hat eine amtliche Bibliothek, ich hingegen nur so um die tausend Bücher.)

Aktuell wurde ich auf dieses Thema aufmerksam, nachdem bei Quora jemand danach gefragt hatte, warum man keine braunen Glühbirnen kaufen könne, und eine völlig korrekte Antwort von einigen Spitzfindigen kritisiert wurde, weil es doch tatsächlich braune Glühbirnen gäbe – man braucht ja nur eine handelsübliche Glühbirne (oder heutzutage eher eine LED-Birne) braun zu lackieren. Nur war das nicht gemeint; die Frage zielte vielmehr darauf ab, warum man selbst mit einer so hergestellten braunen Glühbirne kein braunes Licht erzeugen kann.

Aber Moment einmal: Wenn ich etwas Braunes sehe, dann doch dank des Lichts, das es reflektiert, und das müsste folglich braunes Licht sein. Ein Digitalbild davon bringt das Braun auf den Bildschirm, und diese Farbe entsteht dadurch, dass die roten, grünen und blauen Leuchtpunkte des Bildschirms in einem bestimmten Helligkeitsverhältnis leuchten; auch diese Mischung der Grundfarben ergibt offenbar braunes Licht. Die Angelegenheit ist wohl doch ein bisschen komplizierter …

Viele unserer Farbwörter bezeichnen Spektralfarben, also Farben, die einer Wellenlänge des sichtbaren Lichts (etwa zwischen 400 und 700 Nanometern) entsprechen – Rot, Orange, Gelb, Grün, Cyan, Blau und Violett zählen dazu. Diese Farben begegnen uns zwar auch als Mischfarben aus zwei Wellenlängen, aber eine Wellenlänge reicht, damit wir die jeweilige Farbe sehen. Für Magenta hingegen gilt das nicht – diesem Farbton entspricht keine einzelne Wellenlänge; es gibt ihn nur als Mischung von Blau und Rot. Das rührt daher, dass unsere Augen gar keine Wellenlängen unterscheiden können, sondern nur die Helligkeit in drei relativ breiten, einander überlappenden Wellenlängenbereichen wahrnehmen. Jede Mischung von je zwei dieser Grundfarben ergibt für uns eine reine Farbe, und daraus ergibt sich zwangsläufig die Vorstellung eines Farbkreises, der sich zwischen Rot und Violett wieder schließt – nämlich bei Magenta. Die Wellenlängen von Rot und Blau/Violett sind tatsächlich weit voneinander entfernt, an den Enden des sichtbaren Spektrums, und jenseits davon liegen die für uns unsichtbaren Wellenlängen des Infrarot beziehungsweise Ultraviolett. Nur für jemanden, der Farben so grob differenziert wahrnimmt, wie wir das tun, gibt es die Farbe Magenta.

Im Farbkreis findet man also zwar Farben, die es nicht im Spektrum gibt – aber immer noch kein Braun. Um im RGB-Farbmodell Braun anzumischen, muss man von Orange ausgehen, also einer Mischung der Grundfarben Rot und Grün – mit mehr Rot als Grün. Reduziert man dann die Helligkeit, so springt die Farbe scheinbar um: Aus Orange wird Braun.

Malen nach Zahlen, Teil 3: Braun
Wenn man die Helligkeit von Orange (links) reduziert, entsteht Braun (rechts).

Das ist nun durchaus ungewöhnlich, denn wenn man beispielsweise die Helligkeit von Blau reduziert, erhält man lediglich ein immer dunkleres Blau, aber keine andere Farbe; für Grün gilt dasselbe. Dieser Effekt hat nichts mit dem Licht und nichts mit Physik zu tun; es ist unsere kulturell geprägte Farbwahrnehmung, die die Farbe zwischen Orange und Braun wechseln lässt, obwohl sich lediglich die Helligkeit ändert. Und dabei ist nicht einmal die absolute Helligkeit entscheidend, sondern das Verhältnis zur Umgebungshelligkeit: Ein Orange, das deutlich dunkler als sein Umfeld ist, erscheint uns braun.

Malen nach Zahlen, Teil 3: Braun
Ein helleres, aber gleichzeitig weniger gesättigtes Braun bleibt braun und ergibt bei einer sehr niedrigen Sättigung Beige.

Aus dieser Besonderheit von Orange wird nun klar, weshalb es kein dunkles Orange geben kann, denn ein dunkles Orange wäre Braun. Umgekehrt gibt es aber auch kein helles, gesättigtes Braun, denn wenn wir die Helligkeit vergrößern, wechselt die Farbe wieder zurück zu Orange. Wenn wir Milch in unseren Kaffee tun, wird aus dem dunklen zwar ein helles Braun, aber durch die Zugabe von Weiß ist es vor allem weniger gesättigt. Auf demselben Weg können wir in Photoshop ein helles Milchkaffeebraun mischen, indem wir die Sättigung reduzieren und die Helligkeit heraufsetzen. Im Extremfall wandelt sich die Farbe dann zu Beige, dem hellsten Braun.

Was es hingegen nicht geben kann, ist ein gesättigtes, leuchtend helles Braun, und schon gar keine braune Lichtquelle. Eine Lichtquelle ist ja stets heller als alles, was von ihr beleuchtet wird, und nur eine Farbe, die dunkler als ihre Umgebung ist, kann uns braun erscheinen. Würden wir in einem abgedunkelten Raum eine braun lackierte Glühbirne einschalten, erschiene uns ihr Licht orange, nicht braun. Selbst wenn wir ihr Licht herunterdimmen, bliebe es orange, denn unsere Augen würden sich an die geringere Helligkeit anpassen. Ohne eine hellere Umgebung gibt es kein Braun.

Aus demselben Grund kann es auch kein graues Licht geben, denn Grau ist ein Weiß, das dunkler als die Umgebungshelligkeit ist, und eine „graue“ Lichtquelle ist naturgemäß heller als die von ihr beleuchtete Umgebung – und für unsere Augen erscheint sie folglich weiß.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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4 Kommentare

  1. Zu solchen Überlegung kommt man, wenn man in der Theorie und in der wirklichkeitsfremden, reduzierten digitalen Welt lebt. Tatsächlich gibt es in der Natur, also in der wirklichen Welt, so wie Menschen sie mit ihren auf das Überleben beschränkten Sinnen wahrnehmen, ausreichend Brauntöne aller Art. Man braucht nur Äste, Bäume und Böden anzusehen. Auch Federn und Felle sind da beispielsweise sehr vielfältig.
    Wenn man jedoch nur auf die Mischung von RGB sieht, ist man in der digitalen Welt angekommen, die bekanntlich mehr als beschränkt ist und vor allem menschlichen Unzulänglichkeiten ausnützt, um uns die virtuelle Welt scheinbar real aussehen zu lassen. Was ja auch die vielen, die temporär debil auf das Smartphone starrend durch die echte Welt stolpern und diese dabei kaum wahrnehmen, beweisen.
    So uneingeschränkt angemalte Lampen und die Mischung von Kaffee mit Milch in der Argumentation zu verwenden, ist recht verwegen. Denn wir sehen eigentlich von der natürlichen Lichtquelle, also der Sonne, beleuchtete Gegenstände, und diese absorbieren bzw. reflektieren eben Teile dieser Beleuchtung. Je nach natürlichen Umständen werden Teile des Lichts von der Atmosphäre oder dem, was sich in der Luft befindet, auch nicht durchgelassen, so dass sich für Betrachter die Farbe des Sonnenlichts ändern kann, was sich wiederum auf die Farbe der betrachteten Gegenstände auswirkt.
    Darüber zu klagen, dass es keinen „echten“ Braunton im Farbkreis gibt ist müßig, denn es gibt auch keinen „echten“ Rot- oder „echten“ Blau- oder welchen „echten“ Farbton auch immer, denn in der Natur gibt es nur natürliche Farben, die bestehen nie und nimmer aus einer einzigen Wellenlänge. Das ist alles nur Theorie und genau so echt wie wie Filmkulissen.
    Menschen benötigen solche Vereinfachungen und Modelle um für bestimmte, gezielte Zwecke zu annehmbaren Näherungswerten zu kommen. Nicht mehr.

    1. Wer sich mit Fotografie und Bildbearbeitung beschäftigt, arbeitet nun mal im RGB-Farbmodell. Maler können mit den verschiedensten Pigmenten arbeiten, aber Fotografen und Bildbearbeiter halt nicht.

      Allerdings können wir mit unseren Augen eben auch keine Wellenlängen unterscheiden, sondern nur ganz grob Wellenlängenbereiche. Zudem können wir viele Mischungen verschiedener Wellenlängen nicht von Licht mit einer einzigen Wellenlänge unterscheiden – das Phänomen ist als Metamerie bekannt. Aber wegen dieser Eigenheit unseres Farbsehvermögens gibt es eine Farbe wie Magenta, der keine Wellenlänge entspricht. Wenn wir von Farben sprechen, müssen wir zwangsläufig von Farben sprechen, wie wir sie sehen; alles andere wäre witzlos. Fangschreckenkrebse können bis zu 12 Wellenlängenbereiche unterscheiden und damit ganz andere Farben sehen, aber was soll’s – wir sind nun mal keine Fangschreckenkrebse.

    1. Ja, das Video ist sehenswert, aber dass es die Farbe Braun nicht gäbe, wäre ein Missverständnis. Richtig ist, dass Braun einem dunklen Orange entspräche, das wir aber nicht so sehen und so benennen – ein dunkles Orange ist für uns Braun (und ein helles Braun ist für uns Orange).

      Man muss bedenken, dass „Farbe“ kein physikalisches Konzept ist. Die Natur kennt keine Farben, nur Licht verschiedener Wellenlängen. Dass wir dennoch ein Konzept „Farbe“ entwickelt haben, geht zunächst einmal auf den Aufbau unserer Sinneszellen zurück, die auf Licht unterschiedlicher Wellenlängen unterschiedlich reagieren (aber nicht so unterschiedlich, dass wir Wellenlängen präzise erkennen könnten), auf deren Verschaltung im visuellen Cortex des Gehirns, und schließlich auf unsere Kultur. Erst dadurch, dass es drei Typen von Zapfen in der Netzhaut gibt, deren spektrale Empfindlichkeit sich unterscheidet, entsteht die Vorstellung eines Farbkreises, die sich durch Wellenlängen nicht erklären ließe. Was für Farben wir routinemäßig erkennen und differenzieren, hängt aber auch davon ab, was für Farben wir in unserer Kultur regelmäßig unterscheiden, und für welche Farben wir Wörter haben. Was wohlgemerkt nicht bedeutet, dass wir Farben nicht sehen könnten, nur weil uns ein Wort dafür fehlte, wie manchmal behauptet wird; auf die angebliche Blau-Blindheit im Altertum war ich hier schon einmal eingegangen: https://www.docma.info/blog/als-der-himmel-noch-nicht-blau-war.

      Jedenfalls lernen Kinder bei uns schon in jungen Jahren, die Farbe Braun zu erkennen, von anderen Farben zu unterscheiden und als „Braun“ zu benennen, und damit ist Braun in unserer Kultur eine Farbe. Eine bessere Rechtfertigung, als Farbe zu gelten, wird man schwerlich finden. Hätten wir statt unserer Augen Spektrometer im Kopf, würden wir uns vielleicht über Spektren und Wellenlängen unterhalten, aber von Farben wüssten wir nichts. Ein Außerirdischer mit Spektrometer-Augen würde nicht verstehen, wieso wir auf unseren Bildschirmen Millionen von Farbabstufungen zu sehen meinen, obwohl diese Bildschirme nur Licht in den immer gleichen drei Wellenlängen erzeugen, die Rot, Grün und Blau entsprechen. Oder dass wir auf die schräge Idee kommen, gedruckte Bilder würden dieselben Farbabstufungen zeigen, obwohl das bedruckte Papier nur die immer gleichen Wellenlängen reflektiert, die Cyan, Magenta (eigentlich eine Mischung aus Rot und Blau) und Gelb entsprechen.

      Übrigens ist auch das Konzept der Farbsättigung kein physikalisches Konzept. Licht einer Wellenlänge ist stets maximal gesättigt, und eine Mischung mehrerer Wellenlängen besteht eben aus mehreren voll gesättigten Farben. Abstufungen der Farbsättigung kann man nur sehen, wenn man wie unsere Augen drei überlappende Wellenlängenbereiche unterscheidet, denn dann bestimmen die beiden Farbkomponenten mit der größten Helligkeit den Farbton (der je nach deren Helligkeitsverhältnis an einer Position zwischen diesen Grundfarben liegt) und die dritte Komponente die Sättigung (je kleiner deren Helligkeit ist, desto höher ist die Sättigung). 80% Rot, 60% Grün und 40% Blau bedeuten zum Beispiel, dass wir es mit einem Orange zu tun haben (der Farbton liegt zwischen Rot und Grün, aber näher bei Rot), das wegen der 40% Blau wenig gesättigt ist.

      Viele Tiere können nur zwei Wellenlängenbereiche unterscheiden, und bei einer solchen Art rudimentärer Farbwahrnehmung gibt es zwar Farbtöne und Helligkeiten, aber keine Sättigung. Könnten wir mehr als drei Wellenlängenbereiche unterscheiden, gäbe es vielleicht auch so etwas wie eine Sättigung, die aber anders definiert wäre als wir das kennen.

      Der einzige Farbparameter physikalischer Natur ist die Helligkeit. Unsere Farbwörter unterscheiden Farben vor allem nach dem Farbton, also der Position im Farbkreis, aber teilweise – wie bei Braun – auch nach der Helligkeit und wie bei Beige auch nach der Sättigung. Und dann gibt es noch gegenstandsbezogene Farbwörter wie „blond“, die nur für Haare (und im übertragenen Sinne für Bier) verwendet werden.

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