KI trifft Alte Meister – Plakataktion der Museumssammlungen von Hessen Kassel Heritage

Ergänzend zur Bildgenerierung von KI mittels Text-Prompts lassen sich Bilder als Referenz hochladen, an denen sie sich orientieren soll. Eine perfekte Methode, um die Komposition eines Bildes beizubehalten, aber seinen Inhalt und Stil zu ändern. Doc Baumann hat auf diesem Weg für eine Plakataktion der Kasseler Museen mit alten Vorbildern realisiert. Drei Meter hoch ist auf den Litfaßsäulen in Kassel ein seltsames Bild zu bewundern. Zwei muskelbepackte, tätowierte Wrestler kämpfen im Ring. Der eine hat den anderen fest umklammert und hebt ihn so empor, dass seine Füße den Kontakt zum Boden verlieren. Für was hier geworben wird, ist zunächst nicht zu erkennen. Nirgendwo ein großer Markenname, kein erkennbarer Hinweis auf eine Wrestling-Veranstaltung. Kunstkennern kommt das großformatige Foto irgendwie seltsam vertraut vor. Sie haben es sicherlich noch nirgendwo gesehen, und für diesen amerikanischen Kampfsport, halb sportliche Prügelei, halb Show, interessieren sie sich ohnehin nicht. Woher kennen sie dieses Bild bloß? Einige hundert Meter weiter dieselbe Verwirrung: Eine rot gekleidete Schaufensterpuppe im Profil vor dunklem Hintergrund. Auffällig der große Hut mit Feder, goldene Armreifen und Halsketten – da war doch irgendwas. Kurz darauf eine weitere Litfaßsäule: Ein stehender Mann mit einem Gartengerät, der einen blauen Overall trägt, neben ihm, gelb gekleidet, kniet eine Frau. Im Hintergrund eine Burg – bei genauerem Hinschauen erkennen Einheimische die Löwenburg im Kasseler Bergpark Wilhelmshöhe. Das Foto des Gärtners haben sie noch nie gesehen, und doch … Dann eine Straßenbahnhaltestelle mit einem großen City-Light-Poster: Ein riesiger weißer Roboter, leicht von unten gesehen, steht in einem Getreidefeld. Gänzlich unbekannt und doch wieder merkwürdig vertraut. Treten Betrachter allerdings näher an diese Plakate heran, so erkennen sie eine kleine eingeblendete Abbildung, und es folgt ein erhellendes Aha-Erlebnis: ein Gemälde aus den Kunstsammlungen der Hessen-Kassel-Heritage-Museen. Die beiden Wrestler kämpfen in derselben Haltung wie Herkules und Antaeus auf den Gemälde von Hans Baldung Grien von 1531 – und, natürlich, die Schaufensterpuppe im Profil erinnert an Rembrandts Porträt seiner Frau Saskia von 1642. Die Plakataktion unter dem Titel „KI trifft Alte Meister – Pixel vs. Pinsel“ soll Lust machen, sich die Originale in den Museen anzuschauen. Wer dahintersteckt, ist darunter ebenfalls zu lesen: „Created by Doc Baumann“. Wie es zu dieser Zusammenarbeit kam, möchte ich Ihnen hier berichten. Wie die KI die Alten Meister traf Das Kasseler Schloss Wilhelmshöhe, mitten im UNESCO-Welterbe-Bergpark gelegen, beherbergt eine der größten Gemäldesammlungen Alter Meister in Deutschland. Im Frühling 2024 schlug ich dem Leiter der Abteilung von HKH, Justus Lange, eine Aktion vor, die das Ziel hatte, mehr Besucher zum Besuch der Museen zu motivieren: Fünf KI-generierte „Gemälde“, unter Glas in alte Rahmen eingefügt, sollten in die Sammlung geschmuggelt werden, ergänzt um Beschilderungen mit gefakten Angaben. Dass es diese KI-Bilder gibt, sollte über die Medien bekannt gemacht werden. Aufgabe der Besucher wäre es gewesen, sie zu identifizieren. Unter den richtig Ratenden wären dann ein paar Gewinnprämien verlost worden. Lange fand die Idee interessant und trug sie dem (damaligen) Direktor der Institution, Martin Eberle vor. So kam es zu ein paar Arbeitstreffen, in deren Verlauf Eberle die Idee weiterentwickelte. Am Ende trafen sich KI und Alte Meister nicht mehr auf vertrautem Museumsterrain, sondern über die Stadt verteilt auf Litfaßsäulen und City-Light-Postern. Gemeinsam suchten wir fünf Gemälde aus, die repräsentativ für die Sammlungen sein sollten, das für die Aktion nötige ausgeprägte Hochformat aufweisen und sich für eine KI-Bearbeitung eignen. Nun hatte ich ein paar Monate Zeit zum Experimentieren mit verschiedenen KI-Modellen. Zunächst ging ich nach einem Konzept vor, das den malerischen Charakter der Originale bewahren, wenn auch modifizieren, aber jeweils um eine zentrale Brechung ergänzen sollte, indem ich – in derselben malerischen Manier ausgeführt – anachronistische aktuelle Elemente hinzufügte: Rembrandts „Saskia“ blickte auf ein Handy, Bantzers „Erntebauer“, nun in einen hellen Overall gekleidet und eine Fernsteuerung in der Hand, stand vor einem großen Traktor, Ehmdes junge „Grafin Bose“ hielt statt einer Taube eine Drohne auf ihrem Schoß. Vorlage für eines der Plakate war das Gemälde von Hans Baldung Grien „Herkules und Antaeus“ von 1531. Die Motive wurden auf vielen Litfaßsäulen sowie auf City-Light-Postern an den Kasseler Haltestellen präsentiert (rechts) Meine Entwürfe kamen bei den Arbeitssitzungen im Museum zwar ganz gut an, erweckten aber nicht gerade jubelnde Begeisterung. Irgendwann nahm ich mir wieder Baldungs Herkules-Kampf vor und versuchte eine Aktualisierung des Motivs, indem ich die beiden mythologischen Gestalten als gemalte Action-Figuren generieren ließ. Und dann kam mir spontan eine ziemlich verrückte Idee, bei der ich zwar sicher war, dass sie von den Museumsleuten als wirklich abwegig zurückgewiesen werden würde, aber ich wollte es trotzdem mal ausprobieren: Die Komposition des Originals beibehalten, die Umsetzung aber nicht als etwas, das wie ein Gemälde aussieht, sondern wie ein aktuelles Foto. Das hätte zwar auch eine Auseinandersetzung zwischen zwei Bandenmitgliedern sein können, aber die wären kaum nackt. Wrestler sind das auch nicht (und erfahrungsgemäß hätte die KI eine solche Darstellung ohnehin mal wieder verweigert), aber sie kamen der Anforderung schon nahe; Stars wie Hulk Hogan oder der Undertaker. Acht Beispiele von vielen hundert, die mit verschiedenen KI-Modellen generiert und im Verlauf der Entwicklung zwischen ihnen ausgetauscht und weiterentwickelt wurden. Die untere Reihe zeigt, dass ich mich zunächst am Stil klassischer Gemälde orientiert hatte. Wie immer bei solchen Projekten probierte ich zunächst verschiedene KI-Modelle aus; hier generierte wieder Ideogram die besten Ergebnisse. Bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war, brauchte es dann noch etliche hundert Durch- gänge, am Ende gefolgt von der ausgiebigen Nachbearbeitung in Photoshop, bei der ich viele Details veränderte oder auch die Körperfarbe des linken Kämpfers der von Baldungs Antaeus anglich. Zu meiner großen Verwunderung war es nun ausgerechnet dieses Bild, das im Museum Begeisterung auslöste – genau so sollten auch die anderen aussehen! Die Plakataktion hatte nicht nur die Aufgabe, mehr Menschen zum Besuch der Museen und Betrachtung der Originale zu motivieren, sondern auch den Blick dafür zu schärfen, was ein Original ausmacht – und, aktuell noch relevanter, woran man KI-Erzeugtes vielleicht (noch) erkennen kann. Denn welche Konsequenzen hat es, wenn nur noch Experten feststellen können (jedenfalls bei Betrachtung von Reproduktionen), was echt und alt ist und was sich der KI verdankt? Carl Bantzer (1857 – 1941), Der Erntebauer II, 1936 Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606 – 1669), Saskia van Uylenburgh, 1642 Jacob Cornelisz. van Oostsanen (um 1472 – 1533), Christus als Gärtner, 1507 August von der Embde (1780 – 1862), Porträt der Gräfin Louise Bose als Kind, 1820

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