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Yashica FX-D: Peinlicher Nostalgie-Fetisch

Die Ankündigung einer neuen Digitalkamera mit Filmtransporthebel – ein Satz, der die ganze Absurdität unserer fotografischen Gegenwart in wenigen Worten zusammenfasst. Während die Industrie jahrzehntelang damit beschäftigt war, uns von den vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Analogfotografie zu befreien, kehrt sie nun mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit zu genau jenen Elementen zurück, die sie einst zu überwinden trachtete. Die im Mai 2025 präsentierte Yashica FX-D ist dabei nur der jüngste Streich in einer Branche, die ihre Identitätskrise offenbar mit nostalgischen Gimmicks zu therapieren versucht.

Der funktionslose Hebel als haptisches Manifest

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bei der Yashica FX-D unzweifelhaft der Filmtransporthebel – ein mechanisches Bauteil, das in der digitalen Welt so deplatziert wirkt wie ein Benzinkanister im Elektroauto. Anders als bei seinen analogen Ahnen dient er hier nicht dem Filmtransport, sondern ausschließlich dem Spannen des Verschlusses und der Vorbereitung der nächsten Aufnahme. Diese bewusste Verlangsamung des digitalen Bilderfassungs-Prozesses soll, so die Intention, Fotografen zu einer bedächtigeren Komposition anregen – ein durchaus ehrenwerter Gedanke in einer Zeit, in der Serienbildfunktionen mit zweistelligen Bildraten pro Sekunde zur Standardausstattung gehören.

Die technischen Spezifikationen der beiden auf Kickstarter angekündigten Varianten illustrieren die Bandbreite von Yashicas aktuellem Ansatz: Die FX-D 100 wird mit einem 13-Megapixel-Sensor von Sony (IMX 458, Typ 1/3.06 Zoll), einem dreifach-Zoomobjektiv (25,4–76,3 mm Kleinbild-Äquivalent, f/1.6–2.8) und einem klappbaren Display aufwarten. Die FX-D 300 hingegen soll einen deutlich größeren 50-Megapixel-Sensor (1/1.56 Zoll), ein 24-mm-äquivalentes f/1.8-Objektiv und eine optische Bildstabilisierung bieten. Beide Modelle verfügen mit ihren an Smartphone-Sensoren erinnernden Bildgebern über sechs Filmsimulationen mit klangvollen Namen wie „Ruby 60s“ oder „Golden 80s“, die digitale Interpretationen klassischer Filmemulsionen versprechen – ein Feature, das in der professionellen Postproduktion zwar oft durch dedizierte Software abgebildet wird, aber für einen schnellen, charaktervollen Look direkt aus der Kamera durchaus seinen Reiz haben kann.

Yashicas digitale Odyssee: Vom Kickstarter-Debakel zur zweiten Chance?

Die FX-D ist nicht Yashicas erster Vorstoß, analoges Flair in die digitale Domäne zu transferieren. Im Jahr 2017 sammelte das Unternehmen über 1,28 Millionen US-Dollar für die Y35 digiFilm-Kamera ein – ein Projekt, das sich zu einem der spektakulärsten Fehlschläge in der jüngeren Crowdfunding-Historie entwickeln sollte. Die Y35 versprach ein authentisches Filmerlebnis mittels austauschbarer „digiFilm“-Kassetten, lieferte jedoch eine technisch unausgereifte Kamera mit enttäuschender Bildqualität und erheblichen Lieferverzögerungen. Die Kritik fiel derart vernichtend aus, dass die Y35 zum Paradebeispiel für mangelhaft umgesetzte Nostalgie-Produkte avancierte.

Mit der FX-D scheint Yashica nun bemüht, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Kamera wirkt auf dem Papier technisch deutlich solider und verzichtet auf die problematischen Kassettenwechsel-Mechanismen der Y35. Stattdessen fokussiert sich das Konzept auf den ikonischen Filmtransporthebel und ein hoffentlich durchdachtes System an Filmsimulationen. Ob dieser Ansatz genügt, die ramponierte Reputation des Unternehmens im Digitalsegment zu rehabilitieren, wird der Markt entscheiden müssen.

Retro-Welle als Marktstrategie: Von Nikon bis Fujifilm

Die Yashica FX-D gliedert sich in einen stetig wachsenden Markt retro-inspirierter Digitalkameras ein, der von etablierten Herstellern maßgeblich geprägt wird. Nikons Z f (ca. 2.800 Euro) zitiert gestalterisch die legendäre FM2 und kombiniert dies mit 24 Megapixeln Vollformat-Leistung. Fujifilms X-Serie, insbesondere Modelle wie die X-T5 (ca. 1.700 Euro, 40 Megapixel), hat mit ihren umfangreichen Filmsimulationen bereits eindrucksvoll demonstriert, dass digitale Filmemulationen erfolgreich vermarktbar sind und von vielen Fotografen geschätzt werden.

Der Preisvergleich positioniert Yashica deutlich unterhalb dieser etablierten Konkurrenz: Mit anvisierten 899 US-Dollar für die FX-D 100 und 1.299 US-Dollar für die FX-D 300 zielt man auf ein preissensibleres Segment. Während Nikon und Fujifilm auf bewährte Vollformat- oder APS-C-Sensoren setzen, geht Yashica mit den kleineren Sensoren ein technisches Wagnis ein.

Fazit: Nostalgie als kalkuliertes Geschäftsmodell

Die Yashica FX-D ist mehr als nur eine weitere Kamera im Retro-Kleid – sie ist ein Kommentar zur bisweilen spürbaren Entfremdung zwischen Fotograf und Aufnahmemedium im digitalen Zeitalter. Der scheinbar anachronistische Filmtransporthebel avanciert zum Symbol für die Sehnsucht nach einem bewussteren, entschleunigten fotografischen Prozess. Die Digitalkamera mit Filmtransporthebel ist das perfekte Sinnbild für eine Industrie, die ihre eigene Vergangenheit romantisiert, während sie gleichzeitig deren technische Limitationen mit digitalen Mitteln zu überwinden versucht.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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3 Kommentare

  1. Man muss vielleicht hinzufügen, dass das Unternehmen, das sich heutzutage „Yashica“ nennt, nichts mit dem 1949 gegründeten traditionsreichen Kamerahersteller zu tun hat, dessen Corporate Identity sie benutzen. Nach der Übernahme durch Kyocera 1983 begann der langsame Niedergang der Marke Yashica, dem schließlich auch die Spiegelreflexsparte (bekannt vor allem durch die zusammen mit Carl Zeiss entwickelte Contax RTS von 1974) zum Opfer fiel. Immerhin erinnert man sich bis heute an die Halbformatkamera Samurai x3.0 (1988), die aufgrund ihres vertikalen Filmtransports Aufnahmen im Querformat machte. Anfang der Nullerjahre hatte Kyocera noch einmal mit hochwertigen digitalen Kompaktkameras eine Offensive im Kamerabau gestartet und dafür die Markennamen „Contax“ und „Yashica“ genutzt, dies aber bald wieder aufgegeben und die Marke 2008 verkauft. Heute steht hinter dem Namen „Yashica“ die in Hong Kong beheimatete JNC Datum Tech International, die elektronische Geräte aller Art im Angebot hat.

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