Zahlreiche fotografische Erfindungen, bereits um die Jahrtausendwende auf den Markt gekommen, fanden kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs reißenden Absatz. Großformatige 13×18-Mattscheibenkameras mit Glasplatten als Aufnahmemedium hatten sich in kürzester Zeit als kriegsuntauglich erwiesen. Roll- und Planfilm waren nun bei Berufsfotografen und Amateuren gleichermaßen gefragt.
Gelatine-Trockenplatten nutzten Glas als Trägermaterial und wurden seit 1885 industriell hergestellt. Eine handelsübliche Packung mit 12 Stück wog rund ein Kilogramm. Kodak hatte in diesem Marktsegment ausnahmsweise kein Monopol.
Kleine Klappkameras für Rollfilm oder Filmpacks wogen 200 bis 700 Gramm und waren zusammengeklappt etwa so groß wie ein dickes Taschenbuch. Sie besaßen Brennweiten zwischen 70 und 100 Millimetern und Lichtstärken um f/6.7, bessere Modelle erreichten f/4.5. Sie waren als Fixfokus-Optik für Entfernungen von etwa zwei Metern bis unendlich ausgelegt; die Schärfentiefe wurde durch Abblenden bestimmt. Ihre Brillantsucher waren winzig, zeigten ein seitenverkehrtes Bild und verlangten Erfahrung, um einen brauchbaren Bildausschnitt zu bestimmen. Trotz dieser Einschränkungen erlaubten diese Kameras in Kampfpausen spontanes Fotografieren.
Technisch schlicht, aber zuverlässig: Die Kodak Vest Pocket gehörte zu den bekanntesten Kameras. Knapp zwei Millionen Stück wurden produziert.
Die Bezeichnung „Vest Pocket Camera“ wurde zum geflügelten Begriff. Die handlichen Modelle wurden auch als „Soldaten-Kamera“ beworben.120er-Rollfilm entwickelte sich zum Standard und ist nach wie vor erhältlich. Je nach Kamera und Aufnahmeformat sind bis zu 16 Bilder möglich. Seine 1895 erfundene Tageslichtverpackung, bis heute nahezu unverändert genutzt, vereinfachte die Handhabung. Über die Geschichte des Rollfilms und den Kampf seines Erfinders Hannibal Goodwin gegen Kodak berichtet der Blog.Die Icarette aus Dresden konnte 12 Bilder pro Film aufnehmen. Das 6×6-Format bot den Vorteil schneller Aufnahmebereitschaft, ohne eine Entscheidung zwischen Hoch- oder Querformat zu verlangen.
Trotz anfänglicher Mängel setzten sich die 1903 von Kodak eingeführten Film Packs (Planfilm) gegenüber den Trockenplatten durch. Sie waren leicht und unzerbrechlich.
Film Packs boten Formate von 4,5×6 bis 13×18 Zentimetern. Sie waren einzeln verpackt und wurden mit einem Metallrahmen in die Kamera eingesetzt. Anfangs ließ die Planlage gegenüber Glasträgern noch zu wünschen übrig, doch das Film Pack löste die schweren und zerbrechlichen Trockenplatten zunehmend ab. Ab 1917 entwickelte sich der Krieg zum ersten umfassenden Propagandakrieg und prägte die weitere Bildberichterstattung nachhaltig. Darüber berichtet Teil 2, der am 6.1.26 im Blog erscheint.
Ernemanns Klapp-Kamera gehörte wie die Goerz Vest Pocket Tenax zu den besser ausgestatteten Modellen, die mit großen Newton-Suchern ausgerüstet waren und vorwiegend 9×12-Film-Packs nutzten.
Der Altglas-Guide: Das rund 280 Seiten starke E-Book bietet einen systematischen Überblick über die Meilensteine im Objektivbau und grundlegende Innovationen. In weniger als zehn Jahren entstanden vier Objektiv-Klassiker mit besonderer Bildästhetik und charakteristischen Abbildungseigenschaften. Ein Exkurs berichtet ausführlich über den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf die Fotografie.
Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.