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Was bringen lichtstarke Objektive?

Eine hohe Lichtstärke lässt nicht nur mehr Licht auf den Sensor und ermöglicht daher das Fotografieren oder Filmen bei geringer Umgebungshelligkeit ohne Blitzlichteinsatz, sie liefert auch die Voraussetzung für zahlreiche Effekte bei der Bildgestaltung.

Foto: Blende, Hundefotografie, Christine Stro?hlein
Standen in den letzten Jahren in der Objektivtechnik große Zoombereiche mit möglichst kurzen Anfangsbrennweiten sowie kompakte Bauweisen im Fokus, so liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt heute bei der Entwicklung hoch lichtstarker Zooms und Festbrennweiten. Bei den Zooms geht der Trend zu durchgehend hohen Lichtstärken über den gesamten Brennweitenbereich. Bei Festbrennweiten sind hohe Lichtstärken vor allem bei Weitwinkelobjektiven und mittleren Telebrennweiten, gefragt.
Warum? Eine höhere Lichtstärke lässt nicht nur mehr Licht auf den Sensor und ermöglicht daher das Fotografieren oder Filmen bei geringer Umgebungshelligkeit ohne Blitzlichteinsatz, sie liefert auch die Voraussetzung für zahlreiche Effekte bei der Bildgestaltung. Einer der wesentlichen Vorteile lichtstarker Objektive ist ihre Eignung für die „Available Light“-Fotografie, das Fotografieren mit vorhandenem Licht ohne Einsatz zusätzlicher Lichtquellen. Zudem kann der Fotograf für hochwertige Abbildungen ohne oder mit geringerem Bildrauschen niedrigere ISO-Empfindlichkeiten bei optimaler Verschlusszeit verwenden.
Wird mit großen Blendenöffnungen fotografiert, reduziert sich die Ausdehnung der Schärfentiefe. Das kann der Fotograf nutzen, um beispielsweise nur sein Hauptmotiv scharf abzubilden und das Umfeld in einer sanften Unschärfe verschwinden zu lassen. Dieser als angenehm empfundene Unschärfeverlauf wird mit dem aus der japanischen Sprache stammenden Begriff Bokeh bezeichnet.
Selektive Schärfe wird häufig in der Porträtfotografie oder auch bei Nahaufnahmen verwendet, um beispielsweise Gesichter oder Objekte von ihrem Umfeld zu trennen. Der Unschärfeverlauf bei hoher Blendenöffnung wirkt umso gleichmäßiger, je exakter die von den Blendenlamellen geformte Öffnung der Kreisform entspricht. Ein Hinweis auf die Qualität gibt hier auch die Anzahl der Lamellen. Je mehr Lamellen, desto kreisähnlicher die Blendenöffnung.
Große Blenden ermöglichen weiterhin die Verwendung kürzerer Verschlusszeiten, etwa um Schärfeverluste durch Verwackeln oder Bewegung zu vermeiden. Auch in Zeiten der Bildstabilisation sind Unschärfe durch Verwackeln oder eine zu schnelle Bewegung des Motivs die Hauptgründe für unscharfe Bilder. Ein weiterer Vorzug weit öffnender Blenden ist eine Erhöhung der Blitzreichweiten. Es kann also ein kleinerer, weniger leistungsstarker Blitz verwendet werden.
Die hohe Lichtstärke eines Objektivs kann also entscheidend die Einsatzmöglichkeiten und die kreativen Gestaltungseffekte erweitern. Als Lichtstärke wird bei Objektiven die maximale Öffnung von Objektiven als Verhältnis zur Brennweite angegeben. Als hohe Lichtstärken gelten Werte von 1:0,9 bis 1:2,8. Je größer die Blendenzahl, je kleiner die Blendenöffnung. Blende 22 kennzeichnet also eine kleine Blendenöffnung, Blende 1,4 bezeichnet eine sehr große.
Meist bieten Objektive mit normalen Brennweiten zwischen 35 und 80 mm die höchsten Lichtstärken. Sie bewegen sich allgemein zwischen 1:1,2 und 1:2, während Teleobjektive im Bereich bis zu 200 mm Lichtstärken zwischen 1:1,8 und 1:,2,8 liefern. Supertele-Objektive mit Brennweiten ab 500 mm gelten schon ab einer Lichtstärke von 1:4 bis 1:5,6 als besonders lichtstark.
Die technische Qualität digitaler Fotos hängt von vielen Faktoren ab. Die drei wichtigsten dabei sind Objektiv, Sensor und Prozessor. Die Schwächen jeder einzelnen dieser Komponenten können die Leistung aller anderen relativieren. Umgekehrt, lassen sich durch ihre Stärken manche Schwächen kompensieren. Nur, wenn alle drei Komponenten Höchstleistungen liefern, ist eine optimale Bildqualität möglich. Die Bildqualität ist stets das Ergebnis einer langen Verarbeitungskette. Einige Schwächen bestimmter Komponenten lassen sich zwar durch die Stärken der anderen weitgehend minimieren. Ein optimales Ergebnis setzt aber immer ein Optimum der Leistung aller Komponenten voraus.
So kann beispielsweise ein leistungsstarker Prozessor die Empfindlichkeit und das Rauschverhalten verbessern oder auch Abbildungsfehler, wie Verzeichnung, Vignettierung oder Aberrationen, bis zu einem gewissen Grad ausgleichen – am Ende bleibt dies aber ein Kompromiss. Denn je besser das Ausgangsmaterial, umso effektiver können auch solche Optimierungsprozesse greifen.
Höhere Sensorempfindlichkeiten können zwar teilweise Nachteile einer geringen Lichtstärke beim Fotografieren mit wenig Licht ausgleichen, allerdings nur mit einem Kompromiss beim Bildrauschen und einem Verzicht auf die Gestaltungsmöglichkeiten mit selektiver Schärfe.
Quelle: prophoto-online
Mehr zu diesem Thema lesen Sie auch in DOCMA 47 auf S. 14/15.

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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