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Petition zur Panorama-Freiheit unterzeichnen! Jetzt gleich!

23 Denkmal
Foto auf aufwendige Bildbearbeitung: Doc Baumann

Der Rechtsauschuss der EU hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, derzufolge die sogenannte Panoramafreiheit in Europa aufgehoben werden soll. Das Fotografieren im öffentlichen Raum würde damit praktisch unmöglich gemacht. Unterzeichnen Sie die Petition gegen diese Planungen sofort und verbreiten Sie die Nachricht unter allen, die Sie kennen!

 

Panormafreiheit bedeutet, kurz gefasst, dass Gebäude oder Kunstwerke im öffentlichen Raum in der Regel – auch mit kommerzieller Absicht – fotografiert werden dürfen. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Abgeordnete Julia Reda von der deutschen Piratenpartei (ausgerechnet!) zur europaweiten Ausdehnung der Panoramafreiheit wurde durch den Antrag eines französischen Liberalen und eines griechischen Sozialisten (ausgerechnet!) in sein Gegenteil verkehrt: Wer in Europa Bilder aufnimmt, auf denen ein (neueres) Gebäude oder Kunstwerk zu erkennen ist, an dem ein Architekt oder Bildhauer Urheberrechte besitzt, kann das nur noch mit deren Zustimmung tun.

Streng genommen gilt das zwar nur für die kommerzielle Nutzung – aber auch das Einstellen von Fotos, etwa in soziale Netzwerke, hat rechtlich einen kommerziellen Charakter. Betroffen ist damit fast jeder.

Auf die Hintergründe der Gesetzesvorlage geht mein Kollege Michael J. Hußmann ein. Ich möchte nur kurz ein paar Konsequenzen aufzeigen, würde dieser Schwachsinn tatsächlich EU-Gesetz:

  1. Die hehre Begründung der undurchdachten Vorlage ist, dass niemand Geld damit verdienen soll, dass er die urheberrechtlich geschützten Werke anderer fotografiert und vermarktet. Klingt auf den ersten Blick angemessen. Aber dauerhaft im öffentlichen Raum stehende oder angebrachte Werke sind eben öffentlich (zugänglich) und verdanken den größten Teil ihrer Popularität der Verbreitung über Fotografien oder Filme. Zudem wurden sie häufig mit Steuergeldern finanziert. Fiele diese für die Urheber kostenlose PR ersatzlos weg, würden sich viel weniger Menschen – und damit mögliche Auftraggeber – für die Werke und ihre Hersteller interessieren. Außerdem fände sich der weit überwiegende Anteil der Bilder nicht in teuren Bildbänden, sondern beträfe aktuelle Berichterstattung oder Privatfotos.
  2. Man stelle sich die daraus resultierende Praxis vor: Der größere Teil der Fotografierenden wüsste gar nichts von dem Gesetz und würde daher bald Briefe von Abmahn-Kanzleien im Briefkasten finden (falls der Poststreit bis dahin beendet wäre), die viel Geld wegen Urheberrechtsverletzung fordern, wenn das Bild irgendwo im Web erschiene – und zwar für jedes einzelne Bild. Der kleinere Teil der Betroffenen würde das Gesetz kennen und die Telefonzentralen der Rathäuser und Fremdenverkehrsbüros mit Anfragen lahmlegen, wer denn das Haus in der XY-Straße wann entworfen habe und wie man dieses Architekturbüro erreichen könne. Und die Architekten und Bildhauer kämen nicht mehr zum Arbeiten, weil jeden Tag ein paar hundert Mails, Briefe und Anrufe reinkämen, die beantwortet werden müssten. (Soviel zum EU-Thema „Bürokratie-Abbau“.)
  3. Auch bis jetzt schon muss man erst einmal wissen, was man bedenkenlos fotografieren darf und was nicht. Denn zum einen gilt die Panoramafreiheit nicht in allen europäischen Ländern ( eine Übersicht finden Sie hier:

https://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wikipedia_Signpost/2015-06-17/In_focus#/media/File:Freedom_of_Panorama_in_Europe_NC.svg

Und auch dort, wo sie gilt, gibt es Ausnahmen: So darf etwa der Eiffelturm aufgenommen werden (obwohl sie in Frankreich nicht gilt) – aber nicht nachts, wenn er beleuchtet ist. Nicht dauerhafte Werke – etwa Christos Verhüllung des Reichstages – dürfen auch hierzulande nicht kommerziell fotografiert werden, und auch die Gebäude und der Park von Sanssouci in Potsdam nicht. Dazu entschied der Bundesgerichtshof:

„Ein Eigentümer, auch ein Eigentümer der öffentlichen Hand, kann die Veröffentlichung von Bildern, die auf seinem Gelände angefertigt wurden, untersagen. Das gilt auch dann, wenn er im Übrigen die Fotografie zu privaten Zwecken erlaubt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Hinweise an den Eingängen des Geländes angebracht werden, oder ob es sich um einen großen, landschaftsartigen Park handelt.“

Das ist zum einen ziemlich verrückt, denn woher soll man es dann überhaupt wissen, wenn es nicht die Norm ist, und zum anderen völlig unnachvollziehbar, denn Eigentümer ist ja die öffentliche Hand, also mit anderen Worten wir selbst, die wir den Unterhalt des Parks mit unseren Steuergelder bezahlen. Und auch hier gilt: Die kostenlose PR durch verbreitete Fotos entfällt – man möchte den Potsdamern wünschen, dass kein Schwein mehr ihren Park besucht.

  1. Die undurchschaubaren und praxisfernen Regelungen zur Aufnahme von Personen und Gruppen machen privaten und kommerziellen Fotografen das Leben schon jetzt schwer. Würden Fotojournalisten streng gesetzestreu vorgehen, kämen sie vor lauter Ausfüllerei von Einverständniserklärungen nicht mehr zum Arbeiten, und die Verlage und TV-Sender wären nur noch unbedeutende Anhängsel ihrer hypertrophen Rechtsabteilungen. Würde das jetzt auch noch auf die Panoramafreiheit ausgedehnt, könnten die Medienbetriebe dicht machen.

Und nicht nur das. Alle Bilddatenbanken müssten Hunderte Millionen von Fotos durchforsten und Abermillionen davon löschen. Und Google Earth Streetview und vergleichbare Anbieter müssten ebenfalls zahllose Straßenmeter sichten und Millionen von Objekten verpixeln.

Zum ersten Mal freue ich mich über die Rechtsabteilung von Google und deren Lobbyisten, die nun hoffentlich in Brüssel den Parlamentariern die Hölle heiß machen.

Für alle, die sich nicht auf den Nothelfer St. Google verlassen und selbst etwas tun möchten – hier ist eine Web-Petition, die Sie umgehend unterschreiben und weit in Ihrem Bekannten- und Kollegenkreis verbreiten sollten:

https://www.change.org/p/european-parliament-save-the-freedom-of-photography

Dasselbe gilt übrigens für diesen Text; auch den dürfen Sie mit Verweis auf Autor und DOCMA gern übernehmen und weiterverbreiten.

 

 

 

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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