Sony Alpha 7 V: Was ist da los beim Dynamikumfang?
Die Messwerte zum Dynamikumfang von Sonys neuer Alpha 7 V offenbaren Überraschendes: Im niedrigen ISO-Bereich ist er noch ein wenig größer als bei aktuellen Mittelformatkameras, und dabei verzichtet Sony sogar auf die übliche Umschaltung des Conversion Gain. Oder ist es in Wirklichkeit ganz anders?

Um eines gleich klarzustellen: Nein, natürlich ist die neue Sony keine Konkurrenz zu Mittelformatkameras wie der Fuji GFX100 II oder der Hasselblad X2D II 100C. Schließlich hat ihr Kleinbildsensor nur ein Drittel der Auflösung des 56 Prozent größeren Mittelformatsensors, ebenfalls aus dem Hause Sony. Im direkten Vergleich liegen die Mittelformatmodelle schon deshalb klar vorne. Die Fuji GFX100 II distanziert die Alpha 7 V ab ISO 500 noch weiter, wenn sie in den High-Conversion-Gain-Modus umschaltet und dann eine Blendenstufe mehr Dynamikumfang bietet. (Hasselblad verschenkt diese Option, wie ich hier kürzlich schrieb.) Bemerkenswert ist es trotzdem, was der neue 33-Megapixel-Sensor der Alpha 7 V leistet.
Die Messwerte zum Dynamikumfang von Photons to Photos, auf denen die aktuelle Debatte basiert, geben Hinweise darauf, was Sony hier anders als beim Vorgängermodell mit gleicher Auflösung – und allen anderen Alpha-Modellen – macht.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass der erwartete „Knick in der Kurve“ fehlt, genauso wie ich es bei der X2D II 100C moniert hatte. Das wird von vielen so interpretiert, dass auch Sony auf eine Umschaltung des Conversion Gain verzichtet, was allerdings noch schwerer erklärbar wäre als im Falle Hasselblads. Woher käme dann aber der große Dynamikumfang von rund 12,5 EV? (Die in der Sony-Werbung herausgestrichenen 16 EV sind wie die entsprechenden Angaben anderer Hersteller nicht realistisch.)
Schaut man sich die Kurven genauer an, so erkennt man, dass die Messpunkte der Alpha 7 V durch Dreiecke markiert sind – statt mit Kreisen wie bei der Alpha 7 IV. Das weist darauf hin, dass Photons to Photos eine bereits in die Rohdaten eingerechnete Rauschunterdrückung entdeckt hat, die also nicht rückgängig gemacht werden kann. Ein geringeres Rauschen führt naturgemäß zu einem größeren Dynamikumfang, wobei aber nagende Zweifel bleiben, die Rauschunterdrückung könnte die Bildqualität und insbesondere die Detailauflösung beeinträchtigen. Ob dieser Argwohn berechtigt ist, kann man derzeit noch nicht sagen, aber die gemessenen Verbesserung des Dynamikumfangs hat ohnehin nur wenig mit der Rauschunterdrückung zu tun – diese bringt lediglich einen Zugewinn von rund 1/6 EV. Wie aber ist der Sprung um 1 EV zu erklären, der zwischen ISO 100 und 320 gemessen wurde? Also in dem ISO-Bereich, in dem der Sensor der Alpha 7 IV im Low-Conversion-Gain-Modus betrieben wird, während die Alpha 7 V keine Umschaltung mehr vorzunehmen scheint?
Man kommt der Wahrheit näher, wenn man die Messwerte mit denen der Panasonic S1 II vergleicht, denn auch bei diesem Modell fehlt der übliche Knick in der Kurve – allerdings aus einem anderen Grund als bei der Hasselblad X2D II 100C. Panasonic hat bei dieser Kamera nicht einfach auf einen Dual Conversion Gain (DCG) verzichtet, sondern ist noch darüber hinausgegangen. Sie setzen neuerdings auf die Methode des Dual Gain Output (DGO), die Sensorpixel im unteren ISO-Bereich sowohl mit hohem wie mit niedrigem Conversion Gain auszulesen und beide Werte miteinander zu verrechnen. Den Vorteil dieses Verfahrens hatte ich hier bereits erklärt. Die S1 II nutzt wie die Alpha 7 V einen teilweise gestapelten Sensor – ebenfalls von Sony, allerdings nicht denselben –, und offenbar unterstützen beide Sensoren einen DGO-Modus.
Der fehlende Knick und der gleichwohl im gesamten ISO-Bereich hohe Dynamikumfang lassen sich nur durch DGO erklären: Die Alpha 7 V braucht den Conversion Gain nicht umzuschalten, weil sie stattdessen beide Modi gleichzeitig nutzt und so den Dynamikumfang bei niedrigen Empfindlichkeiten verbessert. Wie ich schon im Zusammenhang mit der S1 II schrieb, dürfte dem Dual Conversion Output die Zukunft gehören, und wir werden künftig noch mehr Kameras mit dieser Technologie sehen.
Wohlgemerkt: DGO bringt nur bei kleinen ISO-Werten nahe der Grundempfindlichkeit einen Vorteil. Der Dynamikumfang nimmt weiterhin mit der Empfindlichkeit ab, und DCG kann diese Verschlechterung ein Stück weit aufhalten; DGO bringt hier aber keinen weiteren Zugewinn. Bei hohen ISO-Werten zählt nur der Output des High-Conversion-Gain-Modus, und eine Verrechnung mit dem Output des Low-Conversion-Gain-Modus wäre sinnlos.










