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Yeast Photo Festival im italienischen Salento

Das „Yeast Photo Festival“ bringt vom 25. September bis 9. November 2025 zeitgenössische Fotografie an mehrere Orte im Salento, Teil der italienischen Region Apulien. Die vierte Ausgabe steht unter dem Leitmotiv „(N)ever Enough“ und untersucht den starken Kontrast zwischen dem Überfluss an Lebensmitteln in den Industrienationen und der Nahrungsknappheit, die das Leben vieler Menschen in ärmeren Ländern prägt. Ausstellungen und Programme des Festivals unter der künstlerischen Leitung von Edda Fahrenhorst verteilen sich auf die Orte Matino, Lecce, Gallipoli, Galatina, Castrignano de’ Greci und Supersano.

© Ivor Prickett: War on the Nile – Fragmented Sudan Press

Den Auftakt im Hauptort Matino prägt der Brite Martin Parr als Ehrengast. In seiner Einzelausstellung „Snack It!“ sind mehr als 60 Fotografien zum Thema Konsumgesellschaft und Esskultur zu sehen. Am 26. September spricht Parr öffentlich über Bildsprache und Ironie im Rahmen des Festivalstarts. Bereits seit dem 5. September sind sechs großformatige Parr-Fotografien an der antiken Stadtmauer von Gallipoli ausgestellt.

Das Festivalprogramm verknüpft dokumentarische Positionen, künstlerische Essays und Auftragsarbeiten zu einem thematischen Parcours. Der irische Fotojournalist Ivor Prickett, der 2025 mit dem Team der „New York Times“ den Pulitzer-Preis erhielt, zeigt mit „War on the Nile – Fragmented Sudan“ die Instrumentalisierung von Hunger im Sudan; die Ausstellung entsteht in Partnerschaft mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und hat in Lecce internationale Ausstellungspremiere. Blake Little präsentiert in der Ausstellung „Preservation“ Bilder von in Honig getauchten Körpern. Arthur Mettetal verknüpft in „Taste & Track. Italian-French Meals in Motion“ Züge, Archive und Bordmahlzeiten zu einer europäischen Kulturgeschichte des Unterwegsseins. Dániel Szalai untersucht in „Unleash Your Herd’s Potential“ Viehhaltung mit Gesichtserkennung, bei der Rinder zu „Datenwolken“ werden. Lucas Foglia porträtiert mit „A Natural Order“ autarke Lebensentwürfe abseits der Konsumgesellschaft im Südosten der USA.

Weitere Positionen machen Spannungsfelder zwischen Überfluss und Mangel sichtbar. Klaus Pichler stellt in „One Third“ verschwendete Lebensmittel als Stillleben aus und verweist auf globale Wegwerfmechanismen. Umberto Diecinove untersucht in „I N S C T S“ Insektenzucht als regenerative Praxis; die Arbeit wurde von Eleonora Schianchi kuratiert, Gewinnerin der unter-35-Ausschreibung. Die Künstlerin Hiền Hoàng – ausgezeichnet mit dem „IRINOX SAVE THE FOOD Prize“ in Kooperation mit der MIA Photo Fair und Irinox – verhandelt in „Across the Ocean“ Diaspora und Stereotype anhand von Briefen einer Verwandten, die 1988 in die DDR auswanderte. Sara Lepore verbindet in „Ingrediente pentru un tort de miere cu dragoste“ eine Verwechslung zwischen Liebesbrief und Rezept mit einer Reise nach Rumänien und einer Recherche über familiäre Überlieferungen ohne gemeinsame Sprache. In „Green Resistance“ kodiert Sara Scanderebech den Landschaftsraum als Zeicheninventar und überführt Blätter, Tierhaut oder Körperfragmente in eine visuelle Semantik der Gegenwart; die Arbeit ist ein Festivalauftrag. Melissa Carnemolla dokumentiert in „The Island Within the Island“ die Gewächshauszone im Südosten Siziliens, wo legale und ausbeuterische Strukturen ineinandergreifen. Das Duo Flavio & Frank widmet „Buone Mani“ der Stadt Galatina: Hände als Träger einer fast drei Jahrhunderte alten Backtradition vom „Pasticciotto“ bis zu weiteren lokalen Spezialitäten.

Für jüngere Zielgruppen richtet das Festival in Lecce die Ausstellung „WOW!“ nach dem gleichnamigen Buch von Martin Parr ein. Kuratiert von Jan von Holleben und Edda Fahrenhorst sowie koproduziert mit Artwork und Creation, bündelt „WOW!“ Bildpaare, die kindgerecht kombinieren und Fragen nach Wahrnehmung, Kontext und Bildkompetenz anregen. „WOW!“ gehört zur Kinderbuchreihe „Il Mondo nei Tuoi Occhi“ („Die Welt in deinen Augen“), die OTM Company gemeinsam mit dem französischen Verlag Les Grandes Personnes entwickelt.

Gespräche, Workshops und Führungen ergänzen die Ausstellungen. Am 26. September spricht Martin Parr mit dem Journalisten und Essayisten Riccardo Staglianò über Fotografie, Ironie als kritisches Werkzeug und die Widersprüche des Überflusses. Am 27. und 28. September leitet Paolo Verzone in Matino den Workshop „La velocità della luce“ („Die Geschwindigkeit des Lichts“), organisiert in Zusammenarbeit mit der Scuola della Luce in Barcelona; maximal 15 Personen können teilnehmen. Weitere Gespräche mit Fotografen und Kuratoren sowie geführte Touren sind in Planung.

Wie jedes Jahr bieten die Portfolio-Reviews des Yeast Photo Festivals sowohl Nachwuchs- als auch erfahrenen Fotografen die Gelegenheit, ihre Arbeiten einer internationalen Jury aus hochkarätigen Fachleuten vorzustellen, die über kuratorisches, redaktionelles und fotografisches Fachwissen verfügen.

Kooperationen bestehen mit dem deutschen Fotofestival „horizonte zingst“ und dem Schweizer Fotofestival Lenzburg. „Taste & Track“ entsteht in Zusammenarbeit mit dem Orient Express Endowment Fund und wird erstmals in Italien präsentiert. Zudem wird das festival auf die Orte Galatina und Gallipoli ausgedehnt.

Das Kombiticket für alle Ausstellungen kostet 10 Euro. Gruppen ab zehn zahlenden Personen, Studierende unter 26 Jahren, Besucher über 65 Jahren sowie Begleitpersonen von Menschen mit Behinderung zahlen nur 8 Euro. Schulklassen bekommen Tickets für 3 Euro pro Schüler, inklusive Führung. Freien Eintritt erhalten Kinder unter 14 Jahren, Menschen mit Behinderung und Einwohner von Matino gegen Vorlage eines Ausweises.

Weitere Informationen finden sie auf der Website zum Festival.

Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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