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Mehr als hochwertige Gläser: SIGMAs mutiger Schritt in die Kunstszene

In einer Branche, die sich oft in einem ermüdenden Wettstreit um Megapixel-Zahlen, Autofokus-Geschwindigkeiten und Lichtstärken-Rekorde zu verlieren droht, sind Momente der echten Neuausrichtung selten und kostbar. Es sind jene Momente, in denen ein Hersteller den Mut beweist, seine Identität zu hinterfragen und über den Tellerrand der reinen technischen Spezifikationen hinauszublicken. Die SIGMA Corporation ein Unternehmen, das sich über Jahrzehnte einen Ruf für optische Präzision und ein herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis erarbeitet hat, scheint nun genau an einem solchen Wendepunkt zu stehen. Die Pop-up-Ausstellung, die im Juni 2025 in Berlin stattfand, war weit mehr als eine simple Marketingaktion. Sie war ein Statement, ein subtiler, aber unmissverständlicher Hinweis darauf, wohin die Reise für den japanischen Traditionshersteller gehen könnte: weg vom reinen Werkzeuglieferanten, hin zum Partner für visuelle Kunst.

Wer in den vergangenen Jahren die Entwicklung bei SIGMA aufmerksam verfolgt hat, konnte bereits erste Anzeichen dieser Metamorphose erkennen. Die Einführung der „Art“-Produktlinie war ein klares Bekenntnis zur kompromisslosen Bildqualität, das bei anspruchsvollen Fotografen großen Anklang fand. Auch die Entwicklung der ungewöhnlichen und radikal kompakten fp-Kamera 2021 deutete an, dass man in Aizu, Japan, bereit ist, Konventionen zu brechen und Nischen zu besetzen, die von den Branchenriesen oft übersehen werden. Die jüngste Aussage des SIGMA-CEOs, man wolle in Zukunft auch „ernsthaftere“ Kameras für professionelle Anwender entwickeln fügt sich nahtlos in dieses Bild ein. Die Berliner Ausstellung war nun die konsequente Visualisierung dieser Strategie.

Der Pop-up-Store als Galerie

Der gewählte Ort in Berlin-Mitte hätte nicht treffender sein können. Statt des üblichen Messe-Ambientes mit vollgestopften Vitrinen und aufdringlichen Werbebannern betrat der Besucher einen Raum, der die Anmutung einer minimalistischen Kunstgalerie atmete. Weiße Wände, ein warmer Holzboden und eine sorgfältig kuratierte Leere, die den Blick auf das Wesentliche lenkte. An den Wänden hängen noch bis zum 29. Juni großformatige, expressive Kunstwerke, die in einem spannenden Dialog mit den ausgestellten Produkten stehen.

Die Objektive selbst – Ikonen der Art- und Contemporary-Serien – werden nicht als Massenware präsentiert, sondern wie Skulpturen auf schlichten, weißen Podesten inszeniert. Unter dem sanften Licht von Galeriestrahlern wurden sie ihrer rein technischen Funktion enthoben und zu objets d’art erhoben. Diese Präsentation war eine kluge Verbeugung vor der Zielgruppe, die man offensichtlich ansprechen möchte: Bildgestalter, für die eine Kamera und ein Objektiv mehr sind als nur Apparate zur Aufzeichnung von Licht. Es sind Werkzeuge des Ausdrucks, Pinsel und Meißel des digitalen Zeitalters, deren Haptik, Design und optischer Charakter den kreativen Prozess maßgeblich beeinflussen. SIGMA signalisiert hier ein tiefes Verständnis dafür, dass der künstlerische Akt nicht erst bei der Nachbearbeitung am Rechner beginnt, sondern bereits bei der Wahl des Equipments.

Strategie mit Tiefenschärfe

Kazuto Yamaki, CEO von SIGMA in Berlin
Kazuto Yamaki, CEO von SIGMA in Berlin

Was bedeutet diese Neupositionierung nun für den professionellen Anwender und den ambitionierten Bildkünstler? Zunächst einmal ist es ein Versprechen. Ein Versprechen, dass zukünftige Produkte nicht nur auf technische Perfektion getrimmt werden – eine Disziplin, in der SIGMA ohnehin bereits brilliert, sondern auch eine eigene visuelle Signatur und eine inspirierende Benutzererfahrung bieten werden. Es geht um die Kultivierung einer Marke, mit der sich Kreative identifizieren können, weil sie ihre Werte und ihre Sprache spricht.

Indem SIGMA den Dialog mit der Kunstszene sucht und seine Produkte in diesem Kontext verortet, emanzipiert sich das Unternehmen von der reinen Vergleichbarkeit über Datenblätter. Es schafft eine emotionale und intellektuelle Ebene, die für viele Fotografen, die ihre Arbeit als künstlerische Praxis verstehen, von entscheidender Bedeutung ist. Die Berliner Ausstellung war somit kein Endpunkt, sondern ein vielversprechender Auftakt. Sie hat gezeigt, dass SIGMA die Vision und den Willen hat, eine Marke für jene zu werden, die nicht nur abbilden, sondern gestalten wollen. Es ist ein mutiger und, wie man in Berlin sehen konnte, ästhetisch überzeugender Schritt, der die gesamte Branche inspirieren könnte. Man darf gespannt sein, welche Werkzeuge und Ideen aus diesem neuen Selbstverständnis in den kommenden Jahren hervorgehen werden.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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