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Die Go-Spieler und der Hafen

Die Entscheidung des Bundeskabinetts, eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem Hamburger Containerterminal zu genehmigen, erlaubt Xi Jinping einen weiteren Zug in einem globalen Spiel. Teile der deutschen Politik scheinen dessen Regeln nicht durchschaut zu haben.

Die Go-Spieler und der Hafen
Die Repräsentanz von Cosco Shipping in der Hamburger HafenCity.

Bundeskanzler Scholz hat sich durchgesetzt: Die chinesische Reederei Cosco Shipping, deren Containerfrachter regelmäßig den Hamburger Hafen anlaufen, darf eine Beteiligung am Terminal Tollerort erwerben. Coscos Anteil soll nun zwar nur 24,9 statt, wie eigentlich gewünscht, 35 Prozent ausmachen, aber das chinesische Staatsunternehmen hat damit seinen Fuß in der Tür. So wie bisher schon in vielen anderen europäischen Häfen von Rotterdam über Valencia bis Piräus. Und nun also auch Tollerort. In den 90er Jahren hatte ich ein Büro auf der gegenüberliegenden Elbseite und blickte immer auf die markanten Containerbrücken von Hamburgs kleinstem Terminal; vielleicht fühle ich mich deshalb besonders damit verbunden. Wobei dieser Ort eigentlich gar nicht so toll ist; er heißt so, weil dort einst Zoll erhoben wurde – im Englischen heißt es ja noch immer „madness takes its toll“, was man in diesem Fall auch von der Politik Olaf Scholz’ sagen könnte.

Es mag übrigens sein, dass dieser Deal zwischen Cosco und der Hamburger HHLA eine Retourkutsche ist: Vor zwei Jahren hatte die HHLA Chinas Pläne vereitelt, Teile des Hafens von Triest zu erwerben. Stattdessen ist seitdem Hamburg zu 50,1 Prozent am Adriahafen beteiligt.

Während wir uns gerade mit großen Mühen aus der Abhängigkeit von russischem Gas (und Öl, Kernbrennstoff für Atomkraftwerke und vielen anderen Rohstoffen) zu befreien versuchen, erhöhen wir also noch unsere ohnehin starke Abhängigkeit vom diktatorisch regierten China. Zwar gibt es eine beiderseitige Abhängigkeit, nur strebt die chinesische Staatsführung danach, ihre Abhängigkeit zu reduzieren, die Abhängigkeit anderer Staaten von China aber auszubauen. Cosco Shipping ist ohnehin ein wichtiger Kunde des Hamburger Hafens, und generell wäre die deutsche Wirtschaft ohne Importe aus China ebensowenig überlebensfähig wie ohne die Exporte dorthin. Und natürlich wurden bereits alle neueren Containerbrücken des Hamburger Hafens in China gefertigt.

Experten für die chinesische Politik haben Xi Jinpings Strategie mit denen beim Brettspiel Go verglichen – ein Spiel, das noch deutlich komplexer als Schach ist. Die schwarzen und weißen Go-Steine werden nicht wie Schachfiguren hin und her geschoben; vielmehr versuchen die Spieler mit ihren Steinen auf dem 19 mal 19 Felder großen Brett Gebiete zu sichern oder zu erobern. Insbesondere in der ersten Phase des Spiel platzieren gute Spieler ihre Steine mal hier und mal dort in scheinbar wahllosen Mustern, ohne dass der Gegner die Gefahr erkennt, die seinen eigenen Steinen droht – bis es zu spät ist. Ganz ähnlich versucht auch der chinesische Staat, direkt oder über von ihm kontrollierte Unternehmen überall auf der Welt in Infrastruktur zu investieren und sich die lokale Politik ebenso wie die Wirtschaft abhängig und damit gefügig zu machen. Was das bedeutet, wird in voller Konsequenz erst in einer Krise offenbar – etwa wenn Xi Jinping seine Drohung wahr macht und Taiwan angreift, den weltweit wichtigsten Standort der Halbleiterindustrie. Unsere Zugmöglichkeiten würden dann nur noch minimal sein.

Wie ahnungslos Teile der deutschen Politik agieren, machte der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gestern bei Lanz deutlich: Auch er sei für eine Verringerung unserer Abhängigkeit von China, aber da China bereits an mit Hamburg konkurrierenden europäischen Häfen beteiligt ist, müsste das ein europäisches Projekt sein (Politikersprech für „Das wird in absehbarer Zeit nicht passieren“) und wir sollten uns erst einmal in eine größere Abhängigkeit begeben. Ein Go-Meister ist nicht an ihm verloren gegangen, so viel steht fest.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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6 Kommentare

  1. Werter Herr Hußmann, die Docma ist und bleibt weiterhin eine hochinteressante Fotozeitschrift. Aber die politisch geprägten Artikel stoßen mir heftig auf. Russland- u. Chinabashing also auch hier. Wir kennen seit Jahren eine ukrainische Familie (wohnen unter uns), die vor dem „Demokraten“ Selensky geflüchtet sind. Solche Leute werden in keinem öffentlich-rechtlichen Sender eingeladen. Statt dessen hat die Rüstungsindustrie und Ihre Marionetten nichts anders zu tun als an US. Willigen Faschisten Waffen zu liefern. Aktuell stellt Griechenland mit deutschen Panzern vor der Tür der Türkei. Und das Thema China…Ich packe gekaufte „Made in Germany“ Ware aus die „Made in China“ ist. Und die Qualität ist Klasse. Also lassen sie den politischen Quark ala Bildzeitung. B.

  2. Hallo Herr Hußmann, wenn sie schon in ihrer Fachzeitschrift für Fotografie und Bildbearbeitung politische Themen anreißen (was ich persönlich nicht schlecht finde), so doch bitte etwas ausgewogener.
    Die Chinesen wollten nicht den Hamburger Hafen kaufen, nicht mal nur einen Teil davon, sondern ein Drittel vom kleinsten von 4 Containerterminals. Nicht dass ich das unbedingt gut finde, aber als die Griechen 2016 überwiegend von der deutschen Regierung dazu gedrängt wurde den Hafen von Piräus zu verkaufen, um griechische Schulden bei der deutschen Banken zu bedienen, gab es keinen Aufschrei in den Medien.
    Deutschland ist schon lange kein unabhängiger Wirtschaftsstandort mehr. Gucken sie sich bitte die Beteiligungen von internationalen Geldgebern mal etwas genauer an (www.finanzen100.de/finanznachrichten/boerse/der-ausverkauf-wem-gehoert-deutschland_H914977266_11248332/).
    Deutschland, und die meisten Länder der Welt, sind leider nicht nur finanztechnisch von Amerika abhängig (Dollar als Leitwährung), sondern auch technologisch.

    1. In der Fachzeitschrift DOCMA habe ich noch nie etwas zu politischen Themen geschrieben. Hier im Blog sieht das anders aus; hier schreibe ich – wie meine Kollegen – über alles, was mich gerade umtreibt. Ich habe ein relativ breites Spektrum an Interessen und das thematische Spektrum meiner Blog-Beiträge spiegelt das wider. Blogger äußern ihre Meinung – also nicht die Meinung anderer, was folglich nicht ausgewogen ist – und so handhabe ich das hier auch. Blog-Beiträge entsprechen dem, was in den Printmedien ein Kommentar oder eine Kolumne wäre, und darin gibt es keine Ausgewogenheit.

      Im DOCMA-Blog kann man erfahren, wie wir so ticken – durchaus unterschiedlich übrigens. Das interessiert vielleicht nicht alle DOCMA-Leser, was völlig OK ist. Das Blog ist eine kostenlose Zugabe, die man auch einfach ignorieren kann, und wir nehmen es niemandem übel, der das irrelevant findet. Wer diese Beiträge aber liest, muss damit rechnen, gelegentlich mit einer anderen Meinung als seiner eigenen konfrontiert zu werden. Für Gegenreden gibt es diesen Kommentarbereich.

      Übrigens ist der Ausverkauf des Hafens von Piräus seinerzeit auch in deutschen Medien kritisiert worden; ich hielt das damals schon für einen Fehler. Die Frage ist halt, ob man solche bereits anderswo begangenen Fehler als Rechtfertigung dafür nehmen soll, denselben Fehler zu begehen – oder als Warnung davor, nicht auch in diese Falle zu tappen. Mein Vergleich mit Go-Strategien illustriert, wie ich das sehe.

  3. Absolut richtig! Es ist unfassbar, dass man endlich, 20 Jahre zu spät anscheinend, erkannt hat, dass man zu abhängig von Russland ist, und jetzt noch idiotischer (weil man es jetzt besser weiß, nicht weil China „schlimmer“ wäre) auf China umschwenkt!

    Hafen von Piräus: Sorry, Quatsch! Erstens muss man nicht heute die Klappe halten, weil man es damals vielleicht nicht besser wusste, zweitens gab es auch damals durchaus Kritik. Drittens: Meinung! Es ist ein Kommentar!

    @docma: Es wäre vielleicht eine Idee, solche Beiträge klarer als Meinung zu kennzeichnen. Ein Blog bedeutet ja nicht generell, dass es sich um Kolumnen oder Meinungen handelt, das könnten ebenso faktenbasierte Blogs sein (bzw. die meisten Beiträge sind ja hier auch faktenbasiert). Nur ein Vorschlag. 😉

    Glückauf, Ollie

  4. Werter Herr Hußmann, mir ist es ziemlich wurscht, ob jemand seine Meinung, verpackt in einem Blog, öffentlich äußert. Was mir aber nicht egal ist, weil ich Daten und Fakten mag, ist, wenn der Blogger anscheinend nicht ausreichend zum Thema recherchiert hat, denn wenn er das getan hätte, dann wüsste er auch, dass seine Behauptung: „Und natürlich wurden bereits alle neueren Containerbrücken des Hamburger Hafens in China gefertigt“. nicht richtig ist. Selbstvertändlich WURDEN in der Vergangenheit, beginnend mit dem CTA Terminal in Altenwerder, nahezu alle Brücken von ZPMC geliefert. Seit etlichen Jahren gibt es aber eine Trendumkehr. So wurden die letzten 5 Brücken auf dem CTT-Terminal (Tollerort) bereits von Liebherr (Irland) geliefert. Wenn Sie sich auf anderen Terminals umsehen, wie z.B. bei Eurogate/HH oder auch Bremerhaven, so werden Sie dort ebenfalls mehr und mehr neue Liebherr-Brücken entdecken.

  5. Ich würde mich freuen, wenn mir jemand erklären könnte, was hier tatsächlich die Abhängigkeit erzeugt. Cosco ist ein chinesischer Staatskonzern, der sich finanziell und damit auch wirtschaftlich mitbestimmend an einem Terminal beteiligt. Damit will Cosco sicherlich Einfluss gewinnen, vorrangig auf Liegeplätze, Abfertigung und bevorzugte Behandlung. So denke ich mir das. Staatskonzern oder nicht, das ist hier sicherlich nachrangig, weil Firmen in autokratischen Regierungen ohnehin steuerbarer sind. Aber was beeinträchtigt dabei die legitimen Interessen von Deutschland oder Hamburg?
    Die Abhängigkeit zwischen den Wirtschaftssphären von China und Deutschland manifestieren sich sicherlich nicht hier in dieser Beteiligung.
    Die richtige Frage wäre sicherlich, was Deutschland droht, wenn chinesische und deutsche Handelsinteressen nicht mehr übereinstimmen. Aber eine Beteiligung am Hafen Tollerort ist sicherlich keine Maßnahme, um diese Abhängigkeit zu entflechten.
    Hier ist die Aufregung wohl eher eine symbol-politische. Tut mir leid, aber hier hat es den Autor wohl eher emotional getroffen, als dass der die Fakten analysiert hat. Und das kann man dann auch so stehen lassen – oder?

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