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Tücken des Kunstlichts

Wir sind ja von der Sonne verwöhnt – OK, in diesem Sommer vielleicht nicht, aber ich habe das ohnehin anders gemeint: Das Licht der Sonne hat für uns Fotografen ideale Eigenschaften. Kunstlicht dagegen hat seine Tücken, denn manchmal birgt es verborgene Schatten, die erst die Kamera aufdeckt – oder ein Spektroskop.

Das Sonnenlicht mag bisweilen durch Wolken gefiltert sein, aber selbst dann behält es eine wünschenswerte Eigenschaft: Es enthält alle Wellenlängen des sichtbare Spektrums. Dasselbe gilt für die Gasentladungslampen von Blitzgeräten, weshalb diese zur bevorzugten Alternative zum natürlichen Sonnenlicht geworden sind. Aber wie sieht es mit vorhandenem Kunstlicht aus, wenn man die vorgefundene Lichtstimmung nicht durch das Blitzlicht zerstören will?

Auch Glühlampen erzeugen ein kontinuierliches Spektrum, das lediglich zu den niedrigen Farbtemperaturen hin verschoben ist. Blau ist in diesem Licht nur schwach vertreten und wenn die Kamera diesem Ungleichgewicht mit einem angepassten Weißabgleich entgegen wirkt, erzeugt die nötige Verstärkung des Blaukanals zusätzliches Rauschen. Damit kann man als Fotograf noch recht gut leben, aber die Glühlampen haben einen Nachteil, der sie in den Bannstrahl der EU gebracht hat: Die Verschiebung des Spektrums zu den langen Wellenlängen geht so weit, dass Glühlampen mehr Wärmestrahlung als Licht erzeugen und als Lichtquellen daher ausgesprochen ineffizient sind. Heutzutage sind nur noch wenige, vorwiegend leistungsschwache Glühlampen im Handel erhältlich, so dass sich Fotografen mit den Alternativen vertraut machen müssen.

Ein Selbstbau-Spektroskop aus Pappe und ein wenig Plastik
Ein Selbstbau-Spektroskop aus Pappe und ein wenig Plastik
Beim Versuch, das Spektrogramm durch das Okular des Handspektroskops zu fotografieren, stört das Streiflicht
Beim Versuch, das Spektrogramm durch das Okular des Handspektroskops zu fotografieren, stört das Streiflicht
Das Spektrum einer LED-Leuchte
Das Spektrum einer LED-Leuchte
Das Spektrum einer Energiesparlampe
Das Spektrum einer Energiesparlampe

Die wahre Natur des Lichts hatte ich einst im Physikunterricht kennengelernt. Damals arbeiteten wir schon nicht mehr – wie einst Isaac Newton – mit einem Prisma, um das weiße Licht in seine Spektralfarben zu zerlegen, sondern nutzten dazu ein Beugungsgitter. Einmal hatte ich versucht, eines der Beugungsgitter für eigene Versuche zu entwenden, aber der Lehrer hatte leider mitgezählt und gemerkt, dass eines fehlte. Dabei ist es gar nicht nötig, sich auf Diebstahl zu verlegen, denn die Lösung ist heutzutage wohlfeil: Für nur 7,90 Euro bekommen Sie den Bausatz für ein Handspektroskop, das Sie nur noch aus dem Bastelbogen ausschneiden und zusammenkleben müssen. Auf diesem Wege hatte auch ich mir den alten Traum eines eigenen Spektroskops erfüllt, mit dem ich der Natur diverser Lichtquellen nachspüren konnte.

Auch ohne ein solches Messinstrument haben Sie vermutlich schon erlebt, welche Tücken das Kunstlicht bieten kann. Dann nämlich, wenn Sie im Laden ein Kleidungsstück ausgesucht haben, das im Tageslicht eine ganz andere Farbe hatte. Das Leuchtstoffröhrenlicht erzeugt kein vollständiges Spektrum; breite Wellenlängenbereiche fehlen, und wenn ein Farbpigment just solche fehlenden Wellenlängen reflektiert, macht es sich erst außerhalb des Ladens bemerkbar. Die als Ersatz für Glühlampen propagierten Energiesparlampen sind genau solche Leuchtstoffröhren und teilen deren nachteilige Eigenschaften für die Fotografie. Ein Blick durch das Handspektroskop machte es offenbar: Diese Lampen erzeugten vor allem Licht in eng begrenzten Bereichen von Rot und Grün, dazu ein wenig blaues Licht, während der größte Teil des Spektrums schwarz blieb. Ich wollte das natürlich dokumentieren, aber es war gar nicht so einfach, das Spektrogramm zu fotografieren. Das Spektroskop war für das menschliche Auge konstruiert und die Kamera erfasste auch immer noch Streulicht der Lichtquelle selbst. Ich musste mir erst aus schwarzer Pappe eine „Augenmuschel“ für die Kamera bauen, bevor ich die Spektrogramme fotografieren konnte. Die Ergebnisse finden Sie in der neuen DOCMA 72 ab Seite 92, in der ich diese und andere Eigenheiten des Kunstlichts beschreibe. Die Nachteile der Energiesparlampen lassen sich nämlich durch LED-Lampen weitgehend vermeiden, doch erzeugen diese andere Probleme, die zunächst nicht sichtbar sind, durch die Kamera aber offenbart werden – insbesondere dann, wenn Sie für extrem kurze Belichtungszeiten und ein lautloses Auslösen einen elektronischen Verschluss nutzen. Diese Probleme sollten Sie als Fotograf kennen, wenn Sie keine unliebsamen Überraschungen erleben wollen.

Michael J. Hußmann
Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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