
Es ist ein Kampf, der mehr ist als die Summe seiner juristischen Teile. Wenn die alten Götter Hollywoods gegen die neuen Titanen des Silicon Valley in den Ring steigen, geht es nicht nur um Lizenzgebühren für Superhelden. Es geht um die Deutungshoheit über den kreativen Akt selbst. Anfang September 2025 reichte Warner Bros. Discovery Klage gegen den KI-Bilddienst Midjourney ein. Der Vorwurf: massive und systematische Urheberrechtsverletzung durch die unerlaubte Reproduktion ikonischer Figuren wie Batman und Superman. Dieser Schlagabtausch könnte die Weichen dafür stellen, was künftig als Werkzeug, was als Inspiration und was als Diebstahl geistigen Eigentums gelten wird.
Das Schlachtfeld des Urheberrechts
Der Kern der Klageschrift ist ebenso simpel wie brisant. Warner Bros. argumentiert, dass Nutzer von Midjourney mit einfachsten Texteingaben wie „Batman, Standbild aus The Dark Knight“ Bilder anfertigen können, die nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich eine direkte Kopie des geschützten Materials darstellen. Dies geschehe ohne jegliche Lizenzierung oder Genehmigung. Doch die Anklage gräbt tiefer. Sie postuliert, dass das gesamte Geschäftsmodell von Midjourney auf dem „massenhaften Diebstahl von Inhalten“ fuße, da die KI mit einem riesigen Korpus urheberrechtlich geschützter Werke trainiert wurde, um ihre Fähigkeiten überhaupt erst zu entwickeln. Die Forderungen sind entsprechend drastisch: bis zu 150.000 US-Dollar Schadenersatz pro einzelner Verletzung und eine einstweilige Verfügung, die Midjourney die weitere Generierung von Bildern untersagt, die auf Warner-Eigentum basieren.

Dieser Fall ist jedoch nur die prominenteste Spitze eines Eisbergs, der schon seit Längerem durch die Gewässer der Kreativwirtschaft treibt. Auch Konzerne wie Disney und Universal haben bereits ähnliche rechtliche Schritte eingeleitet. Es formiert sich eine geschlossene Front der traditionellen Content-Industrie gegen eine Technologie, die droht, die Grundfesten ihrer Wertschöpfungsketten zu erschüttern. Die zentrale Frage, die nun gerichtlich geklärt werden muss, lautet: Ist eine KI, die auf Basis von Millionen von Bildern lernt, ein genialer Schüler, der seinen eigenen Stil entwickelt, oder ein digitaler Plagiator von industriellem Ausmaß?
Die deutsche Perspektive: Ein rechtliches Minenfeld
Für Bildschaffende im deutschsprachigen Raum ist die Situation besonders komplex und von einer spezifischen Rechtsunsicherheit geprägt. Nach deutschem Urheberrecht (§2 UrhG) genießt nur eine „persönliche geistige Schöpfung“ Schutz. Ein rein maschinell erzeugtes Bild ohne maßgeblichen menschlichen Eingriff in den Schaffensprozess gilt daher in der Regel als gemeinfrei. Ein von Midjourney errechneter Batman wäre also für sich genommen zunächst kein urheberrechtlich geschütztes Werk.
Das Dilemma entsteht jedoch im nächsten Schritt: Die Nutzung dieses Bildes kann sehr wohl eine Rechtsverletzung darstellen, nämlich dann, wenn es als unfreie Bearbeitung oder Nachahmung eines bestehenden, geschützten Werkes zu werten ist. Hier bewegen sich Anwender in einer gefährlichen Grauzone. Wo endet die zulässige Inspiration und wo beginnt die unerlaubte Kopie? Die deutsche Rechtsprechung tastet sich nur langsam an dieses neue Feld heran. Ein wegweisendes Urteil des Landgerichts Hamburg im Fall Kneschke gegen LAION vom September 2024 deutete bereits an, dass das Training von KI-Modellen mit geschützten Daten unter bestimmten Umständen problematisch sein kann. Die Auseinandersetzung zwischen Warner und Midjourney wird diese Debatte nun auf internationaler Ebene mit maximaler Wucht befeuern.
Von der Camera Obscura zur Black Box der KI
Diese juristische Unsicherheit spiegelt eine tiefere, kulturhistorische Verunsicherung wider. Jede technologische Revolution im visuellen Bereich hat die Frage nach der Autorschaft und dem Wert des menschlichen Beitrags neu aufgeworfen. Als die Fotografie aufkam, wurde ihr von Malern der künstlerische Wert abgesprochen – sie sei nur eine mechanische Abbildung der Realität. Die Pop-Art eignete sich bewusst die triviale Bildsprache der Werbung und Comics an und erhob sie zur Kunst, was damals heftige Kontroversen über Originalität auslöste. Musiker, die mit Samplern arbeiteten, sahen sich mit ähnlichen Vorwürfen des Ideen-Diebstahls konfrontiert.
Der aktuelle Konflikt um generative KI ist die konsequente Fortsetzung dieser Geschichte im digitalen Zeitalter. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Skalierung und der Abstraktion des Prozesses. Der Künstler interagiert nicht mehr mit einem konkreten Vorbild, das er zitiert oder verfremdet, sondern mit einer „Black Box“, die aus einem unüberschaubaren Datenmeer gelernt hat. Die Frage ist nicht mehr, ob ein Werkzeug legitim ist, sondern wie es die Definition von Kreativität und Schöpfungshöhe fundamental verschiebt.
Die kreative Implosion: Chance oder Ende der Autorschaft?
Der Ausgang des Verfahrens könnte die Landschaft für alle Kreativen nachhaltig verändern. Ein Sieg für Warner Bros. würde vermutlich zu strengen Regulierungen, Filtermechanismen und Lizenzmodellen führen, die die Nutzung von KI-Generatoren erheblich einschränken und verteuern. Ein Sieg für Midjourney hingegen würde die Schleusen weiter öffnen und das Urheberrecht in seiner jetzigen Form ad absurdum führen. Wahrscheinlicher ist ein langwieriger Prozess, an dessen Ende ein Kompromiss steht – möglicherweise in Form von Opt-out-Registern für Rechteinhaber oder neuen Lizenzierungsstrukturen für das Training von KI-Modellen.
Für uns als professionelle Bildbearbeiter, Fotografen und Künstler bedeutet dies vor allem eines: Wir müssen die Funktionsweise dieser Werkzeuge ebenso verstehen wie die rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen wir operieren. Die Vorstellung, alles per Prompt Generierte sei unbedenklich nutzbar, ist möglicherweise naiv. Die Auseinandersetzung zwingt uns, unsere eigene Rolle zu schärfen. Wo liegt unser einzigartiger Beitrag, wenn die reine technische Ausführung zunehmend automatisiert wird? Er liegt in der Konzeption, in der Kuration, im kritischen Blick und in der Fähigkeit, aus den unendlichen Möglichkeiten, die uns die KI bietet, eine kohärente und bedeutungsvolle visuelle Aussage zu formen. Die wahre kreative Leistung wird künftig nicht nur in der Schöpfung des Neuen liegen, sondern auch in der intelligenten und ethisch bewussten Navigation durch das bereits Vorhandene.






Adobe wirbt ja immer mit ihren rechtssicherer KI, also ihr Trainingsmaterial kommt ja von Adobe Stock, was ihr selber gehört. Schlauer Schachzug. Und Google hat ja YouTube als Quelle auch schlauer Schachzug.
Das erinnert mich an die ähnliche Problematik, die mit dem unerlaubten download von Musikstücken begann und nun irgendwie in scheinbar legale Dienste wie Spotify gemündet ist.
Auch für die fossile FIlmindustrie werden auf Dauer NEUE MODELLE gefunden werden müssen, denn die MACht des FAKTISCHEN wird sich auch hier die Bahn brechen. OHNE Kompromisse wird es nicht gehen.