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Neues von „Yashica“

Zuletzt hatte ich hier vor einem Jahr über die Yashica Y35 geschrieben. Im April sollte die per Crowd-Funding finanzierte „DigiFilm“-Kamera ausgeliefert werden, aber die Fertigstellung verzögerte sich. Was ist der Stand?

Neues von Yashica
Der Schnellspannhebel hat zwar keine echte Funktion, aber man muss ihn trotzdem vor jeder Aufnahme betätigen.
Neues von Yashica
Die in die Yashica Electro Y35 einzulegende „Filmpatrone“ enthält weder einen Film, noch ein digitales Speichermedium.

 

 

 

 

 

 

Tatsächlich gibt es das vielen Fotografen wohlbekannte Unternehmen Yashica schon lange nicht mehr. Die Marke „Yashica“ wurde 2008 verkauft, und was seitdem unter diesem Namen angeboten wird, sollte nicht dem traditionsreichen Kamerahersteller angelastet werden. Die Y35 sieht zwar aus der Entfernung der legendären Kleinbildkamera Yashica Electro 35 aus den 60er Jahren ähnlich, hat mit dieser aber nichts zu tun. Im vergangenen Jahr schrieb ich: „Falls sich die Yashica Y35 im nächsten Jahr nicht doch als Aprilscherz entpuppt, ist sie das ultimative Hipster-Produkt: 100 Prozent Attitüde bei 0 Prozent Substanz. Aber das muss einem Erfolg ja nicht im Wege stehen.“

Aus der angekündigten Auslieferung im April 2018 wurde nichts, aber jetzt, ein halbes Jahr später, sollten die „Backer“, die im Wege der Schwarmfinanzierung bis zu 150 Dollar gezahlt hatten, eigentlich ihre Kameras bekommen. Wie man den Kommentaren auf den Crowd-Funding-Portalen Kickstarter und Indiegogo entnehmen kann, warten viele jedoch noch immer, während sich die Verantwortlichen für das Projekt in Schweigen hüllen. Diejenigen, die das versprochene Produkt bekommen haben, sagen allerdings, dass sich die vergeblich Wartenden glücklich schätzen sollten – ihnen sei eine Riesenenttäuschung erspart geblieben.

Dass die Yashica Y35 keinen Sinn macht, war von Anfang an klar. Sie ist keine Yashica, denn Yashica ist schon seit vielen Jahren tot. Sie ist keine Messsucherkamera, obwohl sie so aussieht. Sie ist keine Filmkamera, obwohl man „Filmpatronen“ einlegen muss, und die filmlosen „Filmpatronen“ können nicht einmal Digitalbilder speichern – dazu ist eine Speicherkarte nötig. Sie hat einen Schnellspannhebel, den man vor der ersten Aufnahme mehrmals und dann vor jeder Aufnahme betätigen muss – aber ihre Energie bezieht die Kamera aus zwei AA-Batterien.

Viel Plastik, zwei Metallstücke zur Beschwerung und eine Dashcam: die Yashica Y35 in ihre Einzelteile zerlegt.

Tatsächlich ist es aber noch viel schlimmer. Das wird einem klar, wenn man sich auf YouTube anschaut, wie eine Y35 in ihre Einzelteile zerlegt wird – mit einem Schraubendreher, einem Teppichmesser und ein bisschen roher Gewalt. Die Kamera ist Fake: Das an eine Messsucherkamera erinnernde Gehäuse besteht aus nicht sehr stabilem Plastik, und was wie der Tubus eines lichtstarken Objektivs aussieht, ist nur die Hülle für eine Dashcam, also ein Kameramodul, das sich Autofahrer auf das Armaturenbrett montieren, um gegebenenfalls einen Unfall zu dokumentieren und so die Schuldfrage zu klären. Damit sich die Kamera nicht wie das Plastikspielzeug anfühlt, das sie tatsächlich ist, hat der Hersteller noch zwei dicke Metallstücke eingebaut, die ihr ein vertrauenerweckenderes Gewicht geben.

Vielleicht hätte man schon beim Namen der Y35 misstrauisch werden sollen: „Y“ spricht sich ja auf Englisch wie „Why?“ aus. Und die Antwort ist klar: Auf Indiegogo wurden 1.516.226 US-Dollar eingeworben und auf Kickstarter noch einmal 10.035.296 Hongkong-Dollar – zusammen sind das fast zweieinhalb Millionen Euro.

 

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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