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KI-Wandkalender 2024

Von Kunst bis Kitsch

Angesichts der rasanten Qualitätsverbesserung KI-generierter Bilder war zu erwarten, dass bald auch Wandkalender mit solchen Motiven auftauchen würden. Und in der Tat gibt es davon nun eine ganze Menge – allerdings fast alle von einem Verlag. Die traditionellen Kalender-Verlage halten da wohl – noch – Distanz. Doc Baumann hat sich eine Auswahl angeschaut und neben viel Kitsch manches Ansehnliche gefunden

Peter Kersten: Artificial America

Da haben wir sie wieder, diese seltsame neue Frage, die sich vor kurzer Zeit noch niemand gestellt hat und stellen musste: Wen sollen wir für die ästhetische Leistung bewundern? Machen wir’s uns hier einmal leicht und tun so, als seien die verwendeten KI-Systeme nichts anderes als neuartige und etwas eigenwillige Werkzeuge, und betrachten wir die Gestalterinnen und Gestalter als die Urheber, die mit ausgefeilten Prompts (und einiger Nachbearbeitung in Photoshop) hinter diesen Kalendermotiven stehen.

Die zweite Frage, die sich gleich im Anschluss stellt, ist die, ob es sich bei den gelungenen um Kunst handelt oder nicht. Auch da gibt es ja ganz unterschiedliche Positionen. Meine ist eine strikt betrachter-orientierte. Ich schaue mir das Ergebnis an, und wenn es mich ästhetisch überzeugt und von Motiv her anspricht, bin ich gern bereit, das unter „Kunst“ einzuordnen. (Wenn man das etwas vertiefen möchte: Wenn sich ohne Kenntnis des Entstehungsprozesses nicht entscheiden lässt, ob ein Bild manuell, digital oder mit KI-Unterstützung zustande gekommen ist, muss diese Entstehungsgeschichte eben außen vor bleiben und wir können nur das Werk selbst beurteilen.)

Im Zusammenhang mit diesem Kunstcharakter folgt dann schnell die dritte Frage: Da KI überwiegend formal und technisch recht gelungene Bilder generiert und viele dieser Bilder von Menschen ohne eine künstlerische Ausbildung erzeugt werden, ist es zu erwarten, dass viele davon keine „hohe Kunst“ sind. Da muss dann wiederum diskutiert werden, ob diese Werke dann gar keine Kunst sind oder schlechte, oder sagen wir besser: alltägliche mit eher geringem ästhetischem Anspruch. Man könnte auch einfach sagen: Kitsch.

Doch was des einen Kitsch ist, findet des anderen Wohlgefallen. Und da sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt – oder jedenfalls nicht mit Sachargumenten, die Menschen anderer Ansicht überzeugten könnten – kann ich nur von meinen eigenen Vorlieben ausgehen. Schaue ich mir die kritischen Äußerungen zu KI-Bildern in den Medien an (etwa die Position von Gert Scobel, die ich kürzlich hier diskutiert habe – https://www.docma.info/blog/herr-scobel-und-die-mittelmaessigen-ki-bilder), dann dürften auch etliche der Kalender, die ich hier als vorstellungswürdig ausgesucht haben, unter diese Kategorie „Kitsch“ fallen. Das ist mir aber nicht sonderlich peinlich, sondern eben mein persönlicher Geschmack (während mich umgekehrt das Allermeiste an hoch geschätzter Gegenwartskunst völlig kalt lässt).

 

Die Kalender

Bis auf einen, den ich im Anschluss vorstelle, stammen alle 15 Kalender aus dem Calvendo Verlag. Das Geschäftsmodell dieser sogenannten Self-Publishing-Plattform ist praktisch, einfach und zeitgemäß: Warum viele Kalender drucken, von denen ein großer Teil ab Februar sowieso verramscht werden muss, wenn man mit Print on Demand schnell und in inzwischen überzeugender Qualität nur so viele herstellen muss, wie es Abnehmer gibt? Das macht es auf der anderen Seite möglich, eine sehr große Anzahl unterschiedlicher Motive anzubieten. Was schlecht läuft, muss eben auch nur ein paarmal gedruckt werden.

Um noch einmal kurz auf die Kitsch-Frage zurückzukommen: Die meisten der hier angebotenen Kalender fallen nach meinen persönlichen Kriterien in diese Kategorie. Na und – ich muss sie mir ja nicht an die Wand hängen. Im Gegenteil, ich würde erwarten, dass die viel mehr Abnehmerinnen und Abnehmer finden als jene, die mir selbst gut gefallen. Warum auch nicht?

Die Preise reichen in der Regel von knapp 21 Euro für Kalender im DIN-A5-Format bis 75 Euro für DIN A2 im Premiumdruck. Je nach Motiv und Serie sind einige im Breit-, andere im Hochformat. Alle haben am oberen Ende eine Spiralbindung, eine stabilisierende Rückenpappe und ein 14. Blatt hinten mit einer Motivübersicht. Die Kalendarien eignen sich in der Regel nur dazu, Datum und Wochentag zu ermitteln und sind nicht dafür gedacht, Eintragungen vorzunehmen.

Gestört hat mich an den Kalendern allerdings eine Sache, und zwar der lediglich in winziger Schrift auf der Rückseite angebrachte Hinweis auf die Gestalterinnen und Gestalter (die Reihenfolge der Nennung ist hier nicht höflichkeitsbedingt – es gibt in der Tat, und für mich eher unerwartet, darunter sehr viel mehr Frauen als Männer). Auch wenn die Frage, wer denn nun bei KI-generierten Bildern als Urheber zu gelten hat, schwer zu entscheiden ist und noch lange Diskussionsstoff bieten wird, sollte eine solche Reihe die Namen doch bitte auf der Vorderseite der Kalender präsentieren. Da diese allerdings von den Einsendern auf der Basis von Templates selbst gestaltet werden, ist es durchaus möglich, dass sie bereits selbst auf eine solche Kennzeichnung verzichtet haben.

Alle Kalender – viel mehr als die hier vorgestellten – mit sämtlichen Blättern in gut beurteilbarer Größe können Sie auf der Verlagsseite (https://www.calvendo.de/galerie/tag/wandkalender/) anschauen.

Mein persönlicher Lieblingskalender: Thomas Meinert: Marktfrauen im 18. Jahrhundert

von oben unten: Julian Mende: Dogwalk | Dirk Meutzner: Labyrinth Universum | Hanne Leese: Stillleben mit Eule

 

Natürlich ist dieses Konzept nicht nur interessant, wenn man die entsprechenden Produkte erwerben möchte, sondern auch, wenn man seinen eigenen Kalender (plus Puzzle, Leinwanddruck usw.) auf diesem Weg anbieten möchte. Zunächst entscheidet eine Jury über die Aufnahme ins Programm. Allerdings liegt die Honorarbeteiligung an den Verkäufen oft noch deutlich unter der, die Verlage sonst anbieten. Bedenkt man, dass das Risiko des Verlags wegen der Print-on-Demand-Produktion recht gering ist, sollte man sich diese Honorartabellen also gut anschauen, bevor man hier nennenswerte Einnahmen erwartet. Wem es dagegen eher darum geht, einen eigenen Kalender am Markt anbieten zu können, ohne sich um Druck und Vertrieb kümmern zu müssen, für den kann das eine interessante Plattform sein. Will man dagegen nur ein paar Exemplare mit eigenen Werken im Freundes- und Verwandtenkreis verteilen, kann man seine Daten auch direkt zu einem der vielen Print-on-Demand-Dienstleister schicken.

Dirk Meutzner: Abenteuer im Wilden Westen | Kerstin Waurick: Western Life | Kerstin Waurick: Indianische Impressionen | Rose Hurley: Das fesselnde Rittertum | Kerstin Waurick: Filme, die nie gedreht wurden | Renate Utz: Steampunk Maschinenwelt | Liselotte Brunner-Klaus: Luftschiff Fantasie | Peter Roder: Mode Welt | Thomas Meinert: Amazonen im All

 

Der Vollständigkeit halber sei ein weiterer Kalender vom traditionellen Ackermann Verlag erwähnt: „K.I. – Künstlerische Intelligenz“. Positiv daran ist, dass er mit 25 Euro nicht nur weit billiger ist als die Calvendo-Produkte, sondern statt der 12 Monatsblätter 53 Wochenblätter im Format 25 x 33 cm bietet (wohl eine unverbindliche Preisempfehlung, bei Amazon etwa kostet er 18,99 Euro).

Die Qualität der KI-generierten Bilder kann allerdings nicht mit denen der Konkurrenz mithalten, die überwiegend mit Midjourney erzeugt wurden. Hier kam noch Dall·E 2 zum Einsatz – bei einem Kalender für das Jahr 2024 wohl keine sinnvolle Entscheidung. Anders als die thematisch einheitlichen Calvendo-Kalender ist hier jede Seite eigenständig – und selten überzeugend, wenn es darunter heißt, die Bilder hätten den Stil von XY. Nein, haben sie in aller Regel nicht. Hinzu kommt der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit, als habe man sich nicht für ein Motiv entscheiden können, sondern gleich vier auf einem Blatt untergebracht. Tatsächlich dürfte das allerdings eher mit der beschränkten Ausgabeauflösung der KI von 1024 x 1024 Pixeln gelegen haben.

aus dem Ackermann-Kalender K.I. – Künstlerische Intelligenz

 

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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