
Der jüngste Bericht des Magazins Spiegel über sogenannten Auszieh-Apps, die mittels KI aus bekleideten Porträts Nacktbilder generieren, wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die weit mehr ist als nur ein technisches Novum. Ein beispielhafter Fall aus dem spanischen Almendralejo, wo Jugendliche Nackt-Fakes von Mitschülerinnen verbreiteten und dafür juristisch belangt wurden, während die App-Betreiber unbehelligt blieben, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Er zwingt uns förmlich, tieferliegende Fragen zur Verantwortung, zur Rechtslage und zu unserem gesellschaftlichen Umgang mit Nacktheit und Technologie zu stellen. Für Profis aus Fotografie und kreativer Bildbearbeitung ergeben sich daraus nicht nur ethische, sondern auch handfeste operative Überlegungen.
Die Krux mit der Verantwortung: Wer ist der eigentliche Sündenbock?
Die Debatte um die Schuldfrage bei Missbrauchsfällen durch Auszieh-App-generierte Bilder ist komplex. Sind es die Jugendlichen, die aus Neugier, Geltungsdrang oder schlichter Bosheit handeln? Sind es die anonyme App-Anbieter, die, wie der Whistleblower im Spiegel-Artikel andeutet, „zynisch und süchtig nach Geld“ sind und ein Geschäftsmodell auf dem Rücken potenzieller Opfer aufbauen? Oder tragen vielleicht doch die Eltern eine Mitverantwortung, eine Rolle, die in der aktuellen politischen Diskussion gerne ausgespart bleibt? Man erinnert sich an Zeiten, da zierten Schilder mit der Aufschrift „Eltern haften für Ihre Kinder“ Baustellen und andere „Abenteuerspielplätze“. Ob diese juristisch immer stichhaltig waren, sei dahingestellt, doch sie appellierten an ein Verantwortungsbewusstsein, das immer weniger verbreitet zu sein scheint. Im digitalen Raum fehlen solche sichtbaren Mahnungen, doch die zugrundeliegende Idee, elterliche Aufsichtspflicht auch dorthin auszudehnen, bevor man reflexartig nach Verboten ruft, sobald Technologie für kriminelle Zwecke instrumentalisiert wird, verdient eine eingehende Betrachtung.
Der Spiegel-Artikel legt nahe, dass die Betreiber von Clothoff, einer der führenden Apps, ein Netzwerk weiterer Auszieh-Dienste aufgekauft haben und mit einem Jahresbudget von drei Millionen Euro sowie über drei Dutzend Mitarbeitern agieren. Dass die Betreiber, wie Recherchen nahelegen, primär aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion agieren, erschwert die juristische Verfolgung zusätzlich.
Rechtliche Fallstricke: Die Mär von der generellen Illegalität
Apropos kriminell: Im Spiegel-Artikel wird konstatiert, es sei illegal, Fake-Nacktbilder von Erwachsenen ohne deren Einwilligung anzufertigen. Diese Aussage ist zwar im Grundsatz korrekt und findet sich in entsprechenden Gesetzestexten wieder, bedarf aber einer wichtigen Differenzierung, die gerade für Bildbearbeitungsamateure relevant ist. Das Stichwort lautet „Haushaltsausnahme“. Diese Regelung sieht Ausnahmen vor, wenn es um die rein private Nutzung geht. Wer also für sich im stillen Kämmerlein und ohne jede Verbreitungsabsicht mit solchen Technologien experimentiert, bewegt sich oft in einer rechtlichen Grauzone. Problematisch und strafrechtlich relevant wird es erst, wenn diese Bilder öffentlich gemacht, zur Erpressung genutzt oder anderweitig missbräuchlich verwendet werden.
Die Demokratisierung des Voyeurismus: Neu ist nur die Zugänglichkeit
Die Faszination für das Entblößte ist kein Phänomen des digitalen Zeitalters. Man erinnere sich an die „Röntgenbrillen“-Offerten in den Kleinanzeigenteilen alter Zeitschriften. Später bedurfte es zumindest spezifischer Kenntnisse in Photoshop, um Kleidung digital zu entfernen, und davor war zeichnerisches Talent oder die Kunst der Fotoretusche gefragt. Was sich fundamental gewandelt hat, ist nicht das Bedürfnis an sich, sondern die radikal vereinfachte Zugänglichkeit und die Qualität der Ergebnisse. Die KI-basierten Apps liefern auf Knopfdruck Resultate, die, wie die Mutter eines spanischen Opfers bemerkte, selbst sie getäuscht hätten, wenn sie nicht wüsste, wie ihre Tochter nackt aussieht. Diese Demokratisierung potenziell schädlicher Werkzeuge ist der Kern des Problems. Dass laut Unternehmensangaben von Clothoff allein im ersten Halbjahr 2024 die Website 27 Millionen Mal aufgerufen und durchschnittlich 200.000 Bilder pro Tag mit dem Programm angefertigt wurden, unterstreicht die Dimension.
Das Geschäft mit der Scham: Werden die Auszieh-App Anbieter wirklich steinreich?
Die vom Whistleblower angedeutete Profitgier der Anbieter wirft die Frage auf, ob mit diesen Auszieh-Apps tatsächlich das große Geld zu machen ist. Millionen Klicks sind nicht gleichbedeutend mit Millionenumsätzen. Oftmals handelt es sich bei den Betreibern nicht um etablierte mittelständische Softwarehäuser, sondern um kleinere, agile Gruppen von „Software-Fricklern“, die Open-Source-Modelle wie Stable Diffusion für ihre Zwecke anpassen. Der Aufkauf anderer Firmen, wie im Fall von Clothoff, deutet zwar auf eine Konsolidierung und Professionalisierung des Marktes hin, aber die Akteure bleiben oft im Schatten.
Die Kehrseite der Medaille: Warum sind wir so verletzlich?
Eine oft vernachlässigte Perspektive ist die Frage, warum Menschen durch gefälschte Nacktaufnahmen ihrer selbst derart erpressbar sind. Warum sie Traumata entwickeln oder gar suizidale Gedanken hegen. Natürlich befinden sich Teenager in einer hormonell und psychisch besonders vulnerablen Lebensphase. Doch das waren sie auch in früheren Generationen. Es gab Zeiten, nicht allzu fern, da glaubte man religiöse Hemmnisse überwunden und begegnete sich mit wenig oder gar keinen Textilien an Badeseen, Umkleidekabinen und Gemeinschaftduschen, ohne dass dies zu gesellschaftlicher Ächtung führte. Die Verteufelung des Nacktseins, eine gewisse Re-Prüderisierung, scheint erst nach der Jahrtausendwende wieder an Fahrt aufgenommen zu haben, möglicherweise befeuert durch die Verinnerlichung eher amerikanisch geprägter Moralvorstellungen via Internet. Dies steht im bizarren Kontrast zur gleichzeitigen Omnipräsenz pornografischer Inhalte aller Art, die für jeden, der sucht, kostenlos und anonym verfügbar sind. Diese Ambivalenz macht es Opfern von „Auszieh-Apps“ ungleich schwerer, mit der Situation umzugehen.
Lösungsansätze: Verbote, Verantwortung oder Erziehung?
Die drängende Frage ist, wie dieser Entwicklung begegnet werden kann. Sind Verbote von Apps, die ohnehin oft über ausländische Server und im Darknet operieren, die Antwort? Muss unsere Gesellschaft ihre Haltung zur Nacktheit grundsätzlich überdenken, um den Missbrauchsfällen ihren Stachel zu nehmen? Sollten Eltern tatsächlich stärker für die digitalen Verfehlungen ihrer minderjährigen Kinder in die moralische und finanzielle Pflicht genommen werden? Oder liegt der Schlüssel doch primär in einer umfassenderen Medienkompetenzvermittlung und ethischen Erziehung, die Kinder und Jugendliche befähigt, sowohl die Technologie kritisch zu hinterfragen als auch die potenziellen Folgen ihres Handelns für andere zu erkennen?
Das Wissen um die Möglichkeiten der KI-Bildgenerierung sollte mit einem klaren ethischen Kompass einhergehen. Die Fähigkeit, Fälschungen zu entlarven und die Grenzen des Vertretbaren zu definieren, wird zu einer immer wichtigeren Kernkompetenz in einer visuell geprägten Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und digitaler Komposition zunehmend verschwimmen.






Es sind die Hersteller. Ist wie mit Drogen. Die Polizei ist immer auf der Spur nach der Drogenküche, nach dem Händler, der Konsument ist das gerigste Übel.
Schon seit vielen Jahren generieren Porno-Hersteller in Fernando-Tal neue Models, indem sie Touristinnen fotografieren und diese Köpfe Ihren Actricen aufsetzen.
In besagtemFall plädiere ich dafür, die Eltern haftbar zu machen, da sie ihre Zöglinge als noch nicht schuldfähig darstellen.
Uebrig ist es in Deutschland keine rechtliche Grauzone, Personen ohne ihre Einwilligung öffentlich darzustellen. Wer sich nicht richtig dargestellt sieht, kann klagen und kriegt Recht. Auch der Besitz ist strafbar.
Zusatz: In der Praxis werden solche ausgezogenen Bildern ins Netz gestellt, oder mindestens an Bekannte geschickt. Deshalb ist es keine Grauzone mehr.
Nirgendwo im Artikel steht, dass die öffentliche Darstellung legal ist.