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Alte Meister, Pornos und eine Frage des Urheberrechts

Kürzlich ging die Nachricht durch die Medien, die Uffizien und der Louvre wollten PornHub verklagen. Dazu wird es wohl nicht kommen, aber dieser Streit beleuchtet eine interessante Frage des Urheberrechts an den Kunstwerken der Alten Meister.

PornHub – das wird Ihnen nichts sagen – ist eine dieser Websites, die teils kostenlos und teils gegen Geld pornografische Filmchen anbieten. So Sachen, für die man früher in versiffte kleine Kinos gehen musste – also, nicht Sie oder ich, aber irgendwelche Leute –, die es heute aber in reicher Auswahl im Internet gibt. Der Pariser Louvre und die Uffizien in Florenz werden Ihnen dagegen ein Begriff sein. Dort hängen auch Gemälde mindestens dreiviertelnackter Männer und Frauen, aber nichts, das man landläufig mit Pornografie in Verbindung bringen würde – es ist eben anerkannt große Kunst und folglich kein Schmuddelkram.

Alte Meister, Pornos und eine Frage des Urheberrechts
Ilona „La Cicciolina“ Staller, irgendwann in den 80er Jahren, als ich ihr in Venedig begegnet bin

Andererseits ist so etwas auch Interpretationssache, und die Betreiber von PornHub hatten daher die Idee, auf ihrer Website einen Führer durch die großen Museen der Welt anzubieten, der die Interessenten an Nacktheit und Hochkultur auf direktem Weg zu den einschlägigen Gemälden führen sollte. Beim Louvre und dem Musée d’Orsay in Paris, dem Prado in Madrid, den Uffizien in Florenz, der National Gallery in London und dem Metropolitan in New York wurde man auf der Suche nach „Classical Nudes“ fündig. Auf der Startseite stellt Ilona Staller – die ehemalige Pornodarstellerin, ehemalige italienische Parlamentsabgeordnete der Radikalen Partei und ehemalige Ehefrau und Muse von Jeff Koons – zunächst das Konzept in einem Video vor, in dem sie, anders als in jüngeren Jahren, fast überhaupt nicht nackt auftritt.

Gustave Courbet: Der Ursprung der Welt (1866)

Danach geht es zu den einzelnen Museen. Für jedes Haus gibt es einen Plan der einzelnen Stockwerke, auf dem man sieht, wo die vorgestellten Werke zu finden sind. Die erklärenden Texte zu den Gemälden, die dem ernsthaft an Kunst Interessierten meist wenig Neues verraten, kann man teilweise auch als Audioguide abrufen, und zu jeweils einem Bild in jedem Museum gibt es ein Tableau vivant, in dem Pornodarsteller die abgebildete Szene zum Leben erwecken und zeigen, was als nächstes passieren könnte. Bei Gustave Courbets „Der Ursprung der Welt“ (im Musée d’Orsay) beispielsweise ein Cunnilingus.

Mit den „Classical Nudes“ findet man schnell die gesuchten Nackedei-Bilder

Nun mag es sein, dass ein Museum solche „Werbung“ zwiespältig sieht. PornHub regt zwar zum Besuch der Museen an, aber diese wollen vermutlich nicht mit Pornografie in Verbindung gebracht werden. Außerdem ist das Besucherinteresse ohnehin groß – ich habe selbst schon etliche Stunden in der Schlange vor den Uffizien zugebracht, die ich jedes Mal besuche, wenn ich in Florenz bin. Aber wie auch immer: Gegen die Erwähnung auf einer Porno-Website lässt sich kaum etwas unternehmen, denn es wird ja nichts Wahrheitswidriges behauptet.

Der offizielle Vorwurf war daher auch ein anderer. Es hieß, PornHub hätte das Copyright der Museen verletzt, weil zu den vorgestellten Werken auch diese selbst auf der Website gezeigt würden. PornHub hat darauf defensiv reagiert und den Louvre wie die Uffizien aus dem Angebot herausgenommen – das haben sie nun davon –, aber ob die Museen ihren vermeintlichen Anspruch vor Gericht hätten durchsetzen können, ist durchaus fraglich.

Die Künstler, um deren Werke es geht, sind ja schon lange tot und ihr Urheberrecht ist erloschen. Die Bilder sind gemeinfrei oder, wie man auf Englisch sagt, in der Public Domain. Die Museen besitzen zwar die physischen Gemälde, aber können keine Urheberrechte daran geltend machen. Tatsächlich geht es daher nicht um die Werke selbst, sondern um deren digitale Reproduktion. Viele Kunstwerke wurden beispielsweise schon vor Jahren vom Yorck Project digitalisiert und unter dem Titel „10.000 Meisterwerke der Malerei“ auf 11 CD-ROMs veröffentlicht; diese Bilder, die inzwischen Teil der Wikimedia Commons-Sammlung sind, lassen sich frei nutzen – auch von PornHub, ob einem das gefällt oder nicht.

Kniffliger liegen die Fälle, in denen die digitalen Reproduktionen nicht ausdrücklich für alle Nutzungen freigegeben sind. Manche Bilder, die beispielsweise auf Wikipedia zu sehen sind, stammen aus den Online-Galerien der Museen selbst und sind nach deren Interpretation nicht gemeinfrei. Aber lässt sich das rechtlich begründen?

Der Fotograf, der die Gemälde im Auftrag des Museums fotografiert hat, kann vermutlich keinen Urheberrechtsanspruch geltend machen, da es sich ja der Intention nach um eine 1:1-Reproduktion handelt – der Fotograf hat dem Werk des Malers nichts Eigenes hinzugefügt, und wenn es so wäre, wäre es entgegen seiner Absicht geschehen. Natürlich hat der Fotograf einigen Aufwand in eine hochwertige Reproduktion gesteckt, der honoriert werden muss, aber das ist die Aufgabe seines Auftraggebers, in diesem Fall also des Museums. Einen eigenen Urheberrechtsanspruch kann das nicht begründen.

Wenn aber schon der Fotograf kein Urheberrecht hat, hat es dessen Auftraggeber auch nicht. Wikipedia geht davon aus, dass eine getreue Reproduktion eines Kunstwerks, das selbst gemeinfrei ist, ebenfalls gemeinfrei ist, und diese Rechtsposition wird durchweg nicht bestritten. Es ist daher gut möglich, dass PornHub in einem Rechtsstreit obsiegt hätte, auch wenn sie es in diesem Fall nicht darauf ankommen ließen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Zur Ergänzung:
    In Deutschland unterliegen „Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden .. regelmäßig dem Lichtbildschutz nach § 72 UrhG“.
    Jedenfalls hat es der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 20.12.2018 – BGH I ZR 104/17 für die Fotografie eines Bildes im Sinne einer Reproduktion eindeutig so entschieden. Das heißt, der Fotograf hat denselben Schutz an dem Bild wie sonst ein Urheber (einzige Ausnahme: das gilt nur für 50 Jahre). Es kommt hier nicht auf irgendeine besondere künstlerische Gestaltung an.
    Anders kann es möglicherweise bei solchen Reproduktionen sein, die mit entsprechenden Geräten angefertigt werden. Das könnte aber wohl nur mit ausdrücklicher Zustimmung und somit Freigabe durch das entsprechende Museum als Eigentümer geschehen. Das Bild wäre dann abzuhängen und besonders bereitzustellen.
    In dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs hatte das das Bild besitzende Museum ein ausdrückliches Verbot des Fotografierens für alle Besucher ausgesprochen. Eine dagegen verstoßende Veröffentlichung einer Fotografie des Gemäldes bei Wikipedia Commons wurde als unzulässig angesehen.

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