Eine kurze DOCMA-Geschichte (Teil 1/4)

Mit der 100. Ausgabe feiert DOCMA das für ein Nischen-Produkt außergewöhnliche 20-jährige Jubiläum. Ein Rückblick auf die Evolutionsgeschichte des Magazins – von den Anfängen bis heute. Ein frühes Dokument der Bildbearbeitung. 1987 legte sich Doc Baumann einen Scanner zu – ein kleines schwarzes Kästchen, das statt des Druckkopfs in den Nadeldrucker eingesetzt wurde, ein Foto zeilenweise abtastete (und dabei einen fürchterlichen Lärm machte) und in eine Bitmap aus schwarzen und weißen Pixeln übersetzte. Die Vorlage wurde statt des Druckerpapiers über die Vortriebswalzen bewegt. Rechts sehen Sie das Cover der ersten Ausgabe von „Doc Baumanns Magazin für digitale Bildbearbeitung“. Werden Politiker nach einer Wahl irgendetwas gefragt, geben sie keine direkte Antwort, sondern beginnen zunächst mit Dankesworten an Wähler und Wahlkampfhelfer. Das können wir auch: Also dann, liebe Leserinnen und Leser – danke, dass Sie uns treu geblieben sind. Und danke liebe Autoren und Autorinnen, die Ihr mit Eurer Arbeit dieses Heft über all die Jahre bereichert habt. Und danke auch an all jene, die hinter den Kulissen für das meist lautlose Funktionieren der Abläufe sorgen und gesorgt haben. Ihnen und Euch allen ist es zu verdanken, dass wir nun nach 20 Jahren die 100. DOCMA-Ausgabe herausbringen können. Das ist keineswegs selbstverständlich für ein Magazin, das nicht in einem großen Verlag erscheint, sondern von seinen Machern quasi selbst verwaltet wird. Ein Drittel aller neu erscheinenden Zeitschriften geht schon im ersten Jahr wieder ein – das war übrigens auch schon vor 20 Jahren so. Wie alles anfing Wahrscheinlich ist noch keine Zeitschrift so schnell entstanden wie DOCMA, mehr oder weniger innerhalb weniger Stunden. 2002 lebte Doc Baumann schon seit vielen Jahren auf dem Land. Hier hatte er einen heruntergekommenen ehemaligen Tanzpalast umgebaut, um seine Bibliothek unterbringen zu können. Und dort schrieb er nun seine Bücher und Artikel für verschiedene Zeitschriften. Eine davon war die in Hamburg erscheinende „ComputerFoto“, die im selben Verlag herauskam wie das Macintosh-Magazin „MACup“, für das er bereits seit über einem Dutzend Jahre über digitale Bildbearbeitung schrieb – schon lange, bevor Photoshop auf den Markt kam. Ein weiterer Autor der „ComputerFoto“ war Christoph Künne. Der studierte Kulturwissenschaftler hatte 1991 an der Uni die Segnungen der digitalen Dunkelkammer kennengelernt und sein langes Studium als freier Industrie-Trainer für Photoshop, QuarkXpress und Freehand finanziert, bevor er zur schreibenden Zunft wechselte. Irgendwann wurden Künne und Baumann gemeinsam beauftragt, eine neue Reihe mit Schulungsheften zu konzipieren; Baumann sollte sich schwerpunktmäßig um die Hefte für Photoshop kümmern, Künne um eines für QuarkXpress-User. Aber als die Dateien zum ersten Heft druckfertig vorlagen, wurde das Projekt vom Verlag auch schon wieder eingestellt. Etwas später trafen sich die beiden, um das weitere Vorgehen zu beraten. Es war ein schöner, warmer Sommertag, sie saßen auf Doc Baumanns Terrasse, tranken Buttermilch und Kaffee und brüteten Ideen aus. Vielleicht könnte man die geplanten Schulungsunterlagen ja in eigener Regie fortführen. Irgendwann schlug Baumann vor: „Wie wäre es denn, wenn wir eine eigene Zeitschrift gründen? Die Redaktionen wollen hauptsächlich Tests, und für unsere Workshops bekommen wir selten mehr als vier Seiten. Da kann man nicht wirklich in die Tiefe gehen. Hätten wir eine eigene Zeitschrift, könnten Tutorials auch 12 Seiten lang sein, wenn das für ein Thema sinnvoll wäre.“ Künne überlegte einen Augenblick, dann stimmte er zu. „Gute Idee! Machen wir die Sättigungsbeilage zum Hauptgericht.“ Baumann verschwand im Haus. Nach ein paar Minuten kam er zurück und verkündete: „Alles klar! Ich habe gerade mit einem neuen Verlag telefoniert, der ist daran interessiert.“ Und so trafen sich die beiden kurze Zeit später auf derselben Terrasse wieder. Nur war diesmal auch der ehemalige MACup-Chefredakteur Volker Riebartsch mit dabei, der gerade mit seinen alten Redaktionskollegen einen jungen Verlag gegründet hatte. 100 Seiten sollte die erste Ausgabe haben und im Herbst 2002 erscheinen. Hier müssen wir nun kleinlaut zugeben, dass DOCMA 100 nur so heißt, aber eigentlich gar nicht das 100. DOCMA-Heft ist: Denn die ersten zweieinhalb Magazine trugen noch den sperrigen Titel „Doc Baumanns Magazin für digitale Bildbearbeitung“ – bis man das am Kiosktresen ausgesprochen hatte, waren die in der Schlange hinter einem schon ungeduldig geworden. Die ersten Jahre: Tutorials und Photoshop Award Die Vorstellung, nun alle paar Monate ein neues, eigenes Magazin zu machen, erwies sich zunächst allerdings als trügerisch. Heft 2 sollte erst um Juli 2003 erscheinen. Dabei hatte sich die Erstausgabe recht gut verkauft; der Name „Doc Baumann“ war vielen aus der Bildbearbeitungsszene vertraut. Nicht nur wegen zahlreicher Zeitschriftenbeiträge. Schon 1992 und 1993 hatte er ein Handbuch über Filtereffekte, eines zu digitalen Mal- und Grafiktechniken und ein dickes, preisgekröntes Bildbearbeitungs-Lexikon verfasst. Übrigens war Doc Baumann auch der Erfinder der Tutorials in dem heute üblichen Step-by-Step-Stil. Als er mit solchen Artikeln anfing, bestanden die aus sehr viel Fließtext mit ein paar dazwischen gestreuten Abbildungen samt knappen Bildunterschriften. Irgendwann konnte er seine Redakteure und Redakteurinnen davon überzeugen, dass man das besser machen könnte: „Hier geht’s um Bilder – also warum keine Bilder zeigen? Warum seitenlang etwas beschreiben, das man viel besser Schritt für Schritt mit Abbildungen und Screenshots demonstrieren könnte? Warum kein kurzer Einleitungstext, der das Problem beschreibt – dann in einem regelmäßigen Raster gleich große Abbildungen mit ausführlichen Bildunterschriften, die noch einmal erläutern, was man da sieht?“ Es dauerte eine Weile, die Redaktionen von dieser neuen Form zu überzeugen; aber Ausgabe für Ausgabe wurden die Einleitungen kürzer, die Bilder größer, die Bildunterschriften länger. Als das neue Magazin aus der Taufe gehoben wurde, war diese Tutorial-Struktur bereits ausgereift. Zwar hatte sich das erste Heft gut verkauft, der Verlag musste aber aus anderen Gründen Insolvenz anmelden. Die beiden Redakteure standen also nicht nur ohne Honorar für Ausgabe 1 da, sondern auch ohne Verlag. Leider nicht zum letzten Mal. Das ZDF interviewt Christoph Künne am Rande der Photokina 2006 zu den damals neuen Verfahren der Workflow-Kalibrierung für Fotografen. Was tun? Zum Glück war Doc Baumann nicht nur DOCMA-Mitgründer, sondern gleichzeitig auch noch Herausgeber des Motorradrocker-Magazins „Bikers News“. Ohne Motorradführerschein war er da rund 20 Jahre zuvor hineingerutscht, nur weil er sich als Kunstwissenschaftler für die Ikonographie von Motorradtank-Bemalungen interessiert hatte. Bereits 1985 machte er daraus das erste Magazin in Deutschland, das per DTP am Mac gestaltet wurde, 1986 verfasste er das erste digital gestaltete Buch in Deutschland („Der Film: Der Name der Rose“), 1990 das erste Lehrbuch zu DTP-Typographie. Seinen Spitznamen Doc brachte er übrigens aus der Rockerszene mit. Nun lief es wie ein Jahr zuvor: Anruf beim Eigentümer des Verlages, diesmal mit Verweis auf ein bereits gut laufendes Heft, wenn auch ohne jeden Bezug zu dem, was der Verlag sonst herausbrachte; dann war alles klar: Das Magazin würde künftig in Mannheim erscheinen. Doc Baumann eröffnet die Ausstellung zum DOCMA Award 2003 im Willy-Brandt-Haus Berlin. Heft 2 konnte bereits über den ersten Wettbewerb berichten; im Mai 2003 wurden die Gewinner-Arbeiten in einer großen Ausstellung im Willy-Brandt-Haus in Berlin präsentiert – der Anfang der DOCMA Awards, wie sie danach heißen würden. Auf Heft 3, das erst ein Jahr später im Sommer 2004 erschien, stand auf der Flappe noch das alte „Doc Baumanns Magazin für digitale Bildbearbeitung“, aber wenn man die aufklappte, bereits DOCMA. Die Abkürzung für Docs Magazin? So glauben manche, aber das stimmt nicht. Künne und Baumann hatten wochenlang über einen geeigneten, kurzen Zeitschriftentitel diskutiert. Nichts überzeugte. Vielleicht irgendwas aus den Namen der beiden? KuBa? BaKu? Bis Künne schließlich einen Geistesblitz hatte: Nehmen wir doch einfach unsere akademischen Titel: Doc(tor) und Ma(gister): DOCMA. Dass das Ganze auch noch an „Dogma“ erinnert und an eine lateinische Form von „Lehrsatz“, fiel ihnen erst hinterher auf. Teil einer antiken Inschrift, von Doc Baumann im Kreuzgang der Lateran-Basilika in Rom fotografiert Immer stärker zeigte sich allerdings, dass die Mitarbeiter eines Verlages, die sonst mit Rockerclubs, Motorradschraubern und Tätowierstudios zu tun hatten, nicht gerade geübt darin waren, mit den Anzeigenkunden einer Bildbearbeitungszeitschrift zu verhandeln. Und so machten sich die beiden Gründer bald erneut auf die Suche, fuhren quer durch Deutschland zu diversen Gesprächsterminen mit Verlagen und Investoren, bei denen aber nichts herauskam, weil alle ein so großes Stück vom Kuchen haben wollten, dass sich die Arbeit nicht mehr gelohnt hätte. Die Fortsetzung lesen Sie in DOCMA2go 2/2022