Star Wars gegen die Physik
Nachdem sich Doc Baumann die neue Folge von Star Wars im Kino angesehen hat, fragt er sich verzweifelt, warum die Macher solcher Filme immer wieder die plumpsten physikalischen Fehler in ihre Geschichten einbauen müssen, obwohl das gar nicht nötig wäre und die Handlung um kein Stück weiterbringt.
Wir wissen, dass die Protagonisten von Filmen und Romanen kaum je essen und trinken (außer den letzten Tropfen aus der Wasserflache, wenn sie halb verdurstet durch eine Wüste taumeln), in Folge dessen auch nie aufs Klo müssen und ebenso nur höchst selten schlafen. Ihre Waffen laden sie mitunter erst nach, wenn Sie Hunderte von Schüssen abgegeben haben. Und so weiter und so fort.
An derlei Handlungsraffung unter Aussparung des Alltäglichen haben wir uns gewöhnt. Wahrscheinlich machen sie all das irgendwann einmal, nur lässt uns der Autor von Roman oder Drehbuch nicht Zeugen dieser profanen Verrichtungen werden – außer eben dann, wenn diese eine wichtige Rolle für die Handlung spielen.
Es gibt ganze Bücher über logische Fehler in Filmen. Wir wissen das als Zuschauer und nehmen es schulterzuckend hin. Natürlich ist es verdammt schwierig, keine logischen Brüche zu produzieren, wenn man etwa eine Story mit Zeitreisen, Zeitschleifen und den daraus resultierenden Paradoxa verfilmt. Leider jedoch kommen logische Brüche in den banalsten Filmchen vor, und sie sind selten durch irgendetwas zu entschuldigen, da sie meistens leicht zu vermeiden gewesen wären.
Es ist im Prinzip wie in meiner DOCMA-Rubrik „Bildkritik“: Man kann ja über jede Abweichung vom empirisch Richtigen, visuell Notwendigen und Plausiblen reden. Anders, als manche Leser/innen das missverstehen, müssen weder Kunstwerke noch Bildmontagen in Anzeigen stets naturalistisch getreu sein. Sie dürfen phantasievoll und verrückt von allen Erfahrungen abweichen – nur muss diese Abweichung für die Aussage der Bilder eine Bedeutung haben! Wenn ein Schatten in eine falsche Richtung fällt oder die Perspektive eines Gebäudes nicht stimmt, reicht es nicht, dunkel zu mutmaßen: Da werden sie sich schon was dabei gedacht haben. Haben sie nämlich in der Regel nicht: Es sind schlichte, blöde Fehler mangels Kenntnis oder Nachdenken.
Auch wenn die Star Wars in einer weit, weit entfernten Galaxis angesiedelt sind (auf deren Planeten es dennoch, kulturell gesehen, sehr irdisch zugeht), unterliegen Objekte dort dennoch denselben physikalischen Gesetzen wie hierzulande. Auch Millionen von Lichtjahren entfernt überträgt das Vakuum keinen Schall. Im Interesse einer eindrucksvollen Präsentation mag man trotzdem darüber hinwegsehen, wenn zum Beispiel Raumschiffe oder Laserstrahlen akustisch vernehmlich vorbeizischen.
Man mag es auch hinnehmen, wenn Raumschiffe mit der Masse eines Güterzugs, kaum dass sie nach Sekunden die Atmosphäre eines Planeten verlassen haben, mit Lichtgeschwindigkeit davonsausen, ohne dass man jemals mitbekäme, dass irgendwann „Treibstoff“ nachgeladen oder gar gekauft würde.
Meinetwegen lassen wir auch noch das flotte Erreichen der Überlichtgeschwindigkeit zu und das Fehlen aller relativistischen Effekte, von denen das Problem der Gleichzeitigkeit nur eines wäre.
Aber irgendwann ist es genug mit Licht- und Überlichtgeschwindigkeit! Wenn sich der tödliche, planetensprengende Vernichtungsstrahl der aus Sonnenenergie gespeisten neuen Superwaffe der dunklen Macht wie eine gigantische Messerklinge ins All bohrt, so dass man dem gemächlichen Vordringen seiner wohlgeformten Spitze folgen kann, so ist das schon schlimm genug. Wenn ebendiese „Spitze“ dann aber wenige Augenblicke später einen Hunderte Lichtjahre entfernten Himmelkörper zerdeppert, ist es wirklich genug.
Vollends kindisch wird das Ganze, wenn Han Solo seinen Millenium Falken auf einen feindlichen Planeten lenkt und beim Anflug darauf hinweist, er könne den gegnerischen Schutzschild nur dann unbemerkt unterfliegen, wenn er seine Lichtgeschwindigkeit beibehält und nicht auf die Bremse tritt. Als Zuschauer bekommen wir diesen Anflug mit, das heißt, wir verfolgen ein mit 300.000 km pro Sekunde heranrasendes Objekt mit bloßem Auge (nur von der 3D-Brille geschützt), erleben fasziniert mit, wie es die Atmosphäre durchdringt, ohne in Nanosekunden zu verglühen und eine gigantische Schockwelle auszulösen … Nein, das ist noch immer nicht alles! Mit ungeminderter Geschwindigkeit braust Han Solo weiter und weicht Sekunden später Bäumen und Felsen aus. Mit Lichtgeschwindigkeit!
Genug ist genug! Es gibt nicht den geringsten, vom Verlauf der Handlung erzwungenen Grund, einen solchen abgrundtief dämlichen Unsinn vorzuführen. Wäre der Satz, man müsse diese Geschwindigkeit beibehalten, nie gefallen, hätte ihn kein Mensch vermisst, im Gegenteil.
Selbst in einem Film wie „Der Marsianer“, der sich weitgehend an naturwissenschaftlich und technisch Mögliches hält, gibt es sehr, sehr Unwahrscheinliches und Fehler. Aber die sind meistens zu verschmerzen. Aber man würde etwa gern wissen, wieso grundlos der Impulserhaltungssatz außer Kraft gesetzt wird, wenn sich im Orbit schwebende Astronauten in ihren Leinen verfangen. Warum Filmemacher immer wieder ohne die geringste Notwendigkeit die übelsten Fehler in die Handlung einbauen, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Es ist wie bei den falschen Bildmontagen: Man fragt sich: Ist das den Machern und allen Beteiligten egal? Haben sie schlicht keine Ahnung, so dass es niemandem auffällt? Oder halten sie uns als Zuschauer für so bekloppt, dass es auf solche Details nicht ankommt, und man uns den größten Unsinn auch dann vorsetzen kann, wenn er nicht einmal aus dem Handlungsverlauf folgt – nur so zum Spaß?
Warum sollte der typische Filmemacher ein anderes naturwissenschaftliches Weltbild haben, als der typische Zuschauer? Liegt ihre Macht nicht eher in der Kraft ihrer erzählerischen Stärke? Aber genau da hapert es bei diesem Film. Und nicht in der Plausibilität dafür eingesetzten Elemente.
Es ist – das sollte man nicht außer Acht lassen – ein Märchen und nicht eine nach vorne gedachte Gegenwart (anders als beim Marsianer). Wäre es das nicht, müssten wir sehr viel mehr über ideologische und gesellschaftliche Aspekte dabei nachdenken.
Übrigens halte ich als Physiker sehr viel mehr für denkbar, als es nach unserem heutigen technologischen Kenntnisstand extrapolierbar ist. Ich kann mir die Reaktion lebhaft vorstellen, wenn jemand vor 100 oder 150 Jahren über den Doppelspalt oder verschränkte Zustände gesprochen hätte.
Meint Jürgen
Ich finde den Kommentar von jhurst absolut richtig. Ich (als Chemiker) kann mir als science fiction manches vorstellen, das in einem Kinofilm nicht zu vermitteln wäre. Die Hauptschwäche des Films ist die krude Story, die nur auf Effekthascherei zielt. Alles was passiert war in den alten Teilen schon vorhanden. Ob es nun einen Todesstern oder einen Todesplaneten gibt ist schliesslich egal. Beide sind gewohnt einfach zu besiegen. Man muss nur die Schwachstelle kennen, die sich jemand, der einen Todesplaneten bauen kann, ja auch immer leistet.
Fazit: Schnelle Action, viel 3D-Effekthascherei, schnelle, nicht zu komplizierte, Dialoge. Es ist ganz gute Unterhaltung aber eben auch nicht mehr.
Meint Harald (GeisyH)
Warum schaut sich der allwissende Gott Baumann denn diese Filme dann an? Er muss doch wissen, dass ab Version 4 (= chronologisch der erste) die Magie verloren war.
Wäre es tatsächlich cool, wenn eine 15-minütige Raumschlacht ohne Schallübertragung stumm, leise und langweilig im Kino ablaufen würde, nur weil das vermutlich realistischer wäre?
Sollten die Zuschauer in einem Weltraumspektakel live erleben müssen, wie eine Stunde lang aufgetankt wird?
Oder wie Meister Joda seine Geschäfte auf der interstellaren Autobahnraststätte verrichtet?
Einen SciFi vom Doc, dem Allüberschauenden, würde ich gerne mal sehen 😉
Die Kinos würde sicher überquellen :))
…möglicherweise auch einfach nur (wie ja schon so oft) eine weitere überbordende Dämlichkeit in den deutschen Synchronstudios…?
„Es gibt nicht den geringsten, vom Verlauf der Handlung erzwungenen Grund, einen solchen abgrundtief dämlichen Unsinn vorzuführen.“
Erstens ist StarWars eine „Weltraumoper“ oder auch Science Fiction. Also zu deutsch Wissenschafts-Zusammendichtung. Es stellt also überhaupt keinen Bedarf irgendeiner Form von Realismus abhängig zu sein und spätestens bei der „Macht“ oder Robotern mit künstlicher Intelligenz, die sich doch irgendwie doof anstellen und in normaler Sprache miteinander reden müssen, sollte man das gemerkt haben.
Zweitens ist die besagte Szene sehr wohl handlungsabhängig, oder hätte Han Solo einfach in Normalgeschwindigkeit durch das Schutzschild hindurchfliegen sollen? Klar, man hätte sich irgendwas anderes aus dem Finger saugen können, aber dann wäre einiges an Dramatik entfallen.
Fazit: Statt Science Fiction zu schauen, würde ich Ihnen vorschlagen, doch lieber wieder zurück ans Fenster zu gehen und über die bösen Falschparker/Jugendlichen zu schimpfen.
Ich bin auch der Meinung das man sich solche Filme nicht nach den Maßstäben unseres „DOC“ ansehen sollte. In vielen Punkten seiner langen Laufbahn als der Fachmann für digitale Bildbearbeitung und besonders PS gebe ich ihm Recht und folge ihm, wie z.B. bei Retuschefehlern in Anzeigenkampagnen usw., aber hier ist er deutlich übers Ziel hinausgeschossen, har sich vergallopiert.
Lieber „DOC“, meine Empfehlung: ARTE oder ZDF NEO und immer schön aufpassen, vielleicht stecken da auch irgendwo sachliche Fehler. Und – ganz wichtig, alle Filme aus dem Bereich Phantasie und SiFi meiden!
Sorry, Leute, leider lohnt es sich nicht, auf diese Kommentare rensthaft einzugehen, weil mal wieder niemand meinen Text richtig gelesen hat. Genau die Sachen, die mir hier unterstellt werden, hatte ich ja innerhalb dieses Kontexts als „legitim“ bezeichnet – etwa Schallübertragung im Vakuum bei vorbeifliegenden Raumschiffen, der Dramatik wegen. Ich erlaube mir noch einmal den sanften Hinweis, dass ich mich mit dem Genre recht gut auskenne und zwei Bücher über literarische und filminsche Phantastik geschrieben habe und dabei insbesondere auf die Kategorien des Möglichen und Wahrscheinlichen eingegangen bin. Nach Euren „Unterhaltungskriterien“ fände man auch noch Begründungen dafür, warum eine Pistole ohne Munition schießt, ein Fön ohne Schnur bläst und ein Held, wenn es mulmig wird, einfach durch die Wand verschwindet (was er weder davor noch danach jemals gekonnt hat). Der eine will mir erzählen, Star Wars sei ein Märchen und nicht mit Science-Fiction-Kriterien zu messen, der andere, es sei Science Fictin und ich hätte kein Gespür dafür. Wenn aber in einem Handlungsverlauf ALLES erlaubt ist und nichts prinzipiell unmöglich, wird die Geschichte völlig langweilig, da es keine Gesetzmäßigkeiten mehr gibt, was als nächstes als wahrscheinlich und möglich zu erwarten ist. Dann kann das Raumschiff bei Bedarf auch durch den Planeten hindurchfliegen, auf der Stelle – mit Überlichtgeschwindogkeit – wenden und von hinten angreifen. Ein Rahmen braucht – durchaus auch phantastische und unserer Erfahrung zuwiderlaufende – Gesetzmäßigkeiten, und es ist faul und dumm, die dann einfach wieder über den Haufen zu werfen, wenn man’s gerade mal brauchen kann.
Lieber Doc Baumann,
was anderes nebenbei: leider meldet mein Browser ständig, dass Ihre Website versucht, HTML5-Canvas-Bilddateien zu extrahieren, um meinen Rechner eindeutig zu identifizieren.
Muss ich mir da Sorgen machen? Sie legen doch nicht unerwünschte und nicht mehr zu entfernende Dateien auf meinem PC ab? Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Canvas_Fingerprinting
Lieber Kauzack, dazu reicht mein technischer Verständnis der Website leider nicht aus, um das beantworten zu können. Ich habe die Frage aber an einen technisch versierteren Kollegen weitergeleitet.
Hallo krauzack,
vielen Dank für diese Meldung. Zur Info: Unsere Website erhebt kein derartiges Fingerprinting. Ich möchte ihrer Browser-Meldung aber gern nachgehen und benötige hierzu einige Informationen. Ich werde Sie diesbezüglich direkt kontaktieren, hier wäre das Off-Topic.
Bis dahin.
Zur allgemeinen Beruhigung:
wie oben bereits erwähnt, betreiben wir keinerlei unterschwellige Datenerhebung, nun ich konnte die HTML5-Canvas Warnmeldung nachvollziehen und die Ursache abstellen. http://www.docma.info basiert auf dem sehr verbreiteten System: WordPress. Und bei dem monierten HTML5-Element handelte sich um das WordPress-Feature, Emojis-Icons (Smilies) als Grafiken von externer Quelle darzustellen. Dieses ist in WordPress standardmäßig aktiviert. D.h. JEDE auf WordPress basierende Website wird in ihrer Standard-Installation (und das dürften die meisten im Internet sein) in den Verdacht des Fingerprintings geraten. Wir nun nicht mehr, denn da wir diese Emojis ohnehin nicht nutzen, habe ich das Feature nun deaktiviert. DOCMA.info ist nun von HTML5-Elementen befreit. Die DOCMAtische Gemeinde kann sich nun wieder entspannt den eigentlichen Themen zuwenden.
Viel Spaß dabei 🙂
Darf ich auch mal?
Also ich habe das gleiche Problem. Es geht nicht darum, ob etwas nach unseren physikalischen Vorstellungen möglich ist, sondern um eine innere Logik bei einer Geschichte. Wenn ich einmal A sage, dann muss ich mir schon gut überlegen, wie ich beim nächsten mal B erkläre, wenn B von Erklärung A abweicht. Ich habe den Star Wars Film noch nicht gesehen, habe mich aber über den letzten Star Trek Film geärgert. Da wird dann mal eben über tausende Lichtjahre mit einem einfachen Kommunikator – nach Hause telefonieren – in Echtzeit kommuniziert usw. Es tut mir leid. Bei einem low budget Film kann ich da gerne mal ein Auge zukneifen, aber bei multimillionen Dollar Projekten ärgert es mich schon.
OK – ich gib zu, keine neue Erkenntnisse in meinem Kommentar. Aber ich wollte auch mal …
„Nein, das ist noch immer nicht alles! Mit ungeminderter Geschwindigkeit braust Han Solo weiter und weicht Sekunden später Bäumen und Felsen aus. Mit Lichtgeschwindigkeit!“
Verhält sich nicht die Zeit bei Lichtgeschwindigkeit komplett anders? Vergeht sie nicht extrem langsam? Könnte Han Solo dadurch nicht in einer relativen Realität agieren, die den Flug für ihn als „normal schnell“ erscheinen lässt?
Allerdings dürften dann für den Rest in der „Normalzeit“ viele Jahre vergehen.
Doch keiner weiß das, heute wankt doch auch schon Einsteins Relativitätstheorie. Wer weiß schon sicher, wie sich Raum, Zeit und Materie bei Lichtgeschwindigkeit verhalten?
Nur Gott Baumann!!!
😉
Lieber Herr Baumann,
jetzt werden Sie mal nicht sarkastisch. Natürlich baut jeder Science-Fiction auf unseren bekannten Gesetzmäßigkeiten auf und es ist nicht einfach ALLES möglich. Wobei es auch durchaus dieses Genre gibt, ich sage nur mal „Per Anhalter durch die Galaxis“.
Aber genauso wie ein Mensch aus dem Jahre 1800 noch nicht wissen konnte, dass ein Mensch sich schneller als 50 km/h bewegen darf/kann, so können wir auch keine Vermutungen gegenüber Lichtgeschwindigkeit und Kraftfeldern anstellen. Dies ist nun mal der Bereich, an dem die „Fiktion“ und Entertainment losgeht.
Und wenn es dem Entertainment eines Films – der in keinster Weise den Anspruch auf Realität stellt – hilft, eine Szene, die eigentlich fürs Auge unsehbar abläuft in Normalzeit wiederzugeben, dann seis drum.
Ich finde daher die Fehler in „Der Marsianer“ weitaus schlimmer, da dieser Film den Anspruch stellt, realistisch zu sein.