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Die neue E-Klasse

Fuji stellt die X-E5 vor

Mehr als vier Jahre hatte Fuji seine Kunden auf den Nachfolger der X-E4 warten lassen, aber die neue, deutlich aufgewertete X-E5 könnte nun auch diejenigen ansprechen, die wie ich mit der X-E4 gefremdelt hatten. Letzte Woche bekam ich die Gelegenheit, schon Erfahrungen mit der Kamera zu sammeln, bevor sie im August in den Verkauf kommt.

Mit der X-E5 in Hamburgs Hafencity
Die Evolution der X-E-Baureihe von der X-E1 hinten bis zur
X-E5 vorne. (Foto: Fujifilm)

Fujis X-E-Baureihe hat eine lange Geschichte. Die X-E1 kam 2012 als zweites Kameramodell im X-System auf den Markt und war eine preisgünstige Alternative zur ein halbes Jahr älteren X-Pro1. Wie bei dieser hielt sich das Design an die Messsucher-Bauform mit einem linksbündigen Suchereinblick, nur handelte es sich um einen rein elektronischen Sucher – im Gegensatz zum aufwendigeren Hybridsucher der X-Pro1. Der elektronische Sucher am linken Rand gehört bis heute zur DNA der X-E-Baureihe, während sich manches andere mehrfach geändert hat. Die X-E4 brachte 2021 das oft gewünschte verstellbare Display, das sich nach unten und oben kippen ließ – auch um 180 Grad, damit es als Monitor für Selfie-Videos dienen konnte. Viele vermissten allerdings das hintere Einstellrad, das auf Fujis Streichliste gelandet war, ebenso wie der Griffwulst, mit dem man die X-E3 noch sicherer gehalten hatte. Vier Jahre lang konnte man dann nur spekulieren, ob Fuji den mit der X-E4 eingeschlagenen Weg einer Kamera für Vlogger fortsetzen oder die X-E-Baureihe noch einmal neuerfinden würde.

In den letzten Jahren hat sich nicht nur in Fujis Kamera-Portfolio, sondern auch im Kameramarkt insgesamt einiges verändert. Einsteigermodelle zu Preisen unter 1000 Euro, also die Klasse der X-E1 bis X-E4, spielen heute eine geringere Rolle als noch vor einem Jahrzehnt, während der durchschnittliche Preis einer Systemkameras gestiegen ist. Das hat weniger mit der Inflation zu tun als mit der veränderten Rolle von klassischen Kameras, denn die Smartphone-Fotografie hat deren Einsteigerklasse weitgehend obsolet gemacht. Immerhin gibt es mit der X-M5 nun auch bei Fuji wieder ein Modell deutlich unter 1000 Euro, allerdings ohne Sucher, den ein an Smartphones gewöhnter Fotograf wohl nicht vermisst.

Das Gehäuse der X-E5 mit einer gefrästen Aluminium-Oberschale gibt es wahlweise silber oder schwarz eloxiert.

Für eine X-E nach bisherigem Muster war daher kein Platz mehr im Portfolio, aber stattdessen fehlte nun ein Modell im Mittelklassebereich: Es gab zwar die X-T50 im SLR-Formfaktor, doch stand ihr kein Schwestermodell im Messsucher-Formfaktor zur Seite. Obwohl der Verkaufserfolg des X-Systems eigentlich erst mit der X-T1 und X-T10 begonnen hatte, also Modellen mit „Prismenbuckel“, blieben die Anhänger des seitlichen Suchereinblicks eine nicht zu unterschätzende Minderheit, die sich wegen des schleppenden Modellwechsels bei den X-Pro- und X-E-Baureihen lange vernachlässigt fühlen konnte. Die X-E5 macht nun aber fast alles wieder gut.

Wie die meisten X-Modelle dieser Generation hat die X-E5 einen X-Trans-5-Sensor mit 40 Megapixeln; die interne Datenverarbeitung übernimmt der bewährte X-Prozessor 5. Der Schlitzverschluss erlaubt Belichtungszeiten bis 1/4000 s, der elektronische Verschluss bis 1/180.000 s. Das Gehäuse mit einer aus Aluminium gefrästen Oberschale ist 3,6 Millimeter breiter als beim Vorgängermodell und auch tiefer – vor allem dank eines dezenten Griffwulstes, der den Fingern sicheren Halt gibt; die schlanke X-E4 erschien mir allzu flutschig. Die X-E5 misst 124,9 mm × 72,9 mm × 39,1 mm und wiegt betriebsbereit 445 g. Ihr Gehäuse bietet, erstmals in dieser Baureihe, Platz für einen Bildstabilisator, der am Rand um 6 und in der Bildmitte bis zu 7 EV längere Belichtungszeiten erlauben soll. (Fuji gibt die Effektivität des Stabilisators jetzt nach dem neuen CIPA-Standard an, der auch die Stabilisierung von Drehungen um die optische Achse statt nur von Kipp- und Schwenkbewegungen berücksichtigt. Dazu muss man zwischen der Stabilisierungswirkung in der Mitte und am Rand unterscheiden.)

Der Suchereinblick ist deutlich flacher als gewohnt, das Display dagegen wie beim Vorgängermodell nach oben und unten kippbar. Links sind die Einstellung der Dioptrienkorrektur und der AF-Schalter erkennbar. (Foto: Fujifilm)

Der Sucher löst wie bisher 2,36 Millionen Bildpunkte auf und hat eine Vergrößerung von 0,62-fach. Sein Okular springt nicht mehr vor, sondern schließt fast bündig mit der Rückwand ab. Dafür musste das Einstellrad für die Diotrienkorrektur auf die linke Seite des Gehäuses verlegt werden. Das 3-Zoll-Touchdisplay mit 1,04-Millionen Bildpunkten (das der X-E4 hatte 1,62 Millionen) ist wie bisher nach oben und unten kippbar.

Erfreulicherweise hat Fuji das hintere Rändelrad zurückgebracht, und wie das vordere Rad ist es (mit konfigurierbarer Funktion) drückbar. Zur Wahl des AF-Modus dient ein Schiebeschalter an der linken Seite der Kamera. Vorne ist der von der GFX100RF (und der X100-Reihe) bekannte Hebel hinzu gekommen, der standardmäßig zur Umschaltung der Suchermodi, der Wahl des Seitenverhältnisses und der Aktivierung eines Digitalzooms dient. Auch dessen fünf Funktionen (den Hebel kurz oder lang nach links oder rechts kippen oder die zentrale Taste drücken) sind frei konfigurierbar. Im Boden der Kamera versteckt gibt es eine Funktionstaste für die Herstellung einer Bluetooth-Verbindung.

Nicht zurückgekommen ist der Fünf-Wege-Controller, und das aus gutem Grund: Er ist mittlerweile überflüssig. Der alte Controller, den es bei immer weniger X-Modellen gibt, hatte zwei Aufgaben: Zum einen wurde er gebraucht, wenn irgendetwas in zwei Dimensionen verschoben werden sollte; das AF-Messfeld beispielsweise oder die Feinkorrektur des Weißabgleichs. Diese Aufgabe erledigt heutzutage der Mini-Joystick, und er tut es besser: Er kennt acht Richtungen statt nur vier, und wenn man den Daumen darauf legt, kann man ihn in alle Richtungen kippen oder drücken, ohne umzugreifen, wie es ein 5-Wege-Controller erfordert. Daneben konnte man die fünf Tasten des Controllers als frei konfigurierbare Funktionstasten nutzen, aber diese Aufgabe übernimmt nun der Hebel vorne, der ja ebenfalls fünf Funktionen bietet und wiederum mit einem Finger ohne Umgreifen bedient werden kann.

Links vom Blitzschuh verbirgt sich das Filmsimulationsrad, dessen Stellung in einem runden Fenster ablesbar ist. Dank der eingefrästen Kehle in der Oberschale sind alle dedizierten Einstellräder für den linken beziehungsweise rechten Daumen gut zugänglich. (Foto: Fujifilm)

Das kontroverseste Bedienelement neuerer X-Modelle ist das dedizierte Rad zur Wahl einer Filmsimulation, wie Fuji seine proprietären, teilweise nach Filmemulsionen benannten Bildanmutungen nennt. Die einen lieben das Rad und die anderen hassen es, wobei Letztere meist ein anderes Rad an dessen Stelle bevorzugen würden, sei es für den ISO-Wert oder sonst eine Einstellung, die man für wichtiger hält. Mit der Lösung, die Fuji nun für die X-E5 gefunden hat, könnten sich vielleicht beide Fraktionen anfreunden. Das Rad liegt etwas versteckt links vom (wenige Millimeter nach rechts gerückten) Blitzschuh, ist aber aufgrund der in die Oberschale gefrästen Kehle gut zugänglich. Seine Stellung liest man oben in einem kreisrunden Guckloch ab.

Den drei frei konfigurierbaren Positionen auf dem Filmsimulationsrad kann man neben Filmsimulationen auch komplette „Rezepte“ zuweisen. (Illustration: Fujifilm)

Die eigentliche Neuerung liegt in seiner Funktion: Neben einigen häufig gewählten Filmsimulationen gibt es drei frei konfigurierbare Einstellungen, und hier kann man nicht nur weitere drei Filmsimulationen im Menü zuordnen, sondern zusätzlich weitere Einstellungen, die den Bildstil beeinflussen. Fuji spricht von „Rezepten“, womit Zusammenstellungen von Menüeinstellungen wie Filmsimulation, Kontrast, Sättigung, Klarheit und Weißabgleich gemeint sind, die gemeinsam einen bestimmten Look produzieren. Bislang existierten die Rezepte eigentlich nur in den Köpfen der Fotografen – und auf Websites sowie in einer Smartphone-App, über die sie ihre Rezepte austauschten. In den Kameramenüs gab es keine Rezepte, denn schließlich waren es nur irgendwelche Einstellungen, denen jemand einen zusammenfassenden Namen gegeben hatte. Nun macht sich Fuji dieses Konzept selbst zu eigen und unterstützt die Definition von Rezepten, indem sie ihnen Plätze auf dem Filmsimulationsrad freihalten. Die Funktionserweiterung des Filmsimulationsrads ist aber auch dann nützlich, wenn man sich gar nicht für Rezepte interessiert. Wer beispielsweise die Einstellung des Dynamikumfangs im direkten Zugriff haben will, kann die Werte DR100, DR200 und DR400 auf die drei freien Speicherplätze legen und das Rad so zum Dynamikumfangsrad umfunktionieren. Gut möglich daher, dass der verbliebene Widerstand dagegen schwindet und künftig noch mehr Kameramodelle ein solches Rad bekommen werden.

Hinter der Klappe links befindet sich der Batterieschacht für einen Akku des Typs NP-W126S sowie ein SDXC-Steckplatz, der UHS-I- und II unterstützt. Die etwas versteckte Bluetooth-Taste rechts soll an den Filmrückspulknopf einer Kleinbildkamera erinnern. (Foto: Fujifilm)

Manche Fotografen werden sich freuen, dass sämtliche offensichtlichen Hinweise auf Video weggefallen sind. Natürlich kann man mit der X-E5 auch Bewegtbilder aufnehmen, mit Auflösungen zwischen HD und 6,2K, aber es gibt weder einen Schalter für einen Videomodus noch eine markierte Taste für Videoaufnahmen. Noch fotozentrischer kann eine Kamera kaum werden, außer indem man den Videomodus tatsächlich wegließe, was aber unsinnig wäre.

Nachdem die X-E-Reihe mit der X-E5 aufgewertet ist, bleibt die Frage, was im Vergleich zur X-T5 fehlt. Sowohl der Sucher als auch das Display haben eine geringere Auflösung, und der Sucher kann auch beim Bildwinkel (31°) und dem Augenabstand (17,5 mm) nicht ganz mithalten. Letzteres ist wohl unter anderem den knappen Abmessungen und der Bauform der Kamera geschuldet, die relativ wenig Platz für ein größeres Sucherokular lassen. Das Display lässt sich nicht für Hochformataufnahmen nach links klappen, was die Tiefe des Gehäuses vergrößert hätte. Ebenfalls aus Platzgründen bezieht die Kamera ihre Energie aus einem Akku des Typs NP-W126S statt des größeren NP-W235 mit höherer Kapazität. Es gibt auch nur einen einzigen SDXC-Steckplatz, allerdings mit UHS-II-Unterstützung. Von einem Witterungsschutz, mit dem die X-T5 beworben wird, ist hier keine Rede, wobei man berücksichtigen muss, dass Witterungsschutz immer relativ und keine binäre Eigenschaft ist: Einerseits ist keine witterungsgeschützte Kamera deshalb völlig wasserdicht, und andererseits fällt auch ein Modell ohne WR-Kennzeichnung nicht gleich aus, nur weil es mal ein paar Regentropfen abbekommen hat.

Schön flach: Die X-E5 mit dem neuen XF 23 mm F2.8 R WR (Foto: Fujifilm)

Gegenüber den ersten fünf X-E-Modellen liegt das Preisniveau nun deutlich höher. Im August kommt die X-E5 zu einem UVP von 1549 Euro in den Handel, wobei ein relativ hochwertiger geflochtener Umhängegurt (wie in den Bildern oben zu sehen) im Lieferumfang enthalten ist. Ein Kit mit dem neuen Pancake-Weitwinkel XF 23 mm F2.8 R WR soll für 1799 Euro angeboten werden, mit einem Objektiv in der zur Kamera passenden Farbe, also wahlweise silber oder schwarz eloxiert. Das ist zunächst auch der einzige Weg, dieses Objektiv zu erwerben; erst im Dezember wird es auch einzeln für 449 Euro erhältlich sein. (Auch wem es nur um die Kamera geht, könnte zum Kit greifen, das Objektiv gleich wieder verkaufen, damit einen ungeduldigen Pancake-Fan glücklich machen und gleichzeitig den eigenen Kamerakauf refinanzieren.)

Die Rückseite wirkt schlicht und aufgeräumt; der Mini-Joystick, mit dem man unter anderem das AF-Messfeld wählt und durch das Menü navigiert, ist relativ niedrig positioniert; etwas höher wäre er für den Daumen besser erreichbar. (Foto: Fujifilm)

Und mein Fazit? Die X-E4 hatte mich seinerzeit enttäuscht; sie war ganz und gar nicht das, was ich mir von einer X-E erhofft hatte. Die X-E5 dagegen ist nicht nur très chic, sie erfüllt auch viele meiner Wünsche, was ihre Ausstattung betrifft – obwohl ich nach wie vor ein zusätzlich nach links kippbares Display vermisse (wie es die X-T5 hat) und den Mini-Joystick aus ergonomischen Gründen einen Zentimeter nach oben verschoben hätte. Es mag allerdings sein, dass der Platz im Inneren des Gehäuses dort zu beengt gewesen wäre.

Aufnahmen mit der X-E5 zu präsentieren ist im Grunde müßig; mit den gleichen Komponenten wie Sensor und Prozessor macht sie ja keine anderen Bilder als es etwa eine X-H2, X-T5 oder X-T50 könnte. Ich habe auch noch nicht mit dem neuen Pancake-Objektiv fotografiert, von dem zunächst nur ein einziges sehr frühes Vorserienexemplar verfügbar war (das schon länger verfügbare Pancake XF 27 mm F2.8 R WR bleibt übrigens im Sortiment). Trotzdem habe ich Lightroom Classic überredet, einige Fotos zu entwickeln – mit Stand von heute unterstützt Adobe die Kamera noch nicht, weshalb ich der Software Bilder einer X-T5 vorgaukeln musste.

Ein 2-Megapixel-Ausschnitt aus dem 40-Megapixel-Bild oben

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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