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Dresden 1945 — das neue 360° Photoshop-Panorama von Yadegar Asisi

Als Asisi 2006 sein Panorama „Dresden 1756“ präsentierte, waren die Rauch­wolken der heran­zie­hen­den Truppen nur am fernen Horizont zu erahnen. In dem gewaltigen Bild, das die Stadt nun 189 Jahre später zeigt, bleiben nur Feuer und Rauch über leeren Ruinen.

Beim ersten Dresden-Panorama hatten die Schrecken des (siebenjährigen) Krieges die Stadt an der Elbe noch nicht erreicht. Das zweite zeigt, rund 200 Jahre später, wie sie über die Stadt hereingebrochen sind und ungezählte Brandbomben ausgebrannte Häusergerippe und verstreute Leichen zurückgelassen haben. Der Standort des Betrachters ist diesmal ein anderer: Schaute er 2006 bei seiner Zeitreise ins Jahr 1756 vom Turm der Hofkirche hinab ins Gewimmel der Gassen, so befindet er sich diesmal auf dem Turm des Rathauses, am 15. Februar 1945, wenige Stunden, nachdem die Flugzeuge ihre Bombenlast abgeworfen hatten und überall Flammen und schmutzige Rauchsäulen in den düsteren Himmel aufstiegen.

Wie bei allen Panoramen Asisis, so sind auch diesmal wieder die puren Zahlen erschlagend: Auf rund 3000 Quadratmetern Bildfläche umgibt die gewaltige Darstellung – 27 Meter hoch und 107 Meter lang – die Betrachter von allen Seiten. Diese stehen auf einer 15 Meter hohen Stahlplattform; das visuelle Erlebnis wird ergänzt um eine abgestimmte Geräuschkulisse und Musik des Komponisten Eric Babak. Unsere Abbildungen können die Raumwirkung des Panoramas mit seinen ganz eigenen per­spektivischen Bedingungen, mit denen sich die Fläche in die dritte Dimension wölbt, nicht wiedergeben.

Selbstverständlich spielte Photoshop bei Vorbereitung und Herstellung wieder eine prominente Rolle; Beispiele der Staffelung der zahllosen Ebenen sehen Sie in der großen Abbildung nach diesem Text. 750 Kilogramm wiegt das im Sublimationsverfahren bedruckte Polyestergewebe, das von Spezialisten gleichmäßig an den Innenwänden des Dresdener Panometers hochgezogen werden musste.

„Ich hoffe“, so kommentiert Asisi sein Vorhaben, „dass das Pano­rama dazu anregt, um über die Schöpferkraft und die Abgründe des Menschen, über die grausame Logik und den Wahnsinn des Krieges nachzudenken. Für mich steht Dresden für die Tragik und die Hoffnung einer Stadt in Europa. Wenige Momente genügen, um die über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen zu Staub und Asche werden zu lassen.“

Neben historischer Forschung liegen dem Projekt die persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen zugrunde. Sie gaben dem Künstler auf einen Aufruf hin mit seltenen Fotoaufnahmen oder individuellen Berichten wichtige Impulse.

Angesichts von Neonazis, die das jährliche Gedenken an die Auslöschung Dresdens immer wieder zum Anlass nehmen, gegen die Kriegsgreuel der alliierten Bomberflotten zu demonstrieren, (und dabei aus mehr als 20 000 Toten gern rund 200 000 ­machen und natürlich nicht nach den Ursachen fragen), ist es wichtig, die – notwendige und richtige – emotionale Betroffenheit bei der ­Visualisierung dieser Schrecken nicht instrumentalisieren zu lassen. Asisi stellt mit seinem neuen Panorama nicht die Opfer­situation Dresdens in den Vordergrund, sondern lenkt den Blick auf einen weiteren Kontext:

Schon mit der Machtergreifung der National­sozialisten 1933 hatte die innere Zerstörung Dresdens, die Vernichtung von zig Menschenleben und ab 1939 die Bombardierung zahlreicher Städte in Europa begonnen. Deutsche Angriffe zerstörten beispielsweise weitgehend Rotterdam, Coventry, Stalingrad oder Warschau.

Sein Panorama-Projekt zollt den Leistungen des Wiederaufbaus Respekt, die bis in die Gegenwart andauern, hinterfragt aber auch stadtplanerische Konzepte. Dem Geist der Nachkriegszeit entsprechend wurden viele ausgebrannte Baudenkmäler endgültig zerstört. Andere blieben als Mahnmal erhalten und konnten rekonstruiert werden, wie die Semperoper 1985 oder die Frauenkirche 2005.

Dresden Panorama 1935: Photoshop-Panorama von Yadegar Asisi
Um den Anblick Dresdens vor ­seiner Zerstörung so genau wie möglich zu rekonstruieren, verwendete Asisi archivierte Fotos und solche aus Privatbesitz, die nach einem Aufruf zum Start des Projekts zur Verfügung gestellt worden waren. So hatten relevante Anteile der Stadt um 1935 ausgesehen.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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