
Die Zeiten lockerer KI-Experimente sind vorbei: Disney und Universal haben mit ihrer Klage gegen Midjourney einen Präzedenzfall geschaffen, der die gesamte Kreativ-KI-Landschaft neu ordnen könnte. Am 11. Juni 2025 war Schluss mit lustig. Disney Enterprises, Marvel Characters, MVL Film Finance, Lucasfilm, Twentieth Century Fox, Universal City Studios Productions und DreamWorks Animation reichten gemeinsam eine Urheberrecht-Klage beim U.S. District Court for the Central District of California ein, die es in sich hat. Das Ziel: Midjourney, Inc. – jener KI-Bildgenerator, der bislang munter Minions, Mickey Mouse und Marvel-Helden ausspuckte, wann immer jemand danach fragte.
Kurzfassung
Der Rechtsstreit zwischen Disney/Universal und Midjourney markiert einen Wendepunkt in der Auseinandersetzung um Urheberrecht und KI-Bildgenerierung. Die Klage könnte sowohl notwendige Rechtssicherheit als auch innovative Beschränkungen für die Kreativbranche bringen.
Was auf den ersten Blick wie ein weiterer Rechtsstreit um Cartoon-Figuren aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen möglicherweise als Grundsatzentscheidung über die Zukunft generativer KI. Die Kläger werfen Midjourney sowohl direkte als auch sekundäre Urheberrechtsverletzung vor und fordern Schadensersatz von bis zu 150.000 Dollar pro verletztem Werk. Mit über 150 gelisteten Werken im Anhang der Klage könnte das mathematisch gesehen über 20 Millionen Dollar bedeuten – eine Summe, die selbst für ein Unternehmen wie Midjourney, das 2024 angeblich 300 Millionen Dollar Umsatz gemacht hat, schmerzhaft wäre.
Technische Realität trifft juristische Offensive
Die Urheberrecht-Klage zielt nicht nur auf die generierten Bilder selbst, sondern auf das Herzstück der KI-Revolution: den Trainingsprozess. Disney und Universal behaupten, Midjourney habe seine Algorithmen mit Millionen urheberrechtlich geschützter Bilder gefüttert, ohne dafür Lizenzen zu erwerben. Dass das Unternehmen durchaus technische Sperren implementieren kann – etwa für Gewalt oder Nacktheit – macht die Sache noch brisanter. Die Kläger argumentieren, Midjourney habe bewusst darauf verzichtet, ähnliche Maßnahmen für urheberrechtlich geschützte Inhalte einzuführen, obwohl sie dazu aufgefordert worden seien.
Besonders pikant: Die Klage enthält visuelle Gegenüberstellungen, die zeigen, wie verblüffend nah KI-generierte Bilder den Original-Charakteren kommen. Midjourney-CEO David Holz konnte zu den laufenden Verfahren naturgemäß wenig sagen, versicherte aber in einem Nutzer-Call: „Ich denke, Midjourney wird noch sehr lange da sein“.
Deutsche Kreativbranche: Aufmerksam, aber noch zurückhaltend
Während in den USA die Anwälte ihre Akten wälzen, beobachtet die deutsche Kreativbranche die Entwicklungen mit wachsamer Aufmerksamkeit. Direkte Stellungnahmen zu diesem konkreten Fall sind rar, doch die grundsätzliche Haltung ist eindeutig: Die Branche fordert seit Monaten klare gesetzliche Regelungen für den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken beim KI-Training. Der Deutsche Journalisten-Verband und andere Berufsorganisationen haben bereits mehrfach den Ausschluss journalistischer und kreativer Inhalte aus unautorisierten KI-Trainingsdatensätzen gefordert. Die Zurückhaltung bei konkreten Kommentaren zum Midjourney-Fall ist verständlich: Deutsche Kreative warten ab, welche Präzedenzwirkung diese erste große Hollywood-Offensive gegen einen KI-Bildgenerator haben wird. Schließlich könnte das Urteil auch Auswirkungen auf die europäische Rechtsprechung haben.
Technische Innovation unter Rechtsdruck
Midjourneys aktuelle Fähigkeiten zur Charaktergenerierung sind beeindruckend. Mit dem Character Reference (–cref) Feature seit Version 6 können Nutzer konsistente Figuren über mehrere Bilder hinweg generieren. Der Character Weight Parameter (–cw) bestimmt dabei, wie strikt sich das System an die Vorlage hält. Kombiniert mit Style Reference (–sref) und der neuen Web-Alpha-Oberfläche bietet das System Kreativen mächtige Werkzeuge.
Doch genau diese technische Raffinesse könnte nun zum Problem werden. Je besser die KI-Systeme werden, desto schwieriger wird es, zwischen „Inspiration“ und „Kopie“ zu unterscheiden – ein Dilemma, das auch menschliche Richter vor Herausforderungen stellt.
Urheberrecht – Chancen und Risiken für die Kreativwirtschaft
Ein Erfolg der Filmstudios könnte durchaus positive Impulse setzen. Erstens würde endlich Rechtssicherheit in einem Bereich geschaffen, der bislang in einer Grauzone operiert. Zweitens könnte sich ein Lizenzmarkt für Trainingsdaten entwickeln, der Urhebern faire Vergütungen ermöglicht. Drittens würde der Druck auf KI-Unternehmen steigen, „urheberrechtssichere“ Tools zu entwickeln.
Die Kehrseite der Medaille: Eine zu restriktive Rechtsprechung könnte Innovationen abwürgen und den Markt zugunsten weniger Großkonzerne konzentrieren, die sich teure Lizenzgebühren leisten können. Kreative würden den Zugang zu genau jenen KI-Tools verlieren, die ihre eigene Arbeit effizienter macht.
Blick nach vorn: Wendepunkt oder Sturm im Wasserglas?
Die Motion Picture Association und die Recording Industry Association of America haben die Klage bereits öffentlich unterstützt. Das Signal ist klar: Hollywood nimmt den Kampf um geistiges Eigentum in der KI-Ära ernst. Ob andere Branchen folgen werden, bleibt abzuwarten.
Für Kreative bedeutet das vor allem eines: Die Zeit der unschuldigen KI-Experimente ist vorbei. Wer professionell mit generativen Tools arbeitet, sollte sich über die rechtlichen Implikationen im Klaren sein. Die Entscheidung in Sachen Disney/Universal gegen Midjourney könnte wegweisend werden – nicht nur für die Beteiligten, sondern für die gesamte KI-getriebene Kreativwirtschaft.
Das ist doch völlig selbstverständlich, dass man keine Disney Figuren erstellt. So wie vorher mit Illustrator, als auch mit KI. Diese Figuren sind so viel Wert, weil sie eben so genial sind.
Bei Mickey Mouse ist es selbstverständlich, für jegliche Applikationen, auch veränderte, eine Lizenz zu bezahlen. Warum sollte das bei diesen komischen Figuren anders sein?
Es ist eben ein Unterschied, ob KI (Künstliche Intelligenz) oder kI (kopierte Ideen).
Die Sache ist schon ein bisschen komplizierter. Zum einen geht es hier ja auch um die Frage, inwieweit schon die Verwendung urheberrechtlichen Materials zum Training eines KI-Modells illegal ist, ganz unabhängig davon, ob das KI-Modell am Ende Plagiate generiert.
Dann geht es darum, ob es illegal ist, ein KI-Modell auf Zuruf Plagiate generieren zu lassen, also indem man im Prompt einen „Minion“ oder eine „Mickey Mouse“ verlangt und dann ziemlich genau diese Figur bekommt. Aber was ist, wenn das Ergebnis nur zum privaten Gebrauch gedacht ist? Was man damit anfängt, kann der Hersteller des KI-Modells ja nicht wissen. Und ich kann auch einen Minion zeichnen, ohne dass ich mich allein damit schon strafbar machte. Vielleicht ist also nicht das KI-Modell illegal, sondern nur ein Anwender, der es für die Anfertigung von Plagiaten nutzt?
Übrigens genießt Mickey Mouse auch keinen hundertprozentigen Urheberrechtsschutz mehr: Seit anderthalb Jahren ist die ursprüngliche Mickey Mouse aus „Steamboat Willie“ gemeinfrei und kann ohne Lizenz zu kommerziellen Zwecken kopiert werden. Man muss nur aufpassen, dass man seiner Maus keine Eigenheiten späterer Mickey-Mouse-Versionen gibt, die immer noch geschützt sind. Und man muss den unabhängig vom Urheberrecht weiter gültigen Trademark-Schutz beachten, darf also nicht den Namen „Mickey Mouse“ verwenden oder mit seinem Maus-Charakter nahelegen, es handele sich um eine Disney-Produktion.
Jedenfalls hatten wir es früher nur mit konkreten Verdachtsfällen eines Plagiats zu tun, also der Frage, ob ein bestimmtes Werk ein geschütztes Werk plagiiert. Jetzt geht es aber um eine Software, die unter bestimmten Bedingungen Werke generieren könnte, die rechtlich als Plagiate anzusehen wären.