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Digitale Gier? Warum Apples AirPods Pro- Universalübersetzer an Europas Grenzen verstummt

Der Traum vom Universalübersetzer, einem digitalen Babel-Fisch im Ohr, ist so alt wie die Science-Fiction selbst. Mit iOS 26 und dem Zusammenspiel der AirPods Pro und einem aktuellen iPhone schien Apple diesen Traum zur Realität zu machen. Doch während die Welt lauscht, wie Sprachbarrieren fallen, herrscht in den Ohren europäischer Anwender eine irritierende Stille. Die Funktion wird uns vorenthalten. Vordergründig schiebt Apple die Schuld auf die EU-Regulierung und inszeniert sich als Hüter unserer Daten. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der edle Schutzwall der Privatsphäre als das, was er bei Apple oft ist: ein hochprofitables Geschäftsmodell und ein strategisches Druckmittel, dessen Preis am Ende Apples europäische Kunden zahlen.

Der Schutzwall als Geschäftsmodell

Apples offizielle Begründung für den europäischen Funktionsstopp der AirPods Pro klingt zunächst plausibel. Der Digital Markets Act (DMA) der EU zwinge den Konzern, seine Systeme für Wettbewerber zu öffnen, was den Datenschutz und die Sicherheit der Nutzer gefährde. Man warnt vor „datenhungrigen“ Unternehmen wie Meta und postuliert, man könne keine Daten preisgeben, die man dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung selbst nicht einsehen könne. Dieses Bild des selbstlosen Datenschützers, der seine Kunden vor den Datenkraken der Konkurrenz bewahrt, hat Apple über Jahre kultiviert und mit teuren Werbekampagnen zementiert.

Doch dieses Image bekommt empfindliche Risse, wenn man genauer hinsieht. Kritiker und Wettbewerbsbehörden werfen Apple schon lange vor, den Datenschutz als „Deckmantel“ zu benutzen, um die eigene Marktposition zu stärken. Das Bundeskartellamt hat erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen Apples App Tracking Transparency (ATT) Framework geäußert. Der Vorwurf: Apple definiere den Begriff „Tracking“ so, dass die eigenen Datensammelaktivitäten innerhalb des riesigen Apple-Ökosystems nicht darunter fallen, während Drittanbieter mit bis zu vier aufeinanderfolgenden Abfragefenstern die Nutzer regelrecht zur Ablehnung drängen. Für die eigenen Dienste gelten diese strengen Regeln nicht, was das Kartellamt als unzulässige Selbstbevorzugung wertet. Auch die französische Datenschutzbehörde CNIL verhängte bereits ein Bußgeld, weil Apple die Werbe-ID seiner Nutzer ohne deren Zustimmung per Voreinstellung nutzte. Das Bild des uneigennützigen Datenschützers verblasst angesichts solcher Praktiken erheblich.

Die Google-Frage: Was in Mountain View geht, scheitert in Cupertino?

Die Behauptung, eine datenschutzkonforme Umsetzung der Live-Übersetzung mit den AirPods Pro sei unter EU-Recht unmöglich, wird vollends absurd, wenn man einen Blick auf die Konkurrenz wirft. Google, ein Konzern, der sein Geld primär mit der Verwertung von Nutzerdaten verdient, bietet mit seinen Pixel Buds seit 2018 eine vergleichbare Funktion problemlos in der Europäischen Union an. Wenn also selbst der sprichwörtliche Bock zum Gärtner werden kann, ohne den gesamten Garten zu verwüsten, warum scheitert der selbsternannte Ober-Gärtner Apple an dieser Aufgabe?

Die Antwort ist ebenso einfach wie entlarvend: Es geht nicht darum, ob es technisch und juristisch möglich ist. Es geht darum, dass Apple nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter von seinem Geschäftsmodell des hermetisch geschlossenen „Walled Garden“ abzuweichen. Jede Öffnung, jede Schnittstelle für Dritte, stellt eine Bedrohung für die totale Kontrolle über das eigene Ökosystem dar – und damit für die exorbitanten Margen, die sich damit erzielen lassen. Im Jahr 2024 hat Apple von den rund 380 Milliarden Euro Gesamtumsatz erwirtschaftet. Der Gewinn liegt etwa bei 116 Milliarden Euro der Summe.


Ein Vergleich für alle, die kein Verhältnis zu solchen Zahlen haben: Allein der Jahresgewinn von Apple entspricht in etwa dem, was, das die deutschen Bundesministerien für Bildung, Verkehr, Wirtschaft und Entwicklung zusammen an Budget im Bundeshaushalt 2024 hatten. 


Googles Android ist von Grund auf ein offeneres System; für Google ist die Koexistenz mit anderen Anbietern Geschäftsalltag. Für Apple ist sie ein Gräuel. Die Live-Übersetzung wird so zum Kollateralschaden eines fundamentalen Konflikts zwischen Apples Kontrollwahn und dem europäischen Wunsch nach fairem Wettbewerb.

Strategisches Schweigen als Waffe

Die Entscheidung, europäischen Kunden eine Schlüsselfunktion vorzuenthalten, ist daher weniger ein Akt der Resignation vor komplexer Bürokratie als vielmehr eine kalkulierte Machtdemonstration. Es ist eine Form des passiv-aggressiven Lobbyismus: Man nimmt die eigenen Kunden in Geiselhaft, um öffentlichen und politischen Druck auf die Regulierungsbehörden auszuüben. Die Botschaft lautet: „Seht her, was eure überzogenen Regeln anrichten. Wenn ihr unsere neuen Spielzeuge wollt, dann lasst uns gefälligst in Ruhe.“

Diese Taktik ist nicht neu. Meta-Manager warfen Apple schon früher vor, das Datenschutz-Argument immer dann „grundlos“ ins Feld zu führen, wenn dem Konzern wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen wird. Die Weigerung, die Funktion anzubieten, ist kein technischer Dialog, sondern strategisches Schweigen. Anstatt mit den EU-Behörden konstruktiv nach einer Lösung zu suchen, die sowohl Innovation als auch Datenschutz gerecht wird, wählt Apple den Weg der Konfrontation auf dem Rücken seiner Nutzer.

Letztlich entlarvt sich Apples Haltung als das, was sie ist: eine zynische Abwägung, bei der die Sicherung der eigenen Marktmacht und die Maximierung des Profits einen höheren Stellenwert genießen als der unmittelbare Nutzwert für die treuen Kunden in Europa. Der angebliche Schutz der Privatsphäre dient hier als bequemer Vorwand, um sich den unliebsamen Regeln eines der (zumindest für Apple, die hier rund ein Viertel ihres Umsatzes machen) wichtigsten Märkte der Welt zu entziehen. Der Universalübersetzer bleibt stumm – nicht, weil die Technik versagt oder die Gesetze es verbieten, sondern weil die Gier nach ungeteilter Kontrolle lauter ist als der Wunsch, Menschen über Sprachgrenzen hinweg zu verbinden.

Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

7 Kommentare

  1. Na ja, Du beklagst da nur eine Seite der Medaille. Die EU verlangt von Apple die Schnittstelle für diese Übersetzungsfunktion zu dokumentieten und vor Veröffentlichung anderen Marktteilnehmern zugänglich zu machen. Welcher normal denkende Unternehmer würde da nicht auch nein sagen.
    Vielmehr wütet die EU-Bürokratie augenscheinend wegen fehlender europäischer Digital Champions mit Bürokratie. Wo sind denn die europäischen Metas, Aliba‘s und Co. Wieso gibt es die hier in der EU nicht?

    1. Also ganz unbegründet ist die Deaktivierung nicht.
      Zur Zeit fehlt mir die Information, wo die Transkription stattfindet, erfolgt diese auf dem IPhone oder in der Cloud. Vermutlich nicht direkt in den Kopfhörern.
      Um das Gespräch zu transkribieren muss also eine Aufnahme erfolgen. Schon die Aufnahme des Gesprächs ist ein Verstoß, wenn der Gesprächspartner nicht einwilligt. Wird jetzt seine Stimme in die Cloud geladen, werden persönliche biometrische Daten, wozu die Stimme zählt, in einer Cloud gespeichert und dann noch von einer KI verarbeitet. hier greift nicht der Digital Service Act sondern auch der EU AI Act, der dies verbietet.
      Jede Speicherung von biometrischen Daten birgt die Gefahr des Trainings, weshalb ich hier sogar froh bin, dass meine Daten bei einem Gespräch in der EU nicht aufgezeichnet werden können. Vielmehr macht mir da Google sorgen.
      Natürlich will Apple Geld verdienen, aber ich bin froh, wenn sich so AI Dienste langsamer und überlegter etablieren.

    2. Ich weiß nicht genau, warum wir solche Unternehmen hier nicht haben, denn die gab es schon lange, bevor die EU sich mit digitalen Rechten und Pflichten befasst hat. Möglicherweise liegt es daran, dass wir in Europa uns lieber beschweren und Kommentare schreiben, statt selbst innovative Firmen zu gründen und das Problem anzugehen?

  2. Doppelt falscher Titel.
    1. der Universal-Übersetzer funktioniert in der Schweiz (und die liegt bekanntlich auch innerhalb Europa).
    2. Es hat nichts mit Apple zu tun, sondern mit der Regulierungswut der EU. Europa hat die Digitalisierung schon längst verschlafen und versucht jetzt mit fragwürdigen Regulierungen noch irgendwie dabei sein zu können.
    Die Welt wird (auch hier) nicht auf Europa und seine Befindlichkeiten warten!

    1. Sorry, ich hatte nicht gewußt, dass die Schweiz an der Grenze Europas beheimatet ist. Aber sie haben natürlich recht: Die EU ist fürchterlich (deswegen ist die Schweiz ja auch nicht Mitglied) und deren Bestimmungen werden uns zurück in die Steinzeit regulieren, wenn wir uns nicht wehren. Glücklicherweise helfen uns die „Magnificent 7“ dabei, das zu vermeiden, indem sie unsere EU-Spielregeln einfach nicht einhalten. Wir sollten uns lieber bedanken statt sie zu kritisieren, oder?

  3. Ich staune immer wieder, wie wenig Selbstbewußtsein unsere Leute in Europa haben.
    Wie bereits weiter oben gesagt, versucht unsere EU saubere Spielregeln für Alle durchzusetzen. Die Schweiz ist übrigens bei vielen Dingen Trittbrett Fahrer und nicht Vorbild.
    Die populäre „Arschkriecherei“ für die US-Amerikaner ist unnötig. Die Amis machen nichts selbstlos; es ist immer für ihren eigenen Profit, und das rücksichtslos.

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