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macOS 26 Tahoe: Viel Glas und wenig KI

Mit macOS 26 Tahoe hat Apple auf der WWDC 2025 ein Betriebssystem-Update vorgestellt, das vor allem durch sein neues Designkonzept „Liquid Glass“ für Aufsehen sorgt. Doch während die Oberfläche in neuem Glanz erstrahlt, fragen sich viele kreative Anwender, wo die substanziellen Neuerungen bleiben, die ihre bisweilen anspruchsvollen Workflows wirklich voranbringen. Apples Präsentation hinterlässt den Eindruck einer verpassten Chance, insbesondere im rasant wachsenden Feld der künstlichen Intelligenz.

„Liquid Glass“: Mehr Schein als Sein?

Sieht wirklich schick aus, aber ob sich macOS 26 Tahoes Glass-Look in Sachen Lesbarkeit im Alltag bewährt?

Zweifellos bringt „Liquid Glass“ eine optische Auffrischung. Transluzente Elemente in Dock, Seitenleisten und Werkzeugleisten, eine vollständig transparente Menüleiste und anpassbare Icons verleihen macOS ein wirklich moderneres Antlitz. Diese ästhetischen Anpassungen sind gefällig, adressieren aber kaum die Kernbedürfnisse von Profis, die auf maximale Performance und tiefgreifende funktionale Verbesserungen angewiesen sind. Die Frage drängt sich auf, ob die Konzentration auf die äußere Erscheinung nicht von einer gewissen Stagnation bei den inneren Werten ablenken soll.

Die angekündigten funktionalen Erweiterungen, wie die Integration der Phone-App auf dem Mac, die Live- Übersetzung von Telefonaten oder die Darstellung von Live Activities aus iOS in der Menüleiste, sind willkommene Komfortfunktionen. Auch das Update für Spotlight, das nun direktere Aktionen und einen systemweiten Zwischenablage-Manager bietet, ist praktisch. Dennoch handelt es sich hierbei eher um eine Evolution bestehender Konzepte und das Nachziehen von Funktionen, die in Drittanbieter-Tools oft schon länger etabliert sind, als um revolutionäre Durchbrüche.

Apple Intelligence: Die große KI-Lücke für Kreativprofis

Ein zentraler Punkt der Kritik an macOS 26 Tahoe und seinen Kollegen betrifft Apples Umgang mit „Apple Intelligence“. Die vorgestellten KI-Funktionen, wie Live-Übersetzungen, erweiterte Genmojis oder das Image Playground, mögen für einen Teil der Alltagsnutzer interessant sein. Für professionelle Anwender, die auf leistungsstarke, KI-gestützte Werkzeuge für komplexe Bearbeitungen, intelligente Automatisierungen oder generative Verfahren angewiesen sind, wirkt das Gebotene jedoch ernüchternd dünn.

Hier zeigt sich eine bedenkliche Diskrepanz: Während der Markt für KI-Anwendungen boomt und Softwarehersteller wie Adobe ihre Produkte kontinuierlich mit anspruchsvollen KI-Algorithmen aufrüsten, die von intelligenter Objekterkennung bis zu (wenn auch noch stark verbesserungsbedürftigen) generativen Füllmethoden reichen, beschränkt sich Apple scheinbar auf eher oberflächliche KI-Integrationen. Es fehlt an Werkzeugen, die tief in Kreativ-Workflows eingreifen und dort echten Mehrwert schaffen könnten – etwa durch fortschrittliche KI-Retusche, intelligente Bildanalyse zur Verschlagwortung großer Archive oder eine KI-gestützte Optimierung von RAW-Daten.

Verschärft wird diese Situation durch Apples Hardware-Strategie. Seit dem Abschied von Intel-Prozessoren und der damit einhergehenden Abkehr von der Unterstützung für NVIDIA-Grafikkarten ist es für Mac-Anwender, insbesondere im High-End-Bereich, nicht mehr ohne Weiteres möglich, die enorme Rechenleistung dieser GPUs für die Beschleunigung generativer KI-Modelle zu nutzen. Fast alle der leistungsfähigsten KI-Frameworks und -Anwendungen sind stark auf NVIDIAs CUDA-Architektur optimiert. Apples eigene Silicon-Chips sind zwar in bestimmter Hinsicht beeindruckend leistungsfähig, doch für spezifische, extrem rechenintensive KI-Aufgaben, wie das Training oder die Ausführung großer generativer Modelle, stellt das Fehlen der NVIDIA-Option für Profis eine spürbare Einschränkung dar. Die Hoffnung, dass Apple hier mit macOS Tahoe und Apple Intelligence eine überzeugende hauseigene Alternative präsentieren würde, die diese Lücke schließt, hat sich bislang nicht erfüllt.

Versionssprünge und strategische Ausrichtung

Die Umstellung des Versionsschemas von macOS 15 auf macOS 26, angelehnt an das Jahr 2026, wirkt in diesem Kontext eher wie ein Marketing-Manöver, um einen größeren Entwicklungssprung zu suggerieren, als die präsentierten Inhalte tatsächlich hergeben. Immerhin werden nun alle Apple Betreibsystem-Varianten nach der Nomenklatur gezählt. Auch die Einführung einer neuen Games-App wirft Fragen zur strategischen Ausrichtung auf. Während die Stärkung des Mac als Gaming-Plattform ein legitimes Ziel sein kann, wünschen sich viele Kreative eine stärkere Fokussierung auf die Bedürfnisse derjenigen Anwender, die den Mac seit jeher als primäres Werkzeug für anspruchsvolle professionelle Anwendungen sehen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass macOS 26 Tahoe zwar eine optisch sehr ansprechende Weiterentwicklung darstellt, aber gerade im für Kreativprofis so wichtigen Bereich der künstlichen Intelligenz weit hinter den Hoffnungen zurückbleibt. Die vorgestellten KI-Funktionen sind zu oberflächlich, und die Hardware-Restriktionen im Bereich der GPU-Beschleunigung für generative KI tun ihr Übriges. Es bleibt zu hoffen, dass Apple die Bedürfnisse seiner professionellen Anwenderschaft wieder stärker in den Fokus rückt und zukünftige Updates substanziellere Innovationen bringen, die über reine Kosmetik hinausgehen.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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