Pentax 17: Design-Triumph oder teuer erkaufter Glanz?

Die Nachricht klingt beeindruckend: Die Pentax 17, eine analoge Halbformatkamera, die im Juni 2024 auf den Markt kam, schmückt sich jetzt mit gleich drei renommierten Designpreisen – dem iF Design Award 2025, dem Red Dot Design Award 2025 und dem German Design Award 2025. Ein bemerkenswerter Erfolg für Ricoh Imaging, der die Kamera für ihre Ästhetik und Benutzerführung ehrt. Doch was steckt hinter diesem Preisregen? Sind diese Auszeichnungen echte Qualitätsindikatoren oder primär marketingorientierte Instrumente mit fragwürdiger Aussagekraft? Und wie positionieren sie sich gegenüber Technik-Awards der Fotobranche wie TIPA und EISA? Zeit für eine schonungslose Betrachtung hinter der Hochglanzfassade.
Das Pentax-Retro-Experiment unter dem Design-Mikroskop
Die Pentax 17 verdient durchaus Anerkennung. Bei digitaler Omnipräsenz eine neue analoge Filmkamera zu lancieren, zeugt von Mut und einem Gespür für Nischentrends. Laut Jury-Begründungen würdigte der iF Design Award das intuitive Interface und die gelungene Verbindung von Retro-Ästhetik mit zeitgemäßer Funktionalität. Die Red-Dot-Jury betonte die Benutzerfreundlichkeit, während der German Design Award das „Excellent Product Design“ hervorhob, das durch intuitive Benutzerführung und die Integration von Retro-Elementen besteche.
Bemerkenswert ist dabei, dass Ricoh die Pentax 17 als „erste neu entwickelte analoge Kompaktkamera seit 20 Jahren“ vermarktet – ein geschickter Schachzug, der die Nostalgie-Karte spielt und gleichzeitig Innovation suggeriert. Doch was bedeuten diese Design-Lorbeeren wirklich in einem Segment, wo Funktionalität, Bildqualität und Zuverlässigkeit die entscheidenden Faktoren sein sollten?
Das System Designpreis: Ein profitables Geschäftsmodell
Hinter der glänzenden Fassade der Designpreise verbirgt sich ein durchaus lukratives Geschäftsmodell. Die Jurys mögen zwar mit internationalen Experten besetzt sein, doch die Teilnahme und besonders die Vermarktung eines Sieges sind mit erheblichen Kosten verbunden.
Beim iF Design Award belaufen sich die Einreichgebühren auf 380 bis 480 Euro, hinzu kommt eine „Final Jury Fee“ von etwa 290 Euro. Das obligatorische Siegerpaket kostet dann nochmals rund 3.400 Euro. Der Red Dot Award verlangt Einreichungsgebühren zwischen 399 und 699 Euro, das Winner-Package schlägt mit satten 4.900 Euro zu Buche. Der German Design Award funktioniert etwas anders: Hier erfolgt zunächst eine Nominierung, für die Teilnahme zahlt man dann 330 Euro, für das Winner-Package 2.950 Euro. In Summe kann die dreifache Auszeichnung der Pentax 17 Ricoh somit leicht über 10.000 Euro gekostet haben. Ein Spottpreis für drei Designpreise?
Diese „Pay-to-Enter“-Struktur und die obligatorischen Kosten für die Nutzung des Siegels und der damit verbundenen Marketingleistungen werfen die unangenehme Frage auf, ob sich solche Preise nicht doch zu einem gewissen Grad „erkaufen“ lassen. Zwar beteuern die Veranstalter stets die Unabhängigkeit ihrer Jurys und weisen auf Ablehnungsquoten hin (Red Dot etwa spricht von 80% für die Auszeichnung „Best of the Best“). Doch die Schwelle zur Teilnahme ist durch die Gebührenstruktur per Definition selektiv – kleine Unternehmen oder Start-ups mit innovativen, aber werbebudget-armen Produkten haben deutlich schlechtere Karten.
Besonders kritikwürdig ist die Praxis, dass die Gewinner-Logos nur verwendet werden dürfen, wenn das kostenpflichtige Winner-Package erworben wird. Das etikettenlose Erwähnen eines Preisgewinns hat im visuell geprägten Marketingumfeld praktisch keinen Wert. Dies zwingt die Hersteller faktisch zur Zahlung, wenn sie aus dem Erfolg Kapital schlagen wollen – eine Praxis, die durchaus als „Nachkauf“ des eigentlichen Preisnutzens interpretiert werden kann.
TIPA und EISA: Die Technik-Gremien im Gegenlicht
Im direkten Kontrast zu den designorientierten Awards stehen die TIPA World Awards und EISA Awards, die sich primär der technischen Exzellenz verschrieben haben.
Der TIPA-Award wird von der Technical Image Press Association verliehen, einem Zusammenschluss von etwa 30 Foto- und Imaging-Magazinen weltweit. Anders als bei den Designpreisen gibt es hier keine klassische Einreichgebühr. Die TIPA-Redaktionen erstellen ihre eigene „Longlist“ betrachtungswürdiger Produkte. Dennoch fällt auch hier der kommerzielle Aspekt auf: Gewinnt ein Produkt, werden Lizenzgebühren von geschätzt 3.000 bis 6.000 Euro fällig, wenn der Hersteller das TIPA-Logo für Marketingzwecke nutzen möchte. Ohne diese Lizenz bleibt der Werbewert minimal.
Die EISA Awards basieren auf der Expertise von rund 60 Fachzeitschriften aus 29 Ländern. Sie decken nicht nur Fotografie, sondern auch Hi-Fi, Heimkino und mobile Geräte ab. Die Auswahl gründet sich oft auf ganzjährige Tests und gilt als Indikator für technische Spitzenleistungen – wobei auch hier das Lizenzmodell für die Logo-Nutzung ähnlich funktioniert.
Auffallend ist: Die Pentax 17 taucht in den aktuellen Gewinnerlisten von TIPA und EISA nicht auf. Dies wirft die berechtigte Frage auf, ob die Kamera in puncto technischer Innovation und tatsächlicher fotografischer Leistungsfähigkeit schlicht nicht mit den Spitzenmodellen konkurrieren kann, die von diesen Gremien typischerweise ausgezeichnet werden. Die Designpreise erscheinen in diesem Licht als willkommene Alternative, um dennoch mit Auszeichnungen werben zu können.
Kritische Systembewertung: Medaillen mit doppeltem Boden
Der Fall der Pentax 17 offenbart exemplarisch die Diskrepanz zwischen Design-Reputation und technischer Substanz. Während die Designpreise die Ästhetik und Benutzerführung in den Fokus rücken, bewerten die Technik-Awards primär die fotografische Leistung – Bildqualität, Autofokusgeschwindigkeit, Sensorleistung und innovative Features.
Die Abwesenheit der Pentax 17 in den TIPA- und EISA-Listen legt nahe, dass die strategische Entscheidung für die Einreichung bei Designpreisen möglicherweise darin begründet liegt, dass hier die Chancen auf Erfolg höher eingeschätzt wurden. Oder gibt es auch ganz einfach keine Analog-Kamera-Kategorie (mehr). Die Kamera bedient einen Retro-Trend, der bei Designjurys auf größeres Wohlwollen stoßen dürfte als bei Technikexperten, die nach messbaren Leistungsparametern urteilen.
Auch die verschiedenen Gebührenmodelle offenbaren unterschiedliche Philosophien: Während die Designpreise offen auf „Pay-to-Enter“ setzen, verfolgen TIPA und EISA eher einen „Pay-to-Use“ Ansatz für das Marketing. Beide Systeme generieren erhebliche Einnahmen, doch unterscheiden sie sich im Zugang und in der Außenwirkung.
Problematisch erscheint zudem die mangelnde Transparenz bezüglich der Bewertungskriterien und -prozesse. Während die Preisträger-Pressemitteilungen stets blumige Würdigungen enthalten, bleiben konkrete Bewertungsschemata, Punktevergaben oder gar vergleichende Testergebnisse meist im Dunkeln. Dies erschwert es, die tatsächliche Wertigkeit und Aussagekraft der Auszeichnungen einzuschätzen.
Fazit: Schöner Schein oder echter Mehrwert?
Die dreifache Auszeichnung der Pentax 17 mag für Ricoh Imaging ein Marketingerfolg sein und die Attraktivität der Kamera steigern. Für den kritischen Fotografen und informierten Konsumenten sollten solche Awards jedoch mit gesunder Skepsis betrachtet werden.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie Award-Marketing funktioniert: Die Designpreise bieten die Möglichkeit, auch für ein Produkt, das technisch nicht unbedingt an der Spitze steht, mit prestigeträchtigen Logos zu werben. Die Investition, die Ricoh für diese dreifache Auszeichnung getätigt hat, dürfte sich durch gesteigerte Verkaufszahlen und ein verbessertes Markenimage durchaus amortisieren.
Es ist, wie es ist: Eine Kamera für die Silberhalogenidfotografie (vulgo Analogfotografie) wird heutzutage keinen Technikpreis mehr bekommen. Die Fotozeitschriften berichten natürlich noch darüber, aber schon mit Tests wird es schwierig, sind deren Kriterien doch auf Digitalkameras ausgerichtet. Und mit was sollte man eine solche Kamera überhaupt vergleichen? Einen Preis für die Technik einer Analogkamera bekommen zu wollen wäre so aussichtsreich, wie eine olympische Medaille im Tauziehen anzustreben: Tauziehen ist schon seit 100 Jahren nicht mehr olympisch und wird es auch nicht wieder werden.
Die Pentax 17 ist eine technisch solide Kamera, eben Pentax und nicht Lomo, aber nichts daran ist innovativ. Sie macht nichts besser als eine gute Kamera aus dem vergangenen Jahrhundert, was auch nicht verwunderlich ist – der Markt für analoge Kameras brach erst ein, nachdem deren zugrundeliegende Technik ihren Höhepunkt erreicht hatte. Was gäbe es da überhaupt noch zu innovieren?
Trotzdem: Einen ernstzunehmenden Designpreis hätte die Pentax 17 mehr als verdient, und ich finde es traurig, dass es so etwas kaum noch gibt. Die großen, weithin beachteten Designpreise sind, wie Du ja schon angedeutet hast, nicht wirklich seriös. Ich hatte beim Red Dot Award 2023/24 als Redakteur mitgewirkt, und es war schlimmer, als ich befürchtet hatte. Ob es die Jury, die die Produkte auszeichnet, wirklich gibt, weiß ich nicht; irgendwelche handfesten Hinweise auf ihre Existenz sind mir aber nicht begegnet. In den Texten zu den ausgezeichneten Produkten heißt es ja immer, „Der Jury gefiel besonders …“ (o.ä.), nur mussten sich die Redakteure die darin genannten Entscheidungsgründe selbst ausdenken – uns standen nur die Produktbeschreibungen der Hersteller zur Verfügung, aber kein Input irgendeiner Jury, und manchmal war es schwierig, einen Grund zu finden, der halbwegs plausibel klang.
Für einen Hersteller muss das demoralisierend sein: Da entwickeln sie ein wirklich gutes Produkt, aber müssen dafür bezahlen, damit jemand feststellt, es sei ein gutes Produkt – während sich Mitbewerber selbst für schlechtere oder plagiierte Produkte Auszeichnungen erkaufen. Ich hoffe, dass mal ein oder zwei Hersteller in einem Marktsegment den Mut finden, sich diesem korrupten Geschäftsmodell zu entziehen und öffentlich zu erklären, kein Geld mehr für Designpreise auszugeben – schließlich könnten ihre Kunden ja selbst am besten beurteilen, was ihre Produkte taugen. Eine solche Aktion würde sicher viral gehen und wäre daher nicht einmal teuer.
Geschickter Schachzug von Ricoh für Leute, die alles glauben, was nach Hochglanz aussieht. Ich nutze für chemische Filme lieber meine Bronica 6×6, was nostalgisch ist, denn die neue Sony A-1 macht alles besser.
Ein Glück, dass so viele Amateure auf Megapixel und Geschwätz in Foren hereinfallen und immer technisch bessere Modelle und Objektive kaufen, sonst könnte eine Foto-Grafin keine Top-Kamera bezahlen.
Zu bedenken ist, dass nur wenige Fotos auf grossen, kalibrierten Monitoren oder ausgedruckt betrachtet werden. Für den Schnelldurchlauf im Telefon reicht schon geringe Qualität.