Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und verspricht Arbeitsabläufe zu revolutionieren und neue kreative Horizonte zu eröffnen. Doch während die technologischen Möglichkeiten rasant fortschreiten, tritt ein oft übersehener Aspekt in den Vordergrund: die soziale Wahrnehmung des Einsatzes von KI-Tools. Eine aktuelle Studie mit über 4.400 Teilnehmern legt nun nahe, dass der Griff zu KI-Werkzeugen im professionellen Umfeld unerwartete Schattenseiten haben kann und ihre Anwender vor ein Dilemma stellt.
Die unsichtbare Hürde: Soziale Fallstricke der KI-Adoption
Die Untersuchung, die vier separate Experimente umfasste, zeichnet ein ernüchterndes Bild davon, wie die Nutzung von KI-Software durch Dritte bewertet wird. Im Kern steht die Erkenntnis, dass Personen, die KI-Werkzeuge einsetzen, von Beobachtern tendenziell als weniger kompetent, weniger motiviert und sogar als fauler wahrgenommen werden. Diese negative Zuschreibung ist nicht nur eine vage Befürchtung, sondern manifestiert sich in konkreten sozialen „Strafen“. So zeigte die Studie beispielsweise, dass Evaluatoren Personen, die KI zur Aufgabenbewältigung nutzten, schlechter bewerteten als jene, die Unterstützung aus anderen, nicht-KI-Quellen erhielten.
Besonders brisant: Manager, die selbst keine KI-Werkzeuge verwenden, zeigten eine geringere Bereitschaft, Bewerber einzustellen, die offen zu ihrem KI-Einsatz standen. Es scheint, als würde die Effizienzsteigerung durch KI paradoxerweise nicht als Zeichen von Fortschrittlichkeit oder Cleverness gewertet, sondern als Mangel an ureigener Fähigkeit oder Anstrengung. Die Studie spricht von einem regelrechten Paradoxon: KI-Tools können die Leistung objektiv verbessern, gleichzeitig aber dem professionellen Ansehen schaden. Diese Dynamik könnte eine signifikante, bisher unterschätzte Barriere für die breite Akzeptanz und Implementierung von KI im kreativen Sektor darstellen.
Das Dilemma der Kreativprofis: Produktivität versus Professionelles Ansehen
Für Kreativschaffende, deren Reputation und wahrgenommene Expertise oft das wichtigste Kapital sind, ergeben sich daraus komplexe Abwägungen. Der Einsatz von KI-Tools in der Bildoptimierung, bei Retuschen oder gar bei der Motivfindung kann den Workflow beschleunigen und möglicherweise zu Ergebnissen führen, die manuell nur mit großem Zeitaufwand zu erreichen wären. Doch wenn dieser Effizienzgewinn mit dem Risiko einhergeht, als weniger fähig oder engagiert abgestempelt zu werden, entsteht ein echter Zielkonflikt.
Diese Problematik berührt auch tiefgreifende Fragen der Autorschaft und Originalität, die in der Kreativbranche ohnehin intensiv diskutiert werden . Die Studie legt nahe, dass die Bewertungsprozesse sensibel darauf reagieren, ob Hilfe in Anspruch genommen wurde und – entscheidend – woher diese Hilfe stammt. Die digitale „Hand Gottes“ in Form einer KI scheint weniger verzeihlich als die Unterstützung durch einen menschlichen Kollegen oder ein konventionelles Software-Plugin. Dies könnte dazu führen, dass Kreative zögern, ihren KI-Einsatz offenzulegen, oder ihn gar verschleiern, um negativen Beurteilungen vorzubeugen.
Lichtblicke und Lösungsansätze: Wann KI-Einsatz (doch) Akzeptanz findet
Die Forschungsergebnisse deuten jedoch auch auf mildernde Umstände hin. Die soziale Abwertung fällt geringer aus, wenn der Beurteiler selbst Erfahrung mit KI-Werkzeugen hat und deren Nutzen einschätzen kann. Ebenso spielt die Art der Aufgabe eine Rolle: Ist der KI-Einsatz für eine spezifische Tätigkeit klar als sinnvoll und angemessen erkennbar, reduzieren sich die negativen Assoziationen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Transparenz und eine kluge Kommunikation über den KI-Einsatz entscheidend sein können. Anstatt KI als Ersatz für menschliche Fähigkeiten darzustellen, könnte der Fokus auf die KI als kognitiver Partner oder als Werkzeug zur Exploration neuer kreativer Wege gelegt werden. Es geht darum, die menschliche Intention und die kuratorische Leistung im Umgang mit den KI-generierten Vorschlägen oder Bearbeitungen zu betonen.
Die Studie gibt zudem Anlass zur Hoffnung, dass sich das Stigma mit zunehmender Verbreitung und alltäglicher Nutzung von KI-Technologien abschwächen könnte. Je mehr Menschen direkte Erfahrungen mit den Möglichkeiten und auch den Grenzen von KI sammeln, desto differenzierter dürfte die Bewertung ihres Einsatzes ausfallen.
Bis dahin stehen Kreativprofis jedoch vor der Herausforderung, die Vorteile der KI zu nutzen, ohne dabei ihre hart erarbeitete Reputation aufs Spiel zu setzen. Es gilt, eine Balance zu finden zwischen technologischer Avantgarde und der Wahrung des eigenen professionellen Images. Die Fähigkeit, den Einsatz von KI nicht nur technisch zu beherrschen, sondern auch strategisch zu kontextualisieren und zu kommunizieren, wird somit zu einer wichtigen Metakompetenz.
Bemerkenswert an der Studie ist ja auch, dass die Bewertung nicht von der Qualität der Ergebnisse abhängt, sondern von der Information darüber, ob KI eingesetzt wurde. Der Effekt ist ähnlich wie bei anderen Gestaltungswerkzeugen, etwa der Nutzung der Fotografie im 19. Jh. oder des Airbrushs. Auch das lässt erwarten, dass das mit der negativen Bewertung wahrscheinlich eine vorübergehende Reaktion ist. Allerdings gibt es wohl einen Zusammenhang zwischen der KI-unabhängigen Kompetenz der KI-Anwender und den Ergebnissen. Wer sich allein auf sie verlässt ohne eigene Vorkenntnisse, ist nicht in der Lage, die tatsächliche Qualität zu beurteilen. Das ist ähnlich wie bei Sprachmodellen, die immer noch viel Unsinn generieren und halluzinierte Angaben sogar mit erfundenen Quellen belegen. Um sich mit der Weitergabe dieser Aussagen nicht zu blamieren, muss man also mindstens so viel selbst darüber wissen, dass man angemessen zweifelt und nachhakt. Und so sollte es bei der Produktion von Bildern auch sein.
Mir scheint, dass die Studie auf einen Nebenaspekt fokussiert und das eigentliche Problem aus den Augen verloren hat.
Ich erinnere mich noch an den Arbeitskampf der Schriftsetzer Ende der 70er Jahre, die damals vergeblich versucht hatten, ihre Arbeitsplätze zu retten. Dabei ging es nicht darum, dass man ihre Fähigkeiten geringer geschätzt hätte, wenn sie keine Linotype mehr bedienten, um Zeile für Zeile in Blei zu gießen, sondern Texte in den Computer tippten. Vielmehr hatte man sie gar nicht erst an den Computer gelassen, sondern ihnen gekündigt; die vergleichsweise triviale Aufgabe, Artikel einzutippen, wurde den Redakteuren übertragen, und so konnten die Kosten für den Satz fast vollständig eliminiert werden.
Und so läuft es eigentlich immer. Wenn irgendeine Aufgabe, die ursprünglich eine hohe Fachkompetenz erforderte, durch Computerunterstützung stark vereinfacht wird, überträgt man sie entweder geringer qualifizierten und daher billigeren Beschäftigten, oder man lässt sie von anderen Mitarbeitern nebenbei mit erledigen.
Der Grafiker, Illustrator oder Fotograf muss daher nicht befürchten, dass man seine Leistung geringer schätzt, wenn er KI einsetzt; vielmehr gibt man ihm einfach keine Aufträge mehr, denn das Prompting kann auch jemand anderes nebenher erledigen. Für den Kreativen ist es egal, ob man ihn nicht mehr beauftragt, weil andere mit KI billiger arbeiten und er mit seiner menschlichen Kreativität zu langsam, zu teuer und nicht mehr konkurrenzfähig ist, oder ob seine Aufträge immer weniger einbringen, weil seine KI-unterstützte Arbeit geringer honoriert wird, und die Lebenshaltungskosten gleichzeitig steigen. So oder so ist er mittelfristig raus und wird sich eine neue Beschäftigung suchen müssen.