
Die Zahlen einer neuen Studie lügen vermutlich nicht: Für Texter sinkt das Auftragsvolumen um 30 Prozent, für Bildbearbeiter um 17 Prozent – während KI-Dirigenten und Entwickler boomen. Was vor zwei Jahren als faszinierende Technologie begann, ist heute eine handfeste Bedrohung für viele kreative Freiberufler geworden. Der Werkzeugkasten wurde zur Konkurrenz. Die Frage ist nicht mehr, ob KI unsere Arbeit verändert, sondern wer auf welcher Seite des Wendepunkts landet – und wie man die Weichen stellt, um nicht zum Dinosaurier zu werden.
Wer automatisiert wird, schrumpft – wer dirigiert, wächst
Die nackten Zahlen lassen wenig Interpretationsspielraum. Innerhalb von nur acht Monaten nach der Veröffentlichung von ChatGPT sank die Nachfrage nach „automatisierungsnahen“ Freelancer‐Jobs um 21 Prozent; bei reinen Schreibaufträgen betrug das Minus gar 30 Prozent. Parallel dazu fiel der durchschnittliche Verdienst erfahrener Texter um fünf Prozent, obwohl sie zuvor als unantastbare Top‐Performer galten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei klassischen Grafikaufträgen: Seit Midjourney und Stable Diffusion Bilder in Publikationsqualität ausspucken, ist das Auftragsvolumen um bis zu 17 Prozent geschrumpft, die Stundensätze sind im gleichen Atemzug um fast zehn Prozent gesunken.
Ganz anders die Lage in Disziplinen, in denen KI als Verstärker statt als Ersatz wirkt. 83 Prozent aller Kreativprofis weltweit setzen laut Branchenumfrage bereits generative Modelle ein, um Workflows zu beschleunigen; 62 Prozent berichten von einer Zeitersparnis von rund 20 Prozent pro Projekt. Web-Entwickler oder Projektarchitekten, die KI zum Debugging, Prototyping oder zur Asset‐Organisation einsetzen, melden sogar steigende Umsätze, weil sie umfangreichere Pakete in kürzerer Frist liefern können. Für sie fungiert die Maschine als Dudelsack im Orchester: laut, aber kontrollierbar.
Produktivität ist kein Schutzschild mehr
Das klassische Gegenargument – höhere Effizienz gleiche sinkende Preise aus – greift nur bedingt. Denn je stärker ein Job automatisierbar ist, desto schneller konvergiert sein Marktwert gegen Null. Upwork verzeichnete 2024 einen Rückgang der App-Downloads um 22 Prozent auf der Freelancer‐Seite, während die Kunden‐App im gleichen Zeitraum um 20 Prozent zulegte. Das bedeutet: Mehr Auftraggeber, weniger Anbieter? Mitnichten. Tatsächlich suchen Auftraggeber heute präziser: Sie wollen keine „Bildbearbeitung“, sondern „einen KI-Workflow, der aus einem RAW-Stack in drei Stunden einen markenkonformen Visual-Look generiert“. Wer nur Tiefen und Lichter anpasst, verliert gegen ein neuronales Netz; wer aber den gesamten Prozess kuratiert, bleibt gefragt.
Die Disruption trifft ironischerweise gerade die Könner am härtesten. Der kurzfristige Vorteil aus Produktivitätsgewinnen wird durch eine langfristige Erosion des Preises aufgehoben – es sei denn, man zieht die Wertschöpfungskette nach oben.
Vom Pixelschubser zum Prompt-Kurator
Die Konsequenz lautet nicht Rückzug, sondern Rollenwechsel. Der reine Retuscheur wandelt sich zum Kurator hybrider Bildprozesse, der Texter zum Story‐Designer, der Code‐Frickler zum Architekt multimodaler Pipelines. Genau hier entstehen die Aufträge, die sich der Algorithmus nicht selbst zuschanzen kann: konzeptionelle Arbeit, ethische Bewertung, Branchenwissen. 69 Prozent der befragten Kreativen sehen in generativer KI die Chance, völlig neue Ausdrucksformen zu erkunden. Und 20 Prozent geben bereits an, dass Kunden ausdrücklich den Einsatz von KI verlangen, um Qualität und Geschwindigkeit zu garantieren.
Dieses Spannungsfeld zwingt zur strategischen Positionierung. Wer den Algorithmus blindlings nachahmt, konkurriert mit einer Gratissoftware. Wer ihn jedoch dirigiert, verkauft eine unverwechselbare Handschrift – auch wenn der technische Unterbau ähnlich ist. Das erinnert an das Verhältnis zwischen Studiomusiker und Synthesizer in den Achtzigern: Erst als Produzenten den elektronischen Klang bewusst als Stilmittel einsetzten, entstanden neue Genres statt bloßer Imitation.
Ausblick: Das Geschäft mit der Lücke
Für versierte Bildbearbeiter eröffnet sich somit ein doppelter Markt. Zum einen winken komplexe Aufträge, bei denen KI nur ein Werkzeug unter vielen ist: Stiltransfers, Custom‐Model‐Training, datengetriebene Lookentwicklung. Zum anderen wächst die Nachfrage nach „KI-Aufräumarbeiten“ – der qualitativen Endkontrolle automatisiert erzeugter Assets, bei der menschliches Auge und gestalterische Erfahrung unverzichtbar bleiben. Die Plattformen reagieren bereits: Fiverr bewirbt eine eigene Kategorie „AI Audits“, Upwork listet „Model Fine-Tuning“ als gefragten Skill. Für Profis, die Bildsprache, Color Grading und Semiotik beherrschen, ist das eine Einladung, ihren Werkzeugkasten zu erweitern, statt ihn gegen die Wand zu werfen.
Wer sich auf reine Routine verlässt, wird von der Welle erfasst. Wer aber lernt, die Welle zu reiten, setzt künftig den Kurs. Der Wendepunkt ist real – doch er markiert nicht das Ende der Reise, sondern den Beginn einer steileren Etappe.






Ooops, that escalated quickly. Am Ende meines beruflichen Lebens stehend darf ich sagen: ich freue mich auf meine Buntstifte und Aquarellfarben, auf Kohle und auf vielleicht noch andere analoge Techniken.
Word & Co. unter MS DOS waren noch fast „Expertensysteme“, ihre noch holprige Bedienungsweise führte dazu, dass nur die schrieben, die digital auch was zu sagen hatten.
Mit Einführung von WinWord & Co. wurden die Texte „schöner“, „bunter“ und vor allen Dingen: mit den Jahren auch unerträglich viel länger. Getreu dem Motto „getret’ner Quark wird breit, nicht stark“ wurde auch und gerade in Fachartikeln so manches Furnier zur seitenlangen Qual; ein Brett wurde nimmer draus. Was in den 80er Jahren auf 3 Seiten einer Fachzeitschrift passte, benötigt heute locker das vierfache.
Was grusel‘ ich mich vor dem in diesem Artikel beschriebenen Szenario (das ich gut nachvollziehen kann). Es naht eine stilistische Beliebigkeit sowohl im Bild, als auch im Text. Stromlinienförmig regrediert alles zur Mitte. Viel sagen, noch viel mehr als durch die Textverarbeitung – aber nichts aussagen. Wie das Essen einer Mensa, das Tausende sättigen soll, aber doch niemendem so richtig schmeckt.
Und diese Beliebigkeit räumt -schon jetzt- den Platz für Extreme. Demokratien werden von den politischen Rändern her deshalb bedroht, weil eine starke, aber doofe, Meinung an den Stammtischen (sofern es noch welche gibt) allemal eher zündet, als eine Mitte, die so rundgelutscht ist, dass man in ihr kein Profil mehr erkennt.
„Schön“ wird diese neue Welt nicht.