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Interview mit einem Buch: Makrofotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher dazu, welche Antworten sie geben. In „Ganz nah dran: Makrofotografie“ geht es um die Welt der kleinen Dinge.

Foto: Gerald Haas. Interview mit einem Buch: Makrofotografie
Foto: Gerald Haas

Die Makrofotografie ist ein vielfältiges Genre, das Produktfotos ebenso wie Aufnahmen von Wildlife en miniature umfasst. Die Autoren von „Ganz nah dran: Makrofotografie“ haben sich auf Fotos der Flora und Fauna konzentriert. Allein dieser Bereich ist ein anspruchsvolles Thema für sich, denn hier müssen neben den technischen Herausforderungen der Makrofotografie generell, also der Überwindung von Naheinstellgrenzen und der Ausleuchtung des Motivs, auch die Biologie und das Verhalten der Motive verstanden und berücksichtigt werden.

Sieben Fotografen und Fotografinnen bringen als Autoren Erfahrungen aus sieben verschiedenen Schwerpunktbereichen ein. Den Hauptteil des Buches bilden abgeschlossene Workshops zu unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten sowie Aufnahmesituationen. Abgerundet wird der Band durch Exkurse zur Fototechnik und Bildgestaltung. Wir befragen das Buch zu diesen Themen, und es antwortet mit den Stimmen seiner Verfasser.

Was unterscheidet Nah- und Makrofotografie?

Bis vor einigen Jahren wurden die Begrifflichkeiten noch in einer DIN-Norm geregelt. Makrofotografie war durch einen Abbildungsmaßstab zwischen 1 : 10 und 10 : 1 definiert; die Nahfotografie bewegte sich in einem Bereich von 1 : 20 bis 1 : 10. Der Abbildungsmaßstab bezieht sich auf die Größe der Motivabbildung auf dem Sensor, unabhängig von der Sensorgröße. Ein ein Zentimeter großes Objekt wird bei einem Maßstab von 1 : 1 in 1 Zentimeter Größe auf dem Sensor abgebildet. Mittlerweile gilt diese Norm nicht mehr. Die Übergänge zwischen Nah- und Makrofotografie sind in der Praxis fließend. Viele Makroobjektive realisieren einen Abbildungsmaßstab von 1 : 1 oder 2 : 1 und bewegen sich auf einem optisch hervorragenden Niveau. Noch größere Abbildungsmaßstäbe erfordern technische Sonderlösungen wie den Einsatz von Zwischenringen, einem Balgengerät oder Vorsatzlinsen. Die Mikrofotografie geht noch einen Schritt weiter und erzielt Abbildungsmaßstäbe von größer als 20 : 1.

Was ist bei Fotos von Pilzen zu beachten?

Wenn Sie Makroaufnahmen von Pilzen machen möchten, haben Sie einen entscheidenden Vorteil: Pilze wehen in der Regel nicht im Wind. Der Nachteil: Pilze stehen meist dort, wo es am dunkelsten ist. Halten Sie nach Pilzen Ausschau, die auf einer kleinen Anhöhe wachsen.

In der Makrofotografie reicht dafür oft schon eine kleine Unebenheit. Der Hintergrund sieht besonders ansprechend aus, wenn er einen Farb- oder Helligkeitskontrast zum eigentlichen Motiv bietet. Für einen blauen Farbakzent im Bild richten Sie die Kamera in den blauen Himmel (1). Weniger ist mehr: Ein ruhiger Hintergrund gibt dem Pilz die nötige Aufmerksamkeit.

Das Blau des Himmels bietet einen schönen, komplementären Farbkontrast zum Pilz im Vordergrund. (Foto: Sebastian Worm). Makrofotografie
Das Blau des Himmels bietet einen schönen, komplementären Farbkontrast zum Pilz im Vordergrund. (Foto: Sebastian Worm)

Was bringt ein Wechsel der Perspektive?

Haben Sie sich einen Bärlauchwald schon einmal aus der Sicht einer Zecke angesehen? Legen Sie Ihre Kamera mit einem Weitwinkelobjektiv auf den Boden, das Objektiv nach oben gerichtet, und die Stängel des Bärlauchs wirken riesig, wie Bäume mit Blütenkronen (2). In dieser Position können Sie allerdings weder den Sucher noch den Live View nutzen, sofern Ihre Kamera kein Schwenkdisplay hat. Viele Kameras unterstützen aber eine sogenannte Remotefunktion. Dafür verbinden Sie Ihr Smartphone mit der Kamera, je nach Modell per Kabel oder WLAN. Das Live-View-Bild wird dann in eine App auf dem Smartphone übertragen, und auch Einstellungen wie Blende, ISO, Verschlusszeit und Belichtungskorrektur lassen sich per App vornehmen. Das erleichtert die Arbeit um ein Vielfaches. Durch zusätzliche Pflanzen im Vorder- oder Hintergrund entsteht mehr Tiefe im Bild.

Von unten sehen die Bärlauchstängel wie die kleinen Geschwister der riesigen Buchen über ihnen aus. (Fotos: Christine Averberg). Makrofotografie
Von unten sehen die Bärlauchstängel wie die kleinen Geschwister der riesigen Buchen über ihnen aus. (Fotos: Christine Averberg)

Wie lassen sich Schmetterlinge am besten fotografieren?

Eignen Sie sich umfassendes Wissen um die Flora und Fauna in Ihrer Umgebung an. So laufen Sie nicht los, wenn noch keine Schmetterlinge fliegen, nur weil andere Fotografinnen und Fotografen aus südlicheren Regionen längst tolle Bilder machen. Schmetterlinge sind flatterhafte Wesen: Sobald man einen gefunden hat und sich vorsichtig anschleicht, um ein Foto zu erhaschen, fliegt er auch schon wieder fort. Tagsüber einem Falter hinterherzurennen, führt selten zum Erfolg. Begeben Sie sich besser auf die Suche, während die Falter schlafen, also in der Regel frühmorgens oder abends (3). Früh am Morgen sind sie vielleicht sogar mit Tautropfen bedeckt. Sie sollten jedoch noch vor Sonnenaufgang Ihr Motiv gefunden haben. Abends können Sie beobachten, wo sich die Falter zur Ruhe niederlassen, und sie so einfacher finden. Aber Vorsicht! Es dauert oft lange, bis sie wirklich „schlafen“.

Mit etwas Glück können Sie solche Schlafgemeinschaften entdecken. So viele Schmetterlinge in einem Bild festhalten zu können, ist natürlich eine Ausnahme. (Foto: Stefan Imig)
Mit etwas Glück können Sie solche Schlafgemeinschaften entdecken. So viele Schmetterlinge in einem Bild festhalten zu können, ist natürlich eine Ausnahme. (Foto: Stefan Imig)

Christine Averberg, Thorben Danke, Daniela Graf, Gerald Haas, Stephan Heinemann, Stefan Imig, Sebastian Worm:
Ganz nah dran: Makrofotografie
Rheinwerk Verlag, 2022
325 Seiten, gebunden
www.rheinwerk-verlag.de/5548

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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