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Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master

Wir haben das Sony FE 85 mm F1,4 G-Master eine Woche lang beim Horizonte-Festival in freier Windbahn und unter Studiobedingungen ausprobiert. 

testEJ9A0465: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master

Alle Objektivtypen haben ihre idealen Einsatzbedingungen. 85-Millimeter-Prime-Linsen eignen sich – zumindest nach meiner Erfahrung – bevorzugt für drei fotografische Themenwelten: Erstens Freisteller-Porträts, mit nahezu unkenntlich eingeweichten Hintergründen. Zweitens Menschen in der Gesamtansicht und menschengroße Objekte, die deutlich sichtbar durch Schärfekontraste aus ihrer Umgebung hervorgehoben werden sollen. Drittens gefällige Studioporträts mit porentiefem Schärfeneindruck.
Als ich das neue Sony FE 85 mm F1,4 G-Master-Objektiv kurz vor der Eröffnung des neunten Zingster Umweltfotofestivals zum Spielen in die Hand gedrückt bekam, musste ich mich quasi nur einmal umdrehen und ich fand gleich eine dieser Fotodisziplinen vor.


Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master: Freisteller-Porträts


Die Eröffnung des Festivals findet traditionell im Zingster Hotel „Vier Jahreszeiten“ statt, in dem auch gleich noch mehrere bildgewaltige Fotoausstellungen untergebracht sind. Man trifft dort rund 400 Personen, die zunächst sitzend und stehend andächtig den Reden lauschen. Später bilden sich Grüppchen, um für rund eine weitere Stunde die große, lichtdurchflutete Empfangshalle zu bevölkern. Technisch sind so lichtstarke Objektive wie unsere Testkandidatin hier nicht unbedingt nötig, aber die abstrahierende Hintergrundgestaltung mit weit geöffneter Blende verleiht den Ergebnissen sozusagen „Charme auf Knopfdruck“.

DSC04415: Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Blende f71.4 Hier sehen wir ein Closeup von Adobes deutschen „Mister Fotoabo“ Sven Doelle, der etwa sechs Meter vor dem farbenprächtigen Hintergrundplakat der Bühne entfernt steht. Die Details sind zu Farbflächen verschwommen, wirklich scharf ist nur das dem Betrachter zugewandte Auge. Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master.

 

DSC04422: Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Blende f/1.4 Bei diesem Porträt von Foto-Altmeister Heinz Teufel ist der Schärfenbereich aufgrund der größeren Entfernung zum Motiv ein paar Millimeter tiefer, der noch weiter entfernte Hintergrund bleibt aber ebenso abstrakt wie der vom vorherigen Foto. Allerdings zeigt sich hier in den Lichtreflexionen das schöne kreisrunde und unaufgeregte Bokeh, für das Sony dieses Objektiv mit 11 Blendenlamellen ausgestattet hat. Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master.

 

Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Blende f/1.6 Dieses Bar-Bild zeigt recht eindrücklich die Gestaltungsoptionen in etwas engeren räumlichen Verhältnissen. Die Bar selbst hat eine Tiefe von rund zwei Metern. Vordergrund und Hintergrund sind erkennbar, wenn auch ohne Details, der zweite Barmann (der etwa einen Meter nach hinten versetzt steht) ist kaum mehr als Person, eher bloß noch noch als Typ identifizierbar und nur das eigentliche Motiv sticht gestochen scharf aus dem Bild hervor. Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master.

 


Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master: Ganzkörperaufnahmen


Während man weichgezeichnete Hintergründe bei eher kleinen Motiven wie Objekten, Kindergesichtern oder Tieren auch mit einfachem Equipment recht ordentlich umsetzen kann, werden die Anforderungen an Bildsensor und Objektiv mit steigender Motivgröße höher. Freistellung durch punktuelle Schärfe bei ganz abgebildeten erwachsenen Menschen ist die Domäne langer Brennweiten mit großen Blendenöffnungen in Kombination mit großen Bildsensoren. Man kann solche Effekte auch mit anderen Objektiven erreichen. Etwa mit einem 50-Millimeter bei Blende f/1.0 oder mit einem 200-Millimeter bei Blende f/2.8. Ein 85-Millimeter f/1.4 ist hier eine gute Zwischengröße, das es die Arbeit in einer für Model und Fotograf annehmen Distanz ermöglicht und zumeist günstiger ist als die oben genannten Alternativen. Ersteres trifft für das Sony zu, beim Preis dagegen spielt es mit rund 2000 Euro in der gehobenen Liga oberhalb der Mittbewerber von Canon, Nikon, Sigma und Tamron.

DSC05131: Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Blende f/1.4 Aufgenommen aus fünf bis sieben Meter Abstand. Vorder- und Hintergrund zeigen aufgrund der Offenblende merkliche, visuell sehr gefällige Schärfenverluste, aber sie sind bei weitem nicht so deutlich ausgeprägt wie bei den näheren Porträts weiter oben. Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master.
DSC05102: Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master

Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master: Studioporträts


In unserem mobilen Zingster DOCMA-Studio, in dem wir eine Woche lang auch die diesjährigen »Faces of Festival« aufgenommen haben, waren zwei 500-Wattsekunden-Studioblitze im Einsatz. Die Menge des Lichts machte ein Abblenden erforderlich und die künstliche Lichtcharakteristik bot die Möglichkeit, eine Vielzahl an Details herauszuarbeiten. Dieses Setting ist dazu angetan, herauszufinden, was eine Kombination von Objektiv und Bildsensor unter Idealbedingungen zu leisten in der Lage ist. Übermäßige kreative Unschärfe war hier nicht erwünscht, wir haben daher drei bis vier Stufen abgeblendet.

DSC07301-2: Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master
Blende f5.6 Vier Stufen abgeblendet und mit mehreren hundert Wattsekunden ausgeleuchtet: Unter solchen Rahmenbedingungen zeigt das Sony FE 85 mm F1,4 G-Master an der a7r II was es wirklich kann. Die Qualität ist einfach sensationell und lässt darauf hoffen, dass es auch von den noch höher auflösenden Sensoren der Zukunft profitieren kann. Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master.

Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master: Handling


Irgendwie hatte ich mir das Objektiv nach der Beschreibung auf dem Datenblatt größer und schwerer vorgestellt. Zu meinem Erstaunen ergab es mit dem relativ kleinen Kameragehäuse der A7r II eine handliche Einheit, die man auch längere Zeit gut mit sich herumtragen konnte. Na ja, zugeben, meine Erinnerung an eine Porträt-High-End-Fotomaschine speist sich im Kern aus der Arbeit zwei anderer Systemen: einer Canon 5D III plus Batteriegriff und dem EF 85mm f/1.2 L – zusammen rund zweieinhalb Kilo am Arm und einer ähnlich ausgestatteten Phase One Mittelformatkamera, die mit einen 80-Millimeter f/2.8-Objektiv rund drei Kilo wiegt. Da ist die Sony-Kombination mit 1.450 Gramm doch um einiges handlicher, dabei allerdings nicht unbedingt ergonomischer.
Echtes Kopfzerbrechen hat mir das extrem langsame Autofokusverhalten der Objektiv-Kamera-Kombination bereitet. Zumal es mit einem hohen Maß an leicht defokussierten Bildern einherging, die mir erst in der Betrachtung am Rechner als Problemkandidaten auffielen. Viele Fehlfokussierungen hat man schon im Sucher deutlich erkannt, da die Schärfe trotz grüner OK-Anzeige nicht passen konnte. Eine umfängliche Web-Rechchere ergab allerdings keine ähnlichen Beobachtungen bei anderen Testern. Es hat also wohl an diesem speziellen Modell gelegen, wie man mir auch von Seiten Sonys versicherte.


Objektiv Report: Sony FE 85 mm F1,4 G-Master: Fazit


Ein großartiges Objektiv, das die hohe Auflösung der Sony a7r II zu beherrschen scheint – zumindest nach dem optischen Eindruck. Ich bin gespannt, ob die Tester das auch herausfinden, wenn sie ihre MFT-Charts auslesen. Vom Anschein her erinnert mich die Bildqualität der Studioaufnahmen an das, was ich vom Mittelformat kenne. Sollte sich der Eindruck bestätigen (wie haben natürlich Vergleichsbilder gemacht, aber noch nicht ausgewertet), bekommt man hier für einen Listenpreis von 5500 Euro die Qualität einer Kamera-Objektiv-Kombination, für die man sonst mindestens das Doppelte bezahlen muss.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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