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DOCMA Award: Bilder mit Geschichten

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DOCMA Award: Bilder mit Geschichten

Ein Bild friert einen Augenblick aus einer Handlung ein. Was davor und danach geschieht, können wir nur erraten. Je mehr Hinweise darauf uns das Bild gibt, um so spannender finden wir es. Einige Überlegungen von Doc Baumann zum neuen DOCMA Award.

Zur Thematik des nächsten Awards gab es ein paar Nachfragen. Daher möchte ich versuchen, noch einmal deut­lich zu machen, welche Bilder wir von Ihnen, den künftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, erwarten.

Super-Short-Story-Telling bedeutet: Sie sollten ein Bild (oder mehrere) einsenden, das eine kurze Geschichte erzählt. Natürlich ist das im übertragenen Sinne gemeint, denn ein Bild kann eigentlich keine Geschichte erzählen. Erzählen braucht Zeit – ein Bild aber muss ohne Zeit auskommen und zeigt nur einen einzigen Augenblick.

Bei Aktfotos oder Stillleben gehört Zeitlosigkeit zu ihrer Natur, denn sie kommen ohne Handlung aus. Sport­fotos, ­Actionfotos oder Reportageaufnahmen dagegen frieren einen Moment ein. Es gibt erkennbar ein Vorher, das zu diesem Zustand geführt hat, und ein Nachher, das aus diesem Zustand folgen wird. Das sehen wir zwar nicht direkt im Bild, aber es transportiert dennoch diese Informationen. Je mehr uns der eingefrorene Augenblick über die gesamte Handlung verrät, um so aussagekräftiger ist das Bild. Meist zeigt ein solches Foto den Höhepunkt eines Prozesses und lässt uns so das Davor und Danach erahnen.

Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen demonstrieren. Mein Foto oben links erzählt eine kurze Geschichte – wenn auch keine besonders spannende, eher eine neutrale, die nur das Prinzip verdeutlichen soll: Ein Weinglas zerbricht; der obere Teil ist intakt, der Stiel löst sich von der Standfläche, die gerade zersplittert. Der Betrachter benötigt lediglich seine Alltagserfahrung, um die komplette Handlung zu rekonstruieren: Das Glas ist zuvor – warum auch immer – heruntergefallen, es wird im nächsten Augenblick zerschellen und sein Inhalt wird sich über den Boden ergießen.

Ovids Metamorphosen 1737: DOCMA Award: Bilder mit Geschichten
Ovids Metamorphosen 1737

Auch der Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert (rechts) erzählt eine Geschichte, allerdings völlig anders. Zum einen unterscheidet er sich vom Wasserglas-Foto dadurch, dass er nicht allein Alltagserfahrung voraussetzt, sondern kulturelle Kompetenz. Der ideale Leser von Ovids Metamorphosen hatte damals dieses Hintergrundwissen. Er wusste, dass ein muskulöser Mann mit lockigem Vollbart, neben dem ein Löwenfell und eine angedeutete Keule auf dem Boden liegen, nur Herkules sein kann. Wen er da gerade emporhebt, ist (ohne den Bildtitel) weniger klar. Aber rechts wächst eine Figur aus den Felsen im Wasser, hinten liegt ein Mann auf einem Scheiterhaufen. Es muss also Herkules’ Diener Lichas sein, der ihm nichtsahnend das vergiftete Gewand des Nessos gebracht hat; dieses wird zum langsamen Tode des Helden führen, wes­wegen er sich lieber selbst verbrennt.

Doch die Notwendigkeit des Vorwissens ist nicht der einzige Unterschied. Der Stich erzählt die Geschichte zwar in einem Bild – aber das ist kein Schnappschuss, sondern es enthält drei zeitlich gestaffelte Stationen: Der rasende Herkules hebt Lichas empor (1), er schleudert ihn ins Meer, wo er zu einem Felsen erstarrt (2); dann errichtet Herkules den Scheiterhaufen und verbrennt sich selbst (3).

Diese Art der Bild-Erzählung finden Sie bei vielen alten Kunstwerken. Sie ist heute eher unüblich – wäre aber durchaus ein Mittel, wie Sie für den DOCMA Award eine Handlungssequenz darstellen könnten (ohne sie langweilig in drei Einzelbildern nebeneinander zu unterteilen). Zu viel Vorwissen sollten Sie lieber nicht voraussetzen – was dem einen dank Vorkenntnissen unmittelbar einleuchtet, wird den anderen vielleicht ergebnislos rätseln lassen.

Das mit dem Weinglas-Foto umgesetzte Prinzip liegt heutzutage näher. Ihre Aufgabe ist es, Bilder so zu gestalten, dass Betrachter (und Jury) sich die komplette Geschichte gut vorstellen können. Die Gewinne, die bei überzeugenden ­Lösungen auf Sie warten, sehen Sie auf der Seite gegenüber.

 


WETTBEWERB  Diesen Artikel, DOCMA Award: Bilder mit Geschichten, und alle Fakten zum Award in Kurzform sowie eine Übersicht der Gewinne finden Sie in der aktuellen DOCMA 74 (Ausgabe Januar 2017) auf Seite 117.


 

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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