Erst generieren, dann veredeln – Nachbearbeitung KI-generierter Bilder

Das stark beschädigte Gemälde von Giovanni Evanescente aus dem Jahr 1700, das den Landgrafen Carl von Hessen-Cassel bei seinem Besuch in Rom vor dem Pantheon zeigt. Aber nicht nur dieses Bauwerk ist falsch – mit sieben statt acht Säulen –, sondern das ganze Gemälde ist ein KI-Fake. Vor einiger Zeit stellte der Leiter der Alte-Meister-Abteilung der Kasseler Museen ein Gemälde aus dem Jahr 1700 vor, dessen Existenz bisher fast unbekannt war. Doch was hat das mit KI-Bildern und ihrer Veredlung mit Bildbearbeitung zu tun? Nun – Midjourney; Ideogram und Photoshop hatten am Zustandekommen dieses Gemäldes einen erheblichen Anteil. | Doc Baumann Stolz konnte Justus Lange, bei Hessen Kassel Heritage zuständig für die Alten Meister, kürzlich der Öffentlichkeit ein Gemälde präsentieren, von dessen Existenz selbst Fachleute nichts wussten: Ein Porträt, das Landgraf Carl von Hessen-Kassel anlässlich seiner Rom-Reise 1700 von dem Maler Giovanni Evanescente hatte malen lassen. Das Einzige, was an dieser Vorstellung gewisse Zweifel hätte wecken können, war das Datum: der 1. April. Sammlungsleiter und Hessen-Kassel-Heritage-Museumsdirektor Justus Lange stellte das wiederentdeckte Gemälde der Öffentlichkeit vor. Nicht weniger stolz darf ich darauf verweisen, dass ich an dieser Entdeckung einen nicht unerheblichen Anteil hatte. Die Besitzerin, die es auf dem Dachboden eines geerbten Hauses gefunden hatte, hatte Kontakt zu mir aufgenommen, und ich hatte nach langem Suchen schließlich im Reisetagebuch von Carls Begleiter Johann Balthasar Klaute am „1. Tag Martii 1700“ einen Eintrag gefunden (siehe nachfolgende Abbildung). Die Maße stimmten überein. Was für eine Entdeckung! Beweis für die „Echtheit“ war ein „Foto“ der Rückseite; auf dem Zettel ist beschrieben, wer da abgebildet wurde. Leider passt die Handschrift nicht zur Zeit um 1700, zudem ist sie auffällig regelmäßig. Nun, Carl hat diese Reise zwar tatsächlich unternommen, Klaute Jahre später das Tagebuch veröffentlicht. Doch die Auffindungsgeschichte ist ein Fake und wurde nicht zufällig am 1. April der Öffentlichkeit verkündet; das „Gemälde“ hatte ich per KI geschaffen und dann nachbearbeitet, den Text in Anlehnung an die Barocksprache des „Diariums“ selbst erfunden. Museum und Presse waren eingeweiht. Nur mein Wunsch, zu behaupten, das Museum habe dafür 1,3 Millionen Euro bezahlt, wurde als zu heikel abgelehnt – dabei hätte das in Kassel für einen Tag zu so schöner Aufregung führen können. Die Regionalzeitung „Hessische Allgemeine“ berichtete ganzseitig über die Entdeckung – und am nächsten Tag ausführlich über den Fake. Die „Hessische Allgemeine“ widmete der Entdeckung am 1. April eine ganze Seite. Der Kulturredakteur war eingeweiht, am nächsten Tag folgte eine Richtigstellung und der Hinweis auf den KI-Ursprung. Photoshop, übernehmen Sie! KI generiert auf Anforderung höchst beeindruckende Bilder. Die lassen sich durch Prompt-Verfeinerungen dem, was wir als Ergebnis im Kopf haben, zwar weiter annähern, entsprechen dem Gewünschten aber nur selten wirklich vollständig (doch manchmal übertreffen sie es sogar). Spielt man mit KI-Bildgeneratoren nur so zum Spaß herum, reichen die Resultate meistens aus. Soll dagegen etwas ganz Bestimmtes entstehen, geben Anwender entweder nach immer neuen Misserfolgen auf – oder fahren auf der Basis von „Nah dran, aber noch nicht wirklich perfekt“ mit Bildbearbeitung fort. Nach meinen Erfahrungen sollte der erste Arbeitsschritt nach der Formulierung des Prompts darin bestehen, ihn mit verschiedenen KI-Modellen zu testen. Denn wo das eine eher klägliche Ergebnisse ausgibt, kann ein anderes weitaus Überzeugenderes abliefern. Dass etwa Ideogram in der Regel prompt-getreuer reagiert als Midjourney (vergleiche DOCMA 114, Seite 44 ff.), bedeutet nicht, dass das immer der Fall ist; ebenso wenig, dass der Umgang mit hochgeladenen Referenzbildern oder der Wunsch nach einem bestimmten Stil jedes Mal befriedigend ausfällt. Also experimentieren Sie zunächst, welche KI das Beste liefert. Auch wenn Sie sich Ihrem Wunschbild weiter annähern, kann beim nächsten Durchlauf das eine oder andere Element schlechter aussehen als zuvor. Doch das ist kein Grund, nun endlos neue Bilder generieren zu lassen. Nicht nur, weil das teuer werden kann, sondern vor allem, weil es dafür gar keinen Grund gibt. Auch wenn Sie Ihr Bildbearbeitungsprogramm nun vielleicht etwas seltener öffnen, ist es noch lange nicht überflüssig geworden. Laden Sie die brauchbaren Bilder herunter, wählen Sie die Elemente aus, die Ihnen als geeignet erscheinen, und montieren Sie sie. Meist wird das wegen des Stils, der Beleuchtung und so weiter nur mit den Ergebnissen einer KI funktionieren, doch mitunter auch KI-übergreifend. Ist die Montage vollendet und zu einem einheitlichen Bild komponiert, fahren Sie auf dieselbe Weise fort, wie Sie das früher beim Montieren fotografierter Elemente getan haben. Und solche Bestandteile, aus dem eigenen Archiv oder mit Stock-Vorlagen, lassen sich – bei Bildern mit fotografischer Anmutung – auch weiterhin verwenden. Oft werden Sie auch Photoshops »generatives Füllen« für Problembereiche ausprobieren. Und dann alles andere wie Farb- und Helligkeitsanpassungen, Retuschen, Anwendung von Schärfe oder Unschärfe, Strukturüberlagerungen … Am Beispiel des Fake-Gemäldes möchte ich Ihnen in den folgenden Schritten zeigen, wie ich vorgegangen bin. 01 Referenzbilder Zunächst suchte ich passende Porträts des Landgrafen, der, 1654 geboren, zum Zeitpunkt seiner Rom-Reise also Mitte Vierzig war. Erste Versuche mit verschiedenen KI-Modellen ergaben, dass Midjourney die besten Ergebnisse generierte und auch beim Mischen mehrerer Referenzbilder gut abschnitt. Da Carl im Alter etwas fülliger wurde, habe ich ältere Porträts wie die Skulptur rechts höher gewichtet. 02 Midjourney-Generierungen des Porträts Der zusätzlich zu den Referenzbildern formulierte Prompt lautete zunächst: »portrait painting from 1700, middle aged man 45 years of age looklng to the left, baroque style«. Die Auswahl rechts zeigt nur einen kleinen Teil der generierten Ergebnisse nach immr neuen Parameteranpassungen. Auf dem Weg zum schließlich verwendeten Bild (rot gerahmt) verwendete ich als weitere Referenzbilder für Mischungen auch bereits generierte Zwischenstadien (blau gerahmt) und veränderte den Prompt: »detailed realistic painting in the style of the baroque of a 45 years old man with long hair, clothes 1700«. Dass dabei ein Brustharnisch entstand, war nicht beabsichtigt und vorgegeben, erschien mir aber als gute Idee für ein repräsentatives Porträt eines Landgrafen mit militärischen Ambitionen. 03 Ideogram-Generierungen des Pantheons Während Ideogram keine mich überzeugenden Ergebnisse beim Porträt des Landgrafen anzeigte, war es bei der Darstellung eines Barock-Gemäldes des römischen Pantheons umgekehrt: Da war Ideogram weit besser als Midjourney. Ein Referenzbild wurde nicht vorgegeben, da das Bauwerk offenbar im Trainingsmaterial ausreichend oft vorkommt. Mein Prompt hieß: »baroque painting of the pantheon in rome«. Auf den ersten Blick ist das ein hervorragendes Ergebnis, wobei hier lediglich zwei Durchgänge à vier Bildern nötig waren. Schaut man allerdings genauer hin, erkennt man links hinten nicht nur eine venezianische Brücke über einen Kanal, auch die Agrippa gewidmete Inschrift am Giebel stimmt nicht, und vor allem hat der Portikus nur sieben statt acht Säulen. (Doch in der Tat wurde die linke, rötlich gefärbte, erst später ausgetauscht.) 04 Montage Die Montage der beiden KI-Gemälde als erster Schritt bereitet in Photoshop kein Problem: Pantheon auf die Hintergrundebene, das Porträt auf eine darüber, Ebenenmaske anlegen, den Hintergrund des Gemäldes rechts dort mit schwarzen Malstrichen ausblenden. Fertig. Aber auch bei solchen Montageeingriffen holt KI derzeit mächtig auf. So lautete der Prompt für das kleine eingeblendete Bild in ChatGPT: »Führe diese beiden Bilder in einem querformatigen Gemälde kombiniert zusammen. Dabei soll das Pantheon-Gemälde links stehen und das Porträt rechts im Vordergrund«. Das Ergebnis (links) kann sich sehen lassen. Allerdings wurden die beiden Ausgangsbilder nicht nur kombiniert, sondern auch unerwünscht in vielen Details verändert. Das betrifft sowohl Bildelemente wie Farbigkeit. Beeindruckend – aber zu viel Eigenmächtigkeit! 05 Abstimmung der Ebenen Für Anwender ohne Bildbearbeitungserfahrung mag der Einsatz von KI für solche Montagen ein geeigneter Weg sein. Da diese Funktionalität bildgenerativer KI noch ganz neu ist, dürfen wir durchaus erwarten, dass die Interpretationsfreiheit künftig gezügelt und besser gesteuert werden kann. Eine Veränderung des Referenzmaterials ist jedenfalls nicht akzeptabel. Als ich das „Gemälde“ erschuf, war dieses Verfahren allerdings noch gar nicht zugänglich, so dass ich ohnehin bei den vertrauten Arbeitsschritten in Photoshop – mit mehr Flexibilität – bleiben musste. So ließ sich etwa die Hintergrundszene nach Belieben verschieben oder die Ebenenmaske im Bereich der Haare wunschgemäß einmalen. 06 Weitere Nachbearbeitung Im Vergleich zu der Malweise des Porträts war die Ausführung der Hintergrundszene zu detailliert – eigentlich sollte es andersherum sein. Ich ließ daher mit dem Gemälde-Plug-in „Snap Art“ von Exposure die Pantheon-Szene malerisch etwas gröber gestalten und mischte diese Variante halbtransparent mit dem Ursprungsbild. Hinzu kamen zahlreiche kaum erkennbare Eingriffe mit verschiedenen Werkzeugen sowie eine farbliche Abstimmung des Ganzen, wobei ich zum Beispiel durch »Mischen, wenn« helle Bereiche des Porträts ausblendete und so einen pastosen Auftrag von Bleiweiß-Pigmenten für Glanzstellen simulierte. Da kein Porträt von Carl mit Bart überliefert ist, musste ich etwa den von Midjourney hinzugefügten retuschieren. (Aber wer weiß, er wäre ja nicht der Einzige, der sich im Urlaub einen wachsen lässt …) Foto: Hessen Kassel Heritage 07 Vorlage für beschädigtes Gemälde Um das Gemälde sichtbar zu altern, suchte ich in der Datenbank des Gemäldebestands von Hessen Kassel Heritage eines mit deutlich erkennbaren Schäden der Oberfläche, die ich in der Montage als weitere Ebene überlagern wollte. Am besten geeignet erschien mir „Die Frau des Königs Gyges“ des Barockmalers Jacob van Loos mit zahllosen Absprengungen, Rissen und Fehlstellen (hier ein Ausschnitt). 08 Edle Rahmung für lädiertes Kunstwerk Im letzten Schritt fügte ich dieses Gemälde als neue oberste Ebene hinzu und blendete ihre dunklen Bereiche aus. Wie ein Blick auf Abbildung 7 zeigt, lässt das aber nicht nur die schadhaften Stellen übrig, sondern auch die hell gemalte Frau. Diese musste ich also zunächst mit dunkler Farbe übermalen, danach den geschwärzten Bereich mit dem Stempel-Werkzeug aus anderen Bildstellen wieder auffüllen. Hinzu kam auf einer weiteren Ebene darunter eine Abdunkelung des ganzen Bildes, die die entsprechende Auswirkung der Firnisalterung simulierte. Vor Beginn der Arbeiten hatte Museumsdirektor Lange einen unbenutzten Barockrahmen im Depot ausgesucht, an dessen Maßen ich mich orientierte. So geadelt und im Museum unter Glas präsentiert (ohne diesen Schutz hätte die glatte Oberfläche des Ausdrucks nicht überzeugend ausgesehen) wurde die „Wiederentdeckung“ schließlich dem Publikum präsentiert.

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