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Waveform-Displays – Was sind sie und wollen wir sie haben?

Die Kollegen bei DPReview haben nach dem Raw-basierten Histogramm einen neuen Favoriten, womit Kameras den Fotografen bei der optimalen Belichtung unterstützen sollten – mit einem Waveform-Display nämlich, wie es im Videobereich gerne genutzt wird. Was für Vorteile bietet diese Anzeige gegenüber dem vertrauten Histogramm?

Waveform-Displays
Eine Waveform-Anzeige (oben links) illustriert ebenso wie ein Histogramm (unten rechts) die Verteilung der Tonwerte im Bild. Affinity Photo bietet beide Möglichkeiten.

Warum eine auf den Rohdaten des Sensors basierende Histogramm-Anzeige sehr nützlich wäre, habe ich an dieser Stelle bereits begründet, und auch beschrieben, wie man sie verwirklichen kann. Und nun sollen es stattdessen „Waveforms“, also Wellenformen sein? Was ist das überhaupt?

Waveform-Anzeigen sind viel älter als Histogramme und gehen auf die analoge Fernsehtechnik zurück. Die Aufnahmetechniker standen damals vor dem Problem, ein Videosignal abzuliefern, das „broadcast-safe“ war. Ein Videobild, das auf dem Kontrollmonitor im Studio noch gut aussah, konnte die in der Anfangszeit des Fernsehens recht begrenzte Übertragungsqualität überfordern, so dass die Fernsehgeräte in hellen Bildbereichen keine Details mehr zeigten. Man brauchte also ein Hilfsmittel, das vor drohenden Überbelichtungen warnte. Ein Histogramm hätte diese Aufgabe erfüllen können, aber die Histogramm-Anzeige war noch nicht erfunden.

Histogramm-Anzeigen, die die Verteilung der Tonwerte im Bild grafisch darstellen, kamen erst mit der digitalen Foto- und Videotechnik auf. Um ein Histogramm zu erzeugen, muss man alle Pixel des Bildes durchgehen und eine Art Strichliste für die Tonwerte von 0 bis 255 führen: Für jedes Bildpixel fügt man bei dessen Tonwert einen Strich hinzu. Ein RGB-Histogramm benötigt drei getrennte Strichlisten für Rot, Grün und Blau. Danach stellt man die Werte in den Strichlisten von links (0) bis rechts (255) durch Linien dar, deren Länge proportional zur Häufigkeit des jeweiligen Tonwerts ist. Diese Berechnung ist vergleichsweise trivial, aber um sie auszuführen, braucht man digitale Werte, mit denen man überhaupt rechnen kann, einen Speicher für die Strichlisten – und natürlich einen Prozessor. In der analogen Fernsehtechnik gab es nichts von alledem.

Die Fernsehtechniker fanden aber eine simple Lösung, der erstaunlich gut funktionierte – sie schlossen ein Oszilloskop an den Videoausgang an. Nun könnte man denken, dass auf der Bildröhre des Oszilloskops einfach das von der Fernsehkamera aufgenommene Bild erscheinen würde. Schließlich ist dieses Messgerät ganz ähnlich wie ein analoger Fernseher aufgebaut: Beide haben eine Kathodenstrahlröhre, in der ein Elektronenstrahl einen hellen Lichtpunkt auf dem Bildschirm erzeugt, wobei der Elektronenstrahl durch Elektromagnete horizontal und vertikal abgelenkt werden kann. Die Funktionsweise ist jedoch eine andere.

In der Bildröhre eines Fernsehers zeichnet der Elektronenstrahl von links nach rechts und von oben nach unten Zeile um Zeile, im exakt gleichen Rhythmus, mit dem auch die Bildwandlerröhre der Fernsehkamera das Bild abtastet. Die Spannung des Videosignals verrät, wie hell es an der jeweiligen Stelle des Bildes ist, und diese Spannung steuert die Stärke des Elektronenstrahls – und damit auch die Helligkeit, mit der die Phosphorschicht des Bildschirms aufleuchtet. Die Zeilen werden zwar nacheinander geschrieben, aber da der Phosphor kurze Zeit nachleuchtet und unsere Augen träge sind, sehen wir vollständige Bilder.

Waveform-Displays

Beim Oszilloskop schreibt der Elektronenstrahl ebenfalls Zeilen, ist aber immer gleich stark. Das Eingangssignal steuert nicht die Helligkeit, sondern die Auslenkung des Elektronenstrahls nach oben. Daher zeigt ein Oszilloskop den Kurvenverlauf des Signals – eben seine Wellenform. Schließt man ein Videosignal an, dann erscheint jede Zeile des Fernsehbildes als Wellenform, und die vom Elektronenstrahl gezeichnete Linie geht um so weiter nach oben, je heller der von der Kamera registrierte Tonwert ist. Wenn der Techniker nun weiß, wie hoch das Signal maximal sein sollte, damit es noch wohlbehalten beim Fernsehempfänger ankommt, kann er es anhand der Wellenformen auf dem Oszilloskop leicht passend einpegeln. Da immer Bildzeilen angezeigt werden, lässt sich sogar erkennen, ob ein zu helles Motiv links, rechts oder in der Mitte des Bildes liegt. Nur dessen vertikale Position geht aus der Anzeige nicht hervor. In dieser Hinsicht gibt ein Waveform-Display mehr Informationen als ein Histogramm, aus dem man ja nur ablesen kann, dass es irgendwo im Bild überbelichtete Bereiche gibt.

Im Bild oben links ist das gut zu sehen: Das Wellenform-Display zeigt in allen Farbkanälen Einschnitte, die mit den Türmen des Kölner Doms im Bild korrespondieren. Da die Türme hier den Himmel verdecken, ist das Bild an diesen Stellen dunkler. Der weiße Rumpf eines Rheinschiffs zeichnet sich bei der 100-Prozent-Markierung des Waveform-Displays ab – dieses Motiv am unteren Bildrand ist also überbelichtet.

Obwohl eine Waveform-Anzeige eine interessante Alternative zur Histogramm-Anzeige wäre, findet man sie fast nur im Videobereich. Heutzutage benötigt man dazu kein Oszilloskop mehr; die Wellenformen werden berechnet und dem Sucherbild überlagert. In der Nachbearbeitung gibt es Lösungen: Der Raw-Konverter Darktable unterstützt Wellenformen, und ebenso die Bildbearbeitungsanwendung Affinity Photo (dort sind sie etwas irreführend als „Bandbreite“ bezeichnet). Aber selbst Kameras, die im Videomodus Wellenformen anzeigen, enthalten sie dem Fotografen vor. Dabei könnten sie in der Fotografie ebenso nützlich wie bei Videoaufnahmen sein. Technisch stünde dem nichts entgegen, denn Wellenformen lassen sich eher noch schneller als ein Histogramm berechnen. Ebenso wie ein Histogramm können Wellenformen die drei Farbkanäle getrennt darstellen und würden auch davon profitieren, wenn man sie aus den Rohdaten berechnete. Für Canon-Fotografen gibt es die Magic-Lantern-Firmware-Erweiterungen und darunter eine Waveform-Anzeige, aber ansonsten bleiben wir darauf angewiesen, dass die Kamerahersteller diese – eigentlich ja uralte – Idee aufgreifen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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3 Kommentare

  1. Aus dem Artikel ist für mich nicht erkennbar, welche Vorteile ein Fotograf haben sollte, wenn so eine Waveform-Anzeige irgendwo eingeblendet werden soll. Dafür sind die eingeblendeten Angaben viel zu klein und ohnehin zu vielfältig. Außerdem sind die Reserven, die Sensoren im Raw-Modus bieten, ausreichend. Nach dem Foto bringt so eine Anzeige nur in manchen Fällen Vorteile, denn wenn ein Augenblick Geschichte ist, nutzt es bei einem Foto nichts mehr.
    Eine Solche Anzeige nach erfolgter Aufnahme, beim Entwickeln im Bearbeitungsprogramm kann einen Mehrwert bringen, allerdings sollte dann die Möglichkeit bestehen, sie auf ganz bestimmte Ausgabemedien anpassen zu können.

    1. Was die Reserven der Raw-Daten betrifft: Wenn man das Potential des Sensors voll ausnutzen will, muss man möglichst reichlich belichten, aber so, dass die Lichter – außer Spitzlichtern – gerade noch nicht die Füllgrenze der Sensorpixel erreichen – und zwar in allen drei Farbkanälen. Dazu kann man die Histogramm-Anzeige zu Rate ziehen, aber eine Waveform-Anzeige bietet den Vorteil, dass man besser erkennen kann, wo eine Überbelichtung droht. Das Histogramm zeigt nur an, dass es irgendwo im Bild zu einer Überbelichtung kommt. Beide Anzeigen, Histogramm wie Wellenform, sind um so zuverlässiger, wenn sie auf den Raw-Daten basieren, wie ich hier schon mal vor ein paar Wochen erklärt hatte.

      1. Die Reserven der Raw-Fotos reicht zu einem sehr hohen Prozentsatz aus. Hat man extreme Lichtsituationen, z.B. Innenaufnahmen in großen Räumen mit Fenstern und eventuell sogar einstrahlendem Sonnenlicht, dann sind Sensoren jedenfalls überfordert. Dann bleibt ohnehin nur die Möglichkeit von Belichtungsreihen, Kameras können davon 3, 5, sogar 7 machen, wobei die Schrittweite der Belichtungsschritte variabel ist.
        Ich selbst habe ich mich noch nie entschließen können, eine Firmware von Magic-Lantern einzuspielen, außerdem hat es die meines Wissens für einige 5D-Modelle gegeben, nie jedoch für die 1D-Serie.
        Da die führenden Kamerahersteller bisher fast auf jeden Wunsch aufgegriffen haben kann es sein, dass auch die Waveform-Anzeige eingebaut wird. Ich werde die mal in Affinity Photo anschauen, doch wenn das Foto mal gemacht wurde, ist nach Ihren Ausführungen das Kind ohnehin schon in den Brunnen gefallen.
        Doch es gibt ja immer wieder mal neue Möglichkeiten, die einem bisher nie gefehlt haben, ohne die man, hat man sie mal zur Verfügung, nicht mehr leben kann.:)

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