Die Welle generativer Künstlicher Intelligenz hat die Kreativbranche erfasst und verändert Arbeitsweisen in Fotografie und Bildbearbeitung fundamental. Doch während die technologischen Möglichkeiten faszinieren, braut sich an der juristischen Front ein Sturm zusammen. Im Zentrum: die Frage, ob und wie das Training von KI-Modellen mit urheberrechtlich geschütztem Material vereinbar ist. Besonders für Bildschaffende ist die Lage brisant, denn die USA und die EU schlagen hier rechtlich deutlich unterschiedliche Pfade in Sachen Urheberrecht ein. Um international zu agieren, ist ein Verständnis dieser Differenzen unerlässlich, damit man nicht zwischen die Fronten gerät.
Die ursprüngliche Annahme, das massenhafte Verarbeiten von Bildern für das KI-Training falle in den USA unter die großzügige „Fair Use“-Doktrin, gerät zunehmend ins Wanken. Gleichzeitig etabliert die Europäische Union mit dem AI Act ein eigenes, detailliertes Regelwerk.
Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen und zeigt auf, welche konkreten Auswirkungen sich für Fotografen und Bildbearbeitungsprofis ergeben.
Der US-amerikanische Rechtsstreit: „Fair Use“ unter Druck
Die „Fair Use“-Doktrin des US-Urheberrechts erlaubt traditionell die Nutzung geschützten Materials ohne explizite Genehmigung für Zwecke wie Kritik, Kommentar, Nachrichtenberichterstattung, Lehre oder Forschung. Lange hofften KI-Unternehmen, das Training ihrer Modelle als eine solche transformative Nutzung einstufen zu können. Doch die jüngste Rechtsprechung in den USA zeichnet ein anderes Bild.
Mehrere Gerichtsentscheidungen haben dieser Hoffnung einen empfindlichen Dämpfer versetzt. So wurde beispielsweise geurteilt, dass die unautorisierte Nutzung von Copyright-Material für Trainingsdaten eben nicht als „Fair Use“ zu werten sei, da die Nutzung nicht ausreichend transformativ war. Ein anderes Gericht kam zu einem ähnlichen Schluss bezüglich der Verwendung urheberrechtlich geschützter Texte und betonte ebenfalls die mangelnde Transformation der Originalwerke. Diese Entscheidungen markieren möglicherweise einen Wendepunkt. Es gab sogar einen Fall, in dem ein Gericht seine frühere Haltung zur Nutzung von Copyright-Material für KI-Training revidierte, was die aktuell sehr dynamische und unsichere Rechtslage in den USA unterstreicht.
Zahlreiche Klagen sind weiterhin anhängig und werden die Konturen des „Fair Use“ im Kontext von KI weiter formen. Prominent ist etwa die Klage der New York Times gegen Microsoft und OpenAI, die weitreichende Folgen für die Lizenzierung von Inhalten haben könnte. Während Unternehmen wie Anthropic weiterhin argumentieren, ihre Trainingspraktiken fielen unter „Fair Use“, zeigen die jüngsten Urteile eine Tendenz, die Rechte der Urheber stärker zu gewichten, wenn es um das Training kommerzieller KI-Modelle geht. Für Bildprofis bedeutet dies, dass die pauschale Annahme, ihre Werke dürften in den USA ohne Weiteres für KI-Training herangezogen werden, so nicht mehr haltbar ist.
Europas Antwort: Der AI Act und seine Leitplanken für KI-Training
Während in den USA die Gerichte das Feld bestellen, setzt die Europäische Union auf einen umfassenden regulatorischen Rahmen. Der EU AI Act, dessen Bestimmungen schrittweise in Kraft treten, etabliert klare Regeln für den Einsatz von KI und insbesondere für die dabei verwendeten Trainingsdaten.
Ein Kernstück des AI Acts ist die Transparenzpflicht: Entwickler von KI-Modellen müssen offenlegen, welche Daten für das Training verwendet wurden. Dies soll sicherstellen, dass Copyright-Gesetze eingehalten werden. Entscheidend für Urheber ist zudem der im AI Act verankerte Opt-Out-Mechanismus: Rechteinhaber können der Nutzung ihrer Werke für KI-Trainingsdatensätze widersprechen. Wie wirksam dieser Mechanismus in der Praxis sein wird, bleibt abzuwarten, doch er signalisiert einen deutlichen Willen, die Kontrolle der Urheber über ihre Werke zu stärken. Ein deutsches Gerichtsurteil unterstrich bereits die Durchsetzbarkeit solcher Opt-Out-Anfragen unter dem AI Act.
Flankiert werden diese Regelungen durch die EU-Urheberrechts-Richtlinie (Digital Single Market Directive), die bereits Ausnahmen für Text und Data Mining (TDM) vorsieht. Diese TDM-Ausnahmen erlauben das Durchsuchen und Analysieren großer Datenmengen für Forschungszwecke und unter bestimmten Bedingungen auch für kommerzielle Zwecke, sofern ein legaler Zugang zu den Daten besteht. Wichtig ist hierbei, dass der AI Act diese TDM-Regelungen aufgreift und präzisiert. Eine restriktive Auslegung, die KI-Trainingsdaten von den TDM-Ausnahmen ausschließen wollte, wurde von einem EU-Gericht zurückgewiesen, was die Anwendbarkeit des bestehenden Rechtsrahmens auf KI-Trainingsdaten bestätigte.
Im Gegensatz zu den USA, wo Kompensationsmodelle für Urheber im Kontext von „Fair Use“ kaum eine Rolle spielen, zielt die EU-Gesetzgebung stärker darauf ab, eine faire Vergütung für Kreativschaffende sicherzustellen, deren Werke genutzt werden. Der AI Act sieht zudem die verpflichtende Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten vor, was die Transparenz für Nutzer und Urheber weiter erhöht.
Zwei Rechtswelten, eine globale Herausforderung: Was Bildprofis jetzt beachten sollten
Die Gegenüberstellung der rechtlichen Ansätze in den USA und der EU offenbart signifikante Unterschiede, die direkte Auswirkungen auf die Arbeit von Fotografen und Bildbearbeitern haben:
Aspekt | Vereinigte Staaten | Europäische Union | Praktische Implikationen für Profis |
---|---|---|---|
Rechtsgrundlage | „Fair Use“-Doktrin (flexibel, fallbasiert) | Strukturierter Regulierungsrahmen (AI Act, DSM-RL) | Unterschiedliche Rechtssicherheit; EU tendenziell berechenbarer. |
Copyright-Ausnahmen | Weit gefasst, gerichtlich bestimmt | Spezifische TDM-Ausnahmen, Opt-Out-Recht | In der EU klarere Regeln für Datennutzung; Opt-Out als aktives Recht. |
Durchsetzung | Primär über Gerichtsverfahren | Regulatorisch, harmonisierte Anwendung | Höheres Prozessrisiko in den USA; EU setzt auf Compliance. |
Vergütung für Urheber | Kein expliziter Rahmen für KI-Training | Angestrebter klarer Vergütungsrahmen | Bessere Aussichten auf Vergütung unter EU-Recht. |
KI-Trainingsanforderungen | Jüngste Urteile gegen „Fair Use“ | Transparenzpflicht, Compliance-Fristen | Strengere Compliance-Anforderungen für KI-Firmen in der EU. |
Data-Mining-Rechte | Keine spezif. TDM-Ausnahmen, „Fair Use“-abhängig | Explizite TDM-Ausnahmen (Forschung/kommerziell) | Klarere Forschungsmöglichkeiten in der EU. |
Implementierungszeit | Sofortige Wirkung durch Gerichtsurteile | Gestufte Implementierung | Anpassungszeitraum für EU-Compliance notwendig. |
Grenzüberschreitende Wirkung | Potenzielle Konflikte mit anderen Rechtsordnungen | Harmonisierter Ansatz innerhalb der EU, klare Außenregeln | Internationale Tätigkeit erfordert Beachtung beider Systeme; EU AI Act mit extraterritorialer Reichweite. |
Für Bildprofis ergeben sich daraus konkrete Handlungsfelder. Es gilt, die Opt-Out-Möglichkeiten in der EU aktiv zu prüfen und zu nutzen. Eine saubere Dokumentation der eigenen Werke ist wichtiger denn je, um Rechte im Streitfall nachweisen zu können. Die Entwicklungen könnten zudem neue Lizenzmodelle für die Nutzung von Bildern im KI-Training hervorbringen, die es zu beobachten gilt. Der Umgang mit KI-generierten Inhalten, insbesondere die von der EU geforderte Kennzeichnung, hat auch Implikationen für die eigene Nutzung solcher Werkzeuge und die Kommunikation gegenüber Kunden. Bei grenzüberschreitender Tätigkeit müssen die unterschiedlichen Rechtsrahmen berücksichtigt werden, was die Vertragsgestaltung komplexer gestalten kann.
Die Urheberrecht-Rechtslage ist, insbesondere in den USA, noch im Fluss. Die Entscheidungen der kommenden Monate und Jahre werden zeigen, wie sich das Spannungsfeld zwischen technologischem Fortschritt und dem Schutz kreativer Leistungen weiterentwickelt. Für Fotografen und Bildbearbeiter war es selten so entscheidend, die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit genau zu kennen und die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen. Die Debatte um „Fair Use“ und der neue EU AI Act sind keine abstrakten juristischen Gedankenspiele, sondern haben handfeste Konsequenzen für den Wert und die Verwertung kreativer Bildarbeit.