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Die falschen Freunde des Urheberrechts

Die EU berät schon längere Zeit über eine Urheberrechtsrichtlinie, die das Urheberrecht an die Anforderungen der Gegenwart – also das Internet – anpassen soll. Eine gute Sache, sollte man denken, jedenfalls für Urheber – beispielsweise Fotografen, bildende Künstler, Schriftsteller, Musiker oder Journalisten. Doch so ist es leider nicht.

Anscheinend freuen sich ja alle über das neue Urheberrecht, das, wenn das Europäische Parlament die Richtlinie im März verabschieden sollte, über kurz oder lang nationales Recht werden wird. So beispielsweise die VG Wort, die Verwertungsgesellschaft, deren Mitglied ich bin. Auch diverse Verbände von Künstlern, Fotografen, Journalisten und Schriftstellern, Verwertungsgesellschaften wie die VG Bild-Kunst und die GEMA, und auch die Gewerkschaft ver.di begrüßen die Richtlinie. Aber ich nicht.

Die Kritik am der Urheberrechtsrichtlinie betrifft vor allem deren Artikel 11 und 13. Artikel 11 soll ein sogenanntes Leistungsschutzrecht etablieren, das es bei uns bereits gibt, nachdem die Lobby der deutschen Verlage lange dafür geworben hatte. Mit dem deutschen Leistungsschutzrecht wollten die Verlage die Suchmaschinenbetreiber wie insbesondere Google zur Kasse bitten, wenn diese online verfügbare Artikel indexierten.

Man kann sich das etwa so vorstellen: Ein Taxifahrer wird von seinem Fahrgast gefragt, welches italienische Restaurant er empfehlen könne, und er nennt die Ca Alfredo, wo es eine vorzügliche Fegato alla Veneziana gäbe. Nachdem der Taxifahrer den Gast zur Ca Alfredo gefahren hat, fordert der Wirt eine Gebühr, weil der Fahrer aus der Speisekarte zitiert hätte. Da der Taxifahrer verständlicherweise nicht zahlen will, besteht der Wirt darauf, künftig nicht mehr empfohlen zu werden. Das klingt absurd, aber genau so ist das Leistungsschutzrecht gedacht: Wenn Google & Co. zu einer Suchanfrage passende Artikel anzeigen und mit einem Textschnipsel kenntlich machen, worum es in diesem Artikel geht, sagt der Verlag nicht „Danke“, sondern will noch Geld dafür bekommen.

Das hat natürlich nicht funktioniert. Die deutschen Verlage haben viel Geld dafür ausgegeben, über das Leistungsschutzrecht jedoch keinerlei Einnahmen erzielt. Google hatte damit gedroht, die Artikel künftig nicht mehr in den Suchergebnissen zu berücksichtigen, und die Verlage haben daraufhin das einzig Sinnvolle getan, nämlich Google eine pauschale Lizenz erteilt. Warum ein solches Leistungsschutzgesetz, das schon in Deutschland nichts gebracht hat, nun EU-weit eingeführt werden sollte, konnte bislang niemand erklären. Und es versteht sich von selbst, dass die Urheber, also die Autoren der Artikel, um die es geht, ohnehin keinen Vorteil vom Leistungsschutzrecht haben.

Der zweite Kritikpunkt betrifft den Artikel 13, in dem es um die Haftung für Urheberrechtsverletzungen geht. Entgegen einem weit verbreiteten Glauben ist das Internet keineswegs ein rechtsfreier Raum. Insbesondere ist es nicht so, als ob das Urheberrecht im Internet nicht gälte. Es ist nur so, dass der Schutz des Urheberrechts in der Praxis nicht immer so einfach ist. Viele Websites wie beispielsweise Foren oder soziale Netzwerke leben von den Uploads ihrer Teilnehmer. Das werden in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Fotos der Teilnehmer sein, aber es lässt sich a priori nicht auszuschließen, dass jemand ein Bild hochlädt, an dem er keine Rechte hat. Wenn Sie auf eine Website stoßen, die eines Ihrer Fotos missbräuchlich verwendet, können Sie sich an diese Website wenden und verlangen, dass das beanstandete Bild entfernt oder lizensiert wird. Sofern der Betreiber auf solche Beschwerden angemessen schnell reagiert, ist er rechtlich aus dem Schneider; nur der Uploader selbst kann als Urheberrechtsverletzer haftbar gemacht werden.

Die EU-Urheberrechtsrichtlinie wird das ganz grundlegend ändern, denn Betreiber einer Website sollen nun generell für alle Inhalte verantwortlich sein, die auf ihrer Website veröffentlicht werden, auch wenn es sich um Uploads von dritter Seite handelt. Nur Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind und keinen großen Umsatz generieren, genießen einen Welpenschutz, aber ansonsten sollen alle Websites, ob groß oder klein, künftig unter dem Generalverdacht stehen, das Urheberrecht zu verletzen, auch wenn sie nur Bilder ihrer eigenen Mitglieder zeigen. Damit ist die Existenz einer großen Zahl von Foren und anderer Websites akut bedroht, denn das Haftungsrisiko ist für den Betreiber nicht mehr kalkulierbar.

Um sich vor einer Haftung für mögliche Urheberrechtsverletzungen zu schützen, könnte der Betreiber Lizenzvereinbarungen mit allen Urhebern schließen – und „alle“ meint hier wirklich alle, also alle Fotografen, ob Knipser oder Profis. Die Verwertungsgesellschaften werden den Website-Betreibern vermutlich ein Angebot machen, das diese nicht ablehnen können, nämlich einen Deal, der die Rechte aller Urheber berücksichtigt. Das würde für den Betreiber teuer, brächte der Mehrzahl der Fotografen aber wenig bis nichts. Wer nicht Mitglied der VG Bild-Kunst ist, bekommt keinen Anteil an den Geldern, die diese Verwertungsgesellschaft eintreibt, und selbst deren Mitglieder haben nicht viel zu erwarten. Musiker kennen das Problem: Eine Band, die durch die Clubs der Republik tourt und ihre eigenen Songs spielt, muss dafür Abgaben an die GEMA leisten. Die Ausschüttung der GEMA macht das aber nicht wieder wett, und am Ende profitieren nur die erfolgreichsten Musiker; die Mehrzahl zahlt drauf.

Eine letzte Möglichkeit, sich als Website-Betreiber auf der guten Seite des Rechts zu halten, läge im Einsatz von Uploadfiltern. Die Idee ist, dass alle Inhalte, die nicht ohne Lizenz verbreitet werden dürfen, schon beim Hochladen herausgefiltert werden. Wie das konkret funktionieren könnte, weiß niemand. Alle Urheber, die sich vor missbräuchlichen Verwendungen ihrer Inhalte schützen wollen, müssten diese allen Herstellern von Uploadfiltern melden, damit unlizensierte Uploads entdeckt und verhindert werden können. Nun sind wir alle, die wir Bilder und Filme erzeugen, Texte schreiben oder Musik produzieren, damit Urheber, und müssten alle unsere Inhalte daher für die Berücksichtigung durch Uploadfilter dort hochladen. Dass dies so funktionieren wird, dass alle zu schützenden Inhalte herausgefiltert und alle anderen durchgelassen würden, können wir getrost ausschließen. Die EU-Parlamentarierin Julia Reda hat den Inhalt des aktuellen Entwurfs der Richtlinie und die unausweichlichen Probleme ihrer Umsetzung sehr gut beschrieben.

Das wahrscheinlichste Ergebnis neuer Urheberrechtsgesetze auf Basis der EU-Richtlinie dürfte sein, dass eine große Zahl von Websites ihren Betrieb einstellen muss. Das Internet würde ärmer und nur große Anbieter wie Facebook und Google blieben übrig, weil allein sie sich eine kostspielige Infrastruktur leisten könnten, die sie vor Rechtsverstößen schützt. Als Journalist müsste ich ganz konkret einen Verlust an Einnahmen befürchten, denn nachdem ein Kollege erst kürzlich in einem Rechtsstreit durch alle Instanzen durchgesetzt hat, dass die Verwertungsgesellschaften die Urheberrechtsabgabe allein an die Urheber ausschütten müssen, wird das neue Urheberrecht wieder einen Teil dieser Gelder für die Verlage abzweigen, das den eigentlichen Urhebern verloren geht.

Auch und gerade als Urheber hoffe ich daher, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments diese Richtlinie ablehnen. Ich bin seit jeher ein großer Fan der EU und der europäischen Einigung insgesamt; ich könnte mich sogar für Vereinigte Staaten von Europa erwärmen, in die die aktuellen Nationalstaaten aufgehen würden. Die europäische Legislative läuft aber ebenso wie ihre nationalen Pendants Gefahr, von Lobbyisten missbraucht zu werden. Und es ist besonders bitter, wenn man selbst als Kanonenfutter verheizt wird – so wie in diesem Fall, in dem eine Institution wie die VG Wort, die eigentlich meine Interessen als Journalist verteidigen sollte, diese tatsächlich verrät.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Wer glaubt, dass es bei Artikel 13 wirklich um den Schutz des kleinen Kreativen geht, der ist sehr naiv. Das ist gelogen und nur ein vorgeschobenes Argument. Die wissen, dass es technisch nicht umsetzbar ist, weil es nicht wirklich um den Schutz von Urheberrecht geht und somit wissen die genau was sie tun. Es geht darum, mit der Überwachung des Internets durch Mechanismen zu beginnen und den Anfang mit dem Uploadfilter zu setzen.

    Diese Uploadfilter sind deshalb sehr gefährlich, weil die Wahrscheinlichkeit extrem hoch ist, dass Uploadfilter von Industrie und Regierung missbraucht werden (werden sie auch, weshalb sie eingesetzt werden), somit die Grundrechte der Menschen in einem viel größeren Maß verletzt und missachtet, indem man den Informationsfluß im Internet für eigene Interessen kontrolliert und Überwacht.

    Da die Großkonzerne, Politik und Lobbyisten die Machtverschiebung durch den freien Informationsfluß im Internet Richtung Bürger unterbinden wollen. Die öffentlich/rechtlichen sind ja bekanntlich nicht objektiv zu berichten und dienen der Industrie und Politik. Die Desinformationspolitik muss nun auf dem Internet etabliert werden.

    Ein Zitat von Prof. Kruse:“Die hohe Vernetzungsdichte, die Spontanaktivitäten, sowie kreisenden Erregungen (wie bsp. die retweet-funktion bei Twitter) erzeugen Systeme, die sich selbst aufschaukeln und sehr mächtig werden können, welche nicht vorhersagbar sind. Genau diese Machtverschiebung Richtung Bevölkerunge, was einen extrem starken Bürger, Kunden usw. erzeugt, zu unterbinden.“

    Für das oben genannte müssen nun Kontrollmechanismen eingeführt werden, das Internet zu überwachen, um diese Machtverschiebung zu unterbinden. Hört sich deutlich nach einer Meinungsdiktatur an. Aber so wird es ja immer gemacht. Man kommt vordergründig mit einem humanitären Scheinargument, wohinter sich in Wirklichkeit etwas völlig anderes verbirgt. Das wahre Motiv wird wie üblich getarnt.

    Politiker sind unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit ein Interessenvertreter der Industrie und/oder Banken. Der Lobbyismus mit all seinen erkennbaren Folgen ist symptomatisch für das kapitalistische System, dessen Organe ja gerade den Zweck erfüllen, Veränderungen im Sinne des Individuums effektiv abzuwenden und dessen Freiheiten Schritt für Schritt abzubauen.

    Fazit: Der naive Bürger wird hinters Licht geführt und wie beim Frosch im Kochtopf, erhitzt man das Wasser langsam.

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