
Wir sehen ein Bild und sind ergriffen. Ein Kind, das im Schutt eines Krieges einen Welpen umklammert, ein Porträt von einer Intensität, die uns den Atem raubt. Die emotionale Wirkung ist unmittelbar, sie trifft uns. Dann lesen wir den kleinen Vermerk darunter: hervorgebracht von einer künstlichen Intelligenz. Und augenblicklich verändert sich etwas. Das Gefühl mag noch nachklingen, aber es ist nun von einer leisen Irritation begleitet. Dieses Bild ist Teil einer unüberschaubaren Flut, die man als AI-Slop bezeichnet: eine Lawine aus massenhaft fabrizierten Inhalten, von Garnelen-Skulpturen Jesu bis zu politisch motivierten Fälschungen, die unsere digitalen Kanäle verstopft. Hier entfaltet sich eines der faszinierendsten Phänomene unserer Gegenwart: die Fähigkeit der Maschine, uns emotional zu berühren, und unsere gleichzeitige Weigerung, diese Berührung als echt anzuerkennen. Die zentrale Frage für jeden, der sich mit kreativer Bildgestaltung befasst, lautet also nicht mehr, ob KI Kunst machen kann, sondern inwieweit sie inmitten dieses digitalen Unrats eine echte Resonanzbeziehung zum Betrachter aufbauen oder diese nur perfekt simulieren kann.
Das Versprechen der unverfügbaren Welt
Um dieses Dilemma zu verstehen, lohnt ein kurzer gedanklicher Ausflug zum Soziologen Hartmut Rosa. Für ihn entsteht eine gelingende Beziehung zur Welt durch Resonanz, durch ein wechselseitiges Schwingen, bei dem wir von etwas berührt werden und antworten, wodurch sich beide Seiten verändern. Das Entscheidende an diesem Konzept ist die Unverfügbarkeit. Echte Resonanz lässt sich nicht auf Knopfdruck herbeiführen; sie ist ein Geschenk des Augenblicks. Genau hier liegt der fundamentale Unterschied zur KI, die den AI-Slop antreibt. Sie ist das Paradebeispiel für die totale Verfügbarkeit. Sie antwortet immer, sie liefert prompt, sie ist ein unermüdlicher Diener, der darauf trainiert wurde, unsere Wünsche zu erfüllen. Sie ist eine Replik, die menschlicher wirkt als der Mensch, aber eben doch keine eigene Vergangenheit, keine eigene Erfahrungswelt besitzt. Die KI wird durch unsere Interaktion nicht verwandelt, sie lernt nur dazu, um beim nächsten Mal noch überzeugender zu simulieren.
Die emotionale Schlagkraft des Simulierten
Und doch wäre es ein Fehler, die emotionale Wirkung von KI-Slops abzutun. Studien belegen eindrücklich, dass Betrachter sehr wohl Gefühle bei der Betrachtung von algorithmisch gefertigten Werken empfinden. In Experimenten wurden KI-Bilder sogar positiver bewertet als menschliche Kunst, solange die Probanden über die Herkunft im Unklaren gelassen wurden. Virale Bilder wie jene gefälschten Bilder eines Mädchens nach einem Hurrikan rufen massive Wellen der Empathie hervor, weil sie, wie Nutzer anmerken, sinnbildlich für den Schmerz stehen, den Menschen durchleben.
Die Maschine hat gelernt, die Klaviatur der menschlichen Emotionen meisterhaft zu spielen. Sie simuliert eine kognitive Empathie, ohne selbst je etwas zu fühlen. Sie liefert uns ein perfektes Echo unserer eigenen Gefühlswelt.
Für Kreative in der Fotografie und digitalen Bildgestaltung liegt hier die eigentliche Herausforderung. Es geht nicht um einen Wettkampf gegen die Maschine, sondern um das Verständnis ihrer Wirkungsweise. Die emotionale Resonanz eines Bildes hängt offenbar nicht nur von den Pixeln und Farben ab, sondern auch von der Geschichte, die wir dahinter vermuten. Sobald das Etikett „KI“ auf einem Werk klebt, sinkt in der Wahrnehmung vieler die emotionale Tiefe und die empfundene Schönheit. Wir suchen im Kunstwerk unbewusst nach der Absicht, der Verletzlichkeit, dem einzigartigen Blick eines menschlichen Gegenübers. Die Kunst liegt demnach vielleicht nicht mehr nur in der Anfertigung des Bildes selbst, sondern darin, die menschliche Intention dahinter sichtbar zu machen oder die KI so als Werkzeug zu nutzen, dass sie eine unverkennbar persönliche Vision verstärkt. Vielleicht geht es in Zukunft darum, aus dem perfekten Echo der Maschine einen eigenen, unverwechselbaren Ruf zu formen, der eine echte Antwort herausfordert und sich vom Lärm des AI-Slop abhebt.