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„Re-Experiencing History“: Wie Künstliche Intelligenz Geschichte sichtbar macht

Das Projekt „Re-Experiencing History“ an der Universität Zürich verbindet die Expertise von Professor für Alte Geschichte Felix K. Maier und Computerlinguist Phillip Ströbel. Ihr Ziel: Geschichte nicht nur zu vermitteln, sondern sie für Menschen erlebbar zu machen, die sich für historische Zusammenhänge interessieren. Die beiden Wissenschaftler setzen dabei auf Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Computerlinguistik, um neue Zugänge zur Geschichte des antiken Griechenlands und Roms zu eröffnen.

Im Zentrum des Projekts steht die Frage, wie sich historische Ereignisse und Lebenswelten so visualisieren lassen, dass sie für heutige Betrachter greifbar werden. Statt trockener Textquellen oder statischer Museumsobjekte entstehen digitale Umgebungen, die Nutzerinnen und Nutzer interaktiv erkunden können. Wer sich etwa für die Pracht eines römischen Triumphzuges interessiert, kann sich mithilfe der Plattform in eine virtuelle Prozession einreihen: Die KI analysiert antike Texte, archäologische Funde und bildliche Darstellungen, um daraus ein möglichst stimmiges Bild der Szenerie zu generieren. So entsteht der Eindruck, als stünde man selbst am Straßenrand, während Soldaten, Musiker und exotische Tiere an einem vorbeiziehen.

Cicero spricht vor dem Senat

Die technische Grundlage bildet ein Zusammenspiel aus Natural Language Processing (NLP, Verarbeitung natürlicher Sprache), maschinellem Lernen und Bildgenerierung. Die KI wertet große Mengen antiker Quellen aus, erkennt Muster und Zusammenhänge und setzt diese in visuelle Darstellungen um. In frühen Versuchen aufgetretene Fehler, wie sie die mit modernen Bildern trainierten KIs lieferten – etwa mit dem Smartphone filmende Beobachter eines römischen Triumphzugs – sollen inzwischen nicht mehr vorkommen. Phillip Ströbel bringt seine Erfahrung in der Computerlinguistik ein, um die Modelle so zu trainieren, dass sie nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich und ästhetisch überzeugen. Neueste Forschungsergebnisse sollen in Zukunft durch die Prompt-Optimierung, basierend auf angepassten Sprachmodellen, direkt in die Visualisierungen einfliessen.

Professor Maier sorgt dafür, dass die historischen Inhalte wissenschaftlich fundiert bleiben. Er prüft, wie die KI mit Unsicherheiten und Lücken in der Überlieferung umgeht. Die Plattform dient nicht nur der Präsentation, sondern auch der Reflexion: Sie lädt dazu ein, die eigenen Vorstellungen von Geschichte zu hinterfragen und die Grenzen zwischen Fakt und Interpretation auszuloten. So kann ein digitaler Spaziergang durch das antike Rom auch zum Ausgangspunkt für kritische Diskussionen über historische Wahrnehmung werden.

Die Universität Zürich bietet für das Projekt ein förderliches Umfeld. Sie unterstützt interdisziplinäre Forschung und stellt ethische Leitlinien für den Umgang mit digitalen Methoden bereit. Die Zusammenarbeit mit der Zentralbibliothek Zürich und anderen Partnern sichert den Zugang zu Quellen und technischer Infrastruktur.

„Re-Experiencing History“ richtet sich an ein breites Publikum: Studierende, Lehrende, Museumsbesucher und historisch Interessierte. Die Plattform will Geschichte nicht exklusiv für Fachleute zugänglich machen, sondern sie in den Alltag holen. So soll ein tieferes Verständnis historischer Zusammenhänge gefördert werden. Wer sich für die Details antiker Kleidung, Architektur oder Alltagsgegenstände interessiert, soll hier ebenso Anregungen finden wie jemand, der die Atmosphäre eines Marktplatzes im alten Rom erleben möchte. Die KI liefert keine endgültigen Antworten, sondern eröffnet neue Perspektiven auf die Vergangenheit. Mitunter kann der gang durch die virtuelle Antike auch neue Fragen an die Vergangenheit aufwerfen.

Derzeit ist die Nutzung von Re-Experience History nur mit einer E-Mailadresse der Universität Zürich nutzbar. Interessierte können sich aber laut Hinweis auf der Website mit einer beliebigen anderen Mailadresse registrieren, um informiert zu werden, wenn die öffentliche Nutzung möglich ist.

Mehr über das Projekt erfahren Sie auf der Website der Universität Zürich.

Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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Kommentar

  1. Wirklich nett, aber mehr auch nicht. Eher peinlich bei so vielen historischen Fehlern: Gebäuderuinen im heutigen Zustand im antiken Rom. Landkarten mit Polarkoordinaten oder schlimmer noch, solche nach heutigen Länder- und Kontinentkonturen, um nur ein paar zu nennen. Ein hübsches Spielchen, das sich aber wegen der mittransportierten Fehler nicht mal für den Geschichtsunterricht an Schulen eignet, von einem universitären Niveau ganz abgesehen.

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