
Statt antiker Scherben oder verstaubter Dioramen erblicken wir in Monica Menez virtuellem Museum in den Vitrinen die Berufe, die heute noch das pulsierende Herz der visuellen Kultur bilden: „The Photographer“, „The Stylist“, „The Graphic Designer“, „The Foto Model“. Jedes Exemplar ist sorgfältig präpariert und beschriftet, ausgestellt als „Specimen of Creativity“. Mit diesem ebenso provokanten wie brillanten Gedankenspiel konfrontiert uns die Fotografin und KI-Künstlerin Monica Menez in ihrer neuen Serie. Sie inszeniert einen Ort, der die Ängste und Verheißungen der Kreativbranche im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz auf den Punkt bringt. Nun stellt sich die Frage: Ist ihr „Museum der toten Berufe“ ein melancholischer Abgesang oder vielmehr das Labor einer neuen, hybriden Zukunft?
Das Museum der toten Berufe: Abgesang oder Aufbruch?
Die Grundidee von Monica Menez ist von entwaffnender Klarheit: Sie nimmt die aktuelle, oft hysterisch geführte Debatte um die Verdrängung kreativer Kompetenzen durch Algorithmen wörtlich. Sie schafft einen fiktiven musealen Raum, in dem die Akteure der Kreativwirtschaft zu Ausstellungsstücken ihrer selbst werden. Doch wer hier eine düstere Dystopie erwartet, wird von der visuellen Opulenz und dem feinen Humor der Arbeiten überrascht. Menez’ Inszenierungen sind keine Trauerfeiern. Sie sind surreale, doppelbödige Tableaus, die den Wandel nicht nur beklagen, sondern ihn mit einer fast spielerischen Neugier sezieren. Die Serie fragt nicht, ob sich Berufe wie der des Illustrators oder des Kameramanns („The DOP“) verändern, sondern wie wir diese Transformation gestalten und wahrnehmen. Die museale Konservierung wird so zu einem ironischen Kommentar über die Schnelllebigkeit unserer Branche und unsere eigene Furcht, zum alten Eisen zu gehören.










Die KI als Komplize und Kommentator
Das zentrale Werkzeug und zugleich Sujet dieser Transformation ist die Künstliche Intelligenz. Menez nutzt Bildgeneratoren wie Midjourney nicht als bloßen Effekthascher oder als Ersatz für fotografisches Können. Die KI wird vielmehr zum Komplizen ihrer konzeptuellen Inszenierung. Die unheimliche Perfektion, die subtilen Brüche in der Logik der Bilder und die manchmal grotesk anmutenden Details, die den generierten Motiven anhaften, sind kein technischer Makel, sondern Teil der künstlerischen Aussage. Die KI kommentiert das Geschehen, indem sie es abbildet. Sie ist der Geist in der Maschine, der die Exponate für das Museum erst liefert. Wenn „The Copywriter“ oder „The Voice Actor“ als schillernde, fast tragische Figuren in einer künstlich geschaffenen Welt posieren, spiegelt sich darin die Ambivalenz der Technologie: Sie ist Bedrohung und Verheißung, Totengräber und Geburtshelfer zugleich. Die Ästhetik der KI wird so selbst zum „Specimen“, zum Untersuchungsgegenstand.
Bildsprache zwischen Hochglanz und Abgrund
Stilistisch bewegt sich Monica Menez souverän auf dem Parkett der Mode- und Werbefotografie, in der sie beruflich zu Hause ist. Ihre Bildsprache zitiert die hochglanzpolierte Ästhetik von Magazinstrecken und Kampagnen, um sie im nächsten Moment zu unterlaufen. Die Kompositionen sind streng, oft frontal und bühnenhaft, was den musealen Charakter der Serie unterstreicht. Die Farbpalette ist kräftig und gesättigt, eine Reminiszenz an die Pop-Art, die den ernsten Unterton mit einer fast plakativen Leichtigkeit konterkariert.
Figuren wie „The Visitor“ oder die Szenerie „The Last Creatives“ erweitern das Universum über die reine Auflistung von Berufen hinaus und deuten eine narrative Ebene an. Wir betrachten nicht nur einzelne Exponate, sondern werden selbst zu Besuchern dieser seltsamen Welt. Der besondere Reiz liegt im Spannungsfeld zwischen dem Vertrauten und dem Fremden. Wir erkennen die Posen, die Requisiten und die Codes der Kreativbranche, doch alles ist durch den Filter der KI leicht verschoben, artifiziell überhöht. Es ist diese präzise kalkulierte Irritation, die den Betrachter fesselt und ihn zwingt, die eigene Position im Gefüge aus Mensch, Kreativität und Maschine zu hinterfragen. Menez beweist, dass eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Technologie nicht auf visuelle Opulenz verzichten muss.
Fazit
Letztlich ist „Specimens of Creativity“ weit mehr als ein Kommentar zur KI. Die Serie ist ein scharfsinniger und visuell überwältigender Beitrag zur Zukunft der Bildschaffung. Sie lädt Profis aus Fotografie und Bildbearbeitung dazu ein, die eigene Rolle mit einer Mischung aus Selbstironie und strategischem Weitblick neu zu denken. Vielleicht ist dieses Museum kein Endlager, sondern ein Brutkasten für die Kreativität von morgen.






