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Techtalk: Aller Ruhm den Fotografen?

Fotografen werden als Urheber ihrer Bilder genannt. „Recht so!“ sagt der Gesetzgeber, aber sind sie wirklich ganz allein die Schöpfer, denen aller Ruhm zusteht?


Vor dem Gesetz sind alle gleich. Wenn man genauer hinsieht, gibt es Gleiche und Gleichere. Nehmen wir zum Beispiel die Urheber eines Bildes. Sie haben grundsätzlich das Recht, im Zusammenhang mit der Vervielfältigung ihres Werkes genannt zu werden. Das ist gut, denn sie haben das Bild erschaffen. Aus wessen handwerklich-gestalterischem, vielleicht sogar künstlerischem Geschick ein Werk entstand, sollte der ­Betrachter nachvollziehen können – allein schon, damit dem Schöpfer Ruhm zuteil wird und er vielleicht auch ohne Umwege Folge­aufträge erhält.

Eine schöne Theorie, die sich so umfassend vielleicht für einen Maler anwenden lässt oder für einen Komponisten. Beim fotografischen Bildermachen ist es etwas komplizierter, aber natürlich gibt es auch hier den Idealfall: Man denkt sich ein Bild aus, arrangiert Motiv und Requisiten auf Basis  selbst entworfener Elemente und inszeniert es eigenhändig in eindrucksvollem Licht, bevor man die bei der Belichtung entstandenen, digitalen Rohdaten zusammenmontiert oder zumindest im Hinblick auf einen Look abstimmt. Gehören Personen mit zur Idee, verkleidet man sich und spielt die Rollen höchstselbst. Kommen 3D-Elemente mit ins Spiel, gestaltet man diese natürlich ebenfalls – Polygon für Polygon – und nutzt die dafür selbst gestalteten Texturen. Ein solches Werk hat tatsächlich nur einen Schöpfer, und wenn bei einer Veröffentlichung sein Name darunter steht, dann ist das nur gerecht.

In der Realität sieht die Bildproduktion aber anders aus: Hier arbeiten viele Menschen zusammen, die sich den Prozess des Schöpfens teilen. Fangen wir mit einem einfachen Beispiel an: Ich möchte eine Bekannte unbekleidet fotografieren und gehe mit ihr an einen ruhigen Ort. Es entstehen Akte und Porträts, die zu einem nicht unerheblichen Teil durch meine Kunst der Inszenierung ihre Wirkung auf den Betrachter entfalten, aber im Kern von der Abbildung des Menschen vor der Kamera leben. Das Model ist also mindestens ebenso an der Bildschöpfung beteiligt wie ich. Bei einer Veröffentlichung steht aber normalerweise nur mein Name als Fotograf am Bild, nicht der des Models. Gebe ich die Bilder anschließend an einen Retuscheur, der die Ausarbeitung vornimmt, ist ein Dritter am Werk beteiligt, der ebenfalls erwähnt sein müsste, aber in der Praxis meist ungenannt bleibt.

Komplizierter wird es, wenn Bildelemente hinzukommen, die von anderen Kreativen gestaltet wurden, wie Kleidung, Requisiten, Räume oder Gebäude. Tritt das Model geschminkt vor die Kamera, ist dies oft das Werk einer Visagistin. Auch die Lichtgestaltung fällt in die Kategorie kreative Leistung, die vielfach von „Miturhebern“ ­erbracht wird.
Noch schwieriger wird es, wenn der Foto­graf – wie es bei professionellen Produktionen üblich ist – nur die Idee umsetzt – mithilfe von Assistenten, Visagisten, ­Requisiteuren und Beleuchtern. Spätestens dann fragt man sich: Reicht die Vorstellung vom Bild als Akt der Schöpfung aus oder kommt es auch auf die Umsetzung an? Wer ist im Bild-Credit zu nennen: Der beauftragte Fotograf, der den Auslöser betätigende Assistent oder der Kreativdirektor der Werbeagentur, der sich die Idee hat einfallen lassen?

Noch mehr Komplexität ergibt sich, wenn man auch die kreativen Leistungen der Ingenieure mit einbezieht, die Kameras, Lampen, Objektive, Software und andere foto­grafische Hilfsmittel entwickelt haben. Spätestens dann wird deutlich, dass bei einem Foto im Grunde nicht der Fotografen-Credit als Ausweis der kreativen Leistung ausreicht, sondern eigentlich eher ein umfassender Abspann wie bei einer Filmproduktion nötig ist. Im Sinne des Gesetzes­textes wäre es nur so wirklich korrekt – aber es ist nun mal in der Realität nicht praktikabel. Kein Verleger wollte all das neben jedes Bild drucken und kein Redakteur alle Beteiligten recherchieren und sie einzeln um eine Vervielfältigungserlaubnis bitten.

Man könnte die Sache vereinfachen, indem man vollständig auf Credits verzichtet, wenn die kreative Leistung Dritter im Spiel war. Das wäre für die Fotografen hart, aber für ihre Mitstreiter gerechter. Als technophile Variante in Zeiten des Internets bietet es sich alternativ an, statt eines ­Fotografen-Credits auf eine Projekt-Webseite zu verweisen, die dann den gesamten „Abspann“ enthält. Fairer wäre es auf jeden Fall, und vor allem könnte der Gesetzgeber sich hier ganz viele neue bürokratische ­Aspekte ausdenken, die dann vor jeder Bildveröffentlichung abgearbeitet werden wollen. Schließlich muss man ja die viele Freizeit, die die digitale Revolution der Bilderwelt ihren Erschaffern angeblich gebracht hat, ­irgendwie sinnvoll einsetzen.
Munter bleiben!

Christoph Künnes "Techtalks" finden Sie übrigens in jeder Ausgabe des DOCMA-Magazins auf der letzen Seite.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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