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Autofokus-Adapter – die Theorie zur Praxis

Gestern hat Christoph Künne an dieser Stelle erzählt, wie er mit einem Autofokus-Adapter ältere manuelle Objektive an einer spiegellosen Systemkamera nutzt. Wie funktioniert das überhaupt und wo liegen die Grenzen solcher Adapter?

Autofokus-Adapter – die Theorie zur Praxis
Der Autofokus-Adapter Techart Pro Leica M–Sony E (Quelle: Techart)

Dass sich überhaupt so viele alte Objektive an spiegellose Systemkameras adaptieren lassen, liegt an der großen Differenz der Auflagemaße, also des Abstands zwischen Objektivanschluss und Sensor. Objektive für Spiegelreflexkameras haben typischerweise Auflagemaße von mehr als 40 mm, während bei spiegellosen Systemen um die 20 mm üblich sind. Selbst Leicas eigentlich ebenfalls spiegelloses M-System hat noch ein Auflagemaß von 27,8 mm, also 9,8 mm mehr als Sonys E-Mount (18 mm). Diese Differenz lässt genug Platz für einen Adapter, um Spiegelreflex- oder Messsucherobjektive so anzuschließen, dass sie sich bis Unendlich fokussieren lassen.

Das gilt natürlich schon für die verbreiteten passiven, rein mechanischen Adapter, die nichts weiter sind als ein Tubus passender Länge mit dem jeweils passenden Bajonett an beiden Enden. Mit größerem technischen Aufwand kann man aber auch einen Schneckengang einbauen, der einen zweiten Tubus herausfährt und den Adapter damit verlängert. Kommt dann noch ein Motor als Antrieb und die Elektronik zu seiner Steuerung durch die Kamera hinzu, hat man einen Autofokus-Adapter wie das Modell von Techart, das Christoph Künne beschrieben hat. Dieser braucht nicht einmal eine eigene Stromquelle, denn die zur automatischen Fokussierung benötigte Energie stellt die Kamera ebenso wie für die Objektive des eigenen Systems bereit.

Autofokus-Adapter – die Theorie zur Praxis
Der Aufbau eines Autofokus-Adapters (Quelle: Techart)

Aber wie wird nun damit scharfgestellt? Die klassische Methode der Fokussierung beruht darauf, die Entfernung von Objektiv und Filmebene (beziehungsweise heutzutage der Sensorebene) anzupassen. Hier gilt die sogenannte Linsengleichung:

1 / Gegenstandsweite + 1 / Bildweite = 1 / Brennweite

Wenn die Bildweite, also der Abstand zwischen Objektiv und Sensor, gleich der Brennweite ist, ist die Gegenstandsweite, also der Abstand zwischen Objektiv und Motiv, unendlich. Das Bild näherer Motive ist weiter vom Objektiv entfernt, so dass der Objektivtubus länger werden muss. Die absolute Naheinstellgrenze wird dann bei einer Entfernung überschritten, die gleich der Brennweite ist – dann müsste der Sensor unendlich weit vom Objektiv entfernt sein, was nicht wirklich praktikabel wäre, und Motive in noch kürzerer Distanz können gar nicht mehr scharf abgebildet werden. Für einen weiten Entfernungsbereich genügt es aber zur Fokussierung, die Linsen um einige Millimeter oder Zentimeter zu verschieben.

Normalerweise geschieht diese Verschiebung im Objektiv. Ein Schneckengang schiebt aus dem äußeren Tubus einen inneren Tubus heraus, in dem wiederum die Linsen des Objektivs fixiert sind, und dieser Schneckengang wird entweder manuell über einen Fokussierring oder elektrisch über einen Fokussiermotor angetrieben. Stattdessen kann man eine solche Konstruktion aus zwei ineinanderliegenden Tuben und einem Schneckengang auch hinter das Objektiv setzen und damit scharfstellen – vorausgesetzt, dahinter ist Platz, und diese entscheidende Voraussetzung ist bei der Kombination von Objektiven mit großem Auflagemaß und Kameras mit kurzem Auflagemaß gegeben.

Da sich in einem relativ kurzen Adapter (zur Erinnerung: Zwischen den Anschlüssen Leica M und Sony E ist nur 9,8 mm Platz!) aber kein langer Innentubus verbergen kann, ist der Verschiebeweg beschränkt. Für den Techart-Adapter gilt konkret, dass er das Objektiv nur um bis zu 4,5 mm verschieben kann. Was lässt sich damit anfangen?

Ein Normalobjektiv mit 50 mm muss 50 mm vom Sensor entfernt sein, damit es auf Unendlich fokussiert ist. Bei einem Motiv in 5 Metern wären es 50,5 mm und bei einem Meter 52,6 mm. Während der Fokusring des Objektivs weiter auf Unendlich steht, kann der Adapter die Distanz zum Sensor um 4,5 mm bis auf 54,5 mm verlängern, und damit wird eine Naheinstellgrenze von gut 60 Zentimeter erreicht – immerhin näher als es mit einem M-Objektiv an einer Leica M möglich wäre, denn für kurze Distanzen ist ein Messsucher prinzipbedingt ungeeignet. Indem man den Fokusring des Objektivs in den Nahbereich dreht, lässt sich diese Grenze noch weiter verkürzen, nur kann man dann nicht mehr automatisch auf Unendlich fokussieren.

Bei Weitwinkelobjektiven ist der mit dem AF-Adapter erschlossene Entfernungsbereich noch größer, aber wenn Sie Teleobjektive adaptieren wollen, wird es schwierig. Bei 135 mm beispielsweise ist die Naheinstellgrenze schon bei rund 4 Metern erreicht. Dem können Sie zwar wiederum mit dem Fokusring des Objektivs begegnen, aber der Bereich, in dem der Autofokus dann noch scharfstellen kann, ist eng begrenzt. Sie müssen also zunächst manuell grob vorfokussieren und können sich vom Autofokus nur bei der Feinkorrektur der Schärfe helfen lassen. Christoph Künne stört das nicht, da er sowieso am liebsten mit Brennweiten rund um die Normalbrennweite arbeitet, aber bevor Sie ein paar hundert Euro für einen AF-Adapter ausgeben, sollten Sie diese Beschränkung bedenken.

Und dann ist noch ein weiterer Punkt zu berücksichtigen: Für einen großen Teil der als „Altglas“ apostrophierten Objektive gilt, dass sie mit einer Auszugsverlängerung fokussieren, also genauso, wie es der Adapter tut. Damit sind sie für diese Verwendung optimal geeignet. Viele neuere Objektive fokussieren aber auf eine andere Art – daran zu erkennen, dass sich ihre Länge beim Fokussieren nicht ändert. Diese sogenannte Innenfokussierung verändert nicht – oder nicht nur – die Bildweite, und wenn man sich noch einmal die Linsengleichung anschaut, gibt es darin nur noch eine weitere Größe, die man zur Scharfeinstellung verändern könnte: die Brennweite. Wir haben selbst zwei Objektive im Kopf, die durch die Veränderung der Brennweite scharfstellen: Die Linsen in unseren Augen werden durch Muskeln zusammengedrückt, wenn wir Gegenstände im Nahbereich betrachten; dadurch verkürzt sich die Brennweite und bei gleicher Bildweite – unsere Augen werden ja nicht länger und kürzer – erscheinen um so nähere Dinge scharf, je kürzer sie ist. Eine ähnliche Methode wird auch im Objektivbau genutzt, nur dass es im Objektiv keine „Gummilinsen“ gibt – die Veränderung der Brennweite wird durch das Verschieben von Linsengruppen gegeneinander erreicht. Gerade bei Objektiven, die besonders für den Nahbereich optimiert sind, gibt es oft noch zusätzliche bewegliche Linsengruppen („floating elements“), die die Abbildungsleistung bei kurzen Motivdistanzen optimieren.

Das ist nun schön und gut, verträgt sich aber nicht optimal mit einer zusätzlichen Auszugsverlängerung durch einen AF-Adapter – oder auch durch Zwischenringe oder einen Balgen, was das betrifft. Die Objektivrechnung ist so optimiert, dass die Abbildungsfehler für Motive in der Entfernung minimal sind, auf die der Fokusring eingestellt ist. Bei einer zusätzlichen Auszugsverlängerung stellt man aber tatsächlich Motive in einer anderen Entfernung scharf, was wiederum bedeutet, dass man die Optimierung konterkariert, auf die die Objektiventwickler so viel Mühe verschwendet hatten.

Auch bei der Unterstützung des Autofokus haben AF-Adapter Grenzen. Moderne Kameras und ihre zugehörigen Systemobjektive bilden eine Einheit: Der Prozessor des Objektivs tauscht sich mit dem der Kamera über die Eigenheiten des Objektivs aus, was bei Verwendung eines AF-Adapters nicht möglich ist. So lange die Kamera mit einem Kontrastvergleich scharfstellt, ist das kein Problem, denn dazu lässt sie den Fokussiermotor des Objektivs einfach laufen und misst immer wieder den Mikrokontrast des vom Sensor aufgefangenen Bildes. An der Stelle des maximalen Kontrasts ist dann auch die maximale Schärfe erreicht. Heutzutage können die meisten spiegellosen Kameras aber auch eine Phasendetektion nutzen, um mit einer einzigen Messung und damit viel schneller zu ermitteln, in welche Richtung und wie weit die Fokussierung zu verschieben ist. Ein Kontrastvergleich wird dann nur noch für die Feineinstellung benötigt. Dazu müsste die Kamera aber mehr über das Objektiv wissen, als ihr der Adapter verraten kann. Das Ergebnis ist, dass man mit einem AF-Adapter nicht die AF-Leistung abruft, zu der die Kamera mit Systemobjektiven fähig wäre.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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