Noch immer nichts dazugelernt

In dieser Kasseler BMW-Anzeige gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder rutschen die drei Autos gleich nach hinten und zerschellen am Herkules-Monument – oder wie im Film „Inception“ rollt sich die Landschaft im Hintergrund bedrohlich auf und kippt nach vorn. Es ist schon viele Ausgaben her, seit Sie hier zum letzten Mal eine Bildkritik von Doc Baumann gelesen haben. Denn bereits seit der DOCMA-Ausgabe 87 haben wir diese Rubrik auf unsere Website verlagert, um zeitnah auf solche Fehler reagieren zu können. Hier zeigen wir Ihnen die „Highlights“ der vergangenen zwei Jahre. Vielleicht haben einige von Ihnen ja voller Optimismus gedacht, diese Rubrik hätte sich endlich von allein erledigt– einfach deswegen, weil es keine Anlässe mehr gegeben hätte. Aber bedauerlicherweise hat sich wenig gebessert. Noch immer finden oder erhalten wir von aufmerksamen Leser/innen Zusendungen mit abschreckenden Beispielen. Und nach wie vor sind die „beliebtesten“ Fehler solche, die aus der Unkenntnis perspektivischer Darstellungsgesetze folgen. Abgerutscht Und so gehörte denn auch einer der augenfälligsten Fehler in diese Kategorie Bild 1: Die Anzeige eines Kasseler BMW-Händlers, die drei vor dem dortigen Herkules-Monument geparkte abgestellte Fahrzeuge präsentierte. Nun mag ich bei diesem Thema besonders sensibel sein, da ich gerade vor ein paar Monaten einen dicken Bildband mit rund 500 alten Kupferstichen zum Thema „Herkules“ veröffentlicht habe. Aber ich denke, auch ohne diese Voraussetzung ist kaum zu übersehen, dass der Fluchtpunkt von Autos und Parkfläche weit unter dem Horizont der Hintergrundszene liegt. Mit anderen Worten: Gäbe es die hier dargestellte räumliche Situation wirklich, so würden selbst heftig angezogene Handbremsen kaum davor bewahren, dass die beworbenen Fahrzeuge ins Rutschen kämen und unten im Wald zerschellen würden; Bremsklötze wären hier unverzichtbar. Dass derlei nicht nur Bildbearbeitungslehrlingen unterläuft, konnte man kürzlich am Titelbilder einer Veröffentlichung zum 20. Jubiläum eines Kreativstudios sehen, dessen Schöpfer immerhin mal beim DOCMA Award gewonnen hatte. Den Namen wollen wir schamhaft verschweigen. Die grobe Missachtung der Perspektive ist P. K. offenbar nicht aufgefallen, sonst hätte er sein Werk (das mit 156 Seiten immerhin stolze 50 Euro kostet) wohl nicht „Die Schatzkammer – ein Rückblick“ benannt. Ausradiert Große Verwirrung im Mai 2020 nach der Veröffentlichung dieser Karte seiner Einsatzgebiete durch den deutschen Militärischen Abschirmdienst MAD. Ein unsachgemäß eingestellter Photoshop-»Zauberstab« hatte Israel verschwinden lassen. Na ja, wenn man schon „MAD“ heißt .… Ziemlichen Wirbel verursachte im Mai 2020 eine vom deutschen Militärischen Abschirmdienst publizierte Landkarte, auf der – ausgerechnet – der Staat Israel fehlte und Jordanien bis ans Mittelmeer reichte 2. Entdeckt hatte die fehlerhafte Landkarte nach einer Meldung von NITRO Klemens Köhler. In der Folge führte ich lange Gespräche mit dem MAD – und konnte mich davon überzeugen, dass hier in der Tat keine antisemitische Verschwörung aufgedeckt worden war, sondern lediglich eine mit Photoshop wenig vertraute Mitarbeiterin mit den Toleranzeinstellungen des Zauberstabs nicht klargekommen war. Die israelische Presse berichtete zwar, aber dank einer umgehenden und nachvollziehbaren Entschuldigung des MAD-Präsidenten kam es zu keinem politischen Eklat. Fluchtpunkte, Schlagschatten und Spiegelphantasien Bei dieser Gasgrill-Werbung stimmt vieles nicht: Der Schatten des einmontierten Grills ist ziemlich merkwürdig und würde – ungefähr – so aussehen, wenn der Deckel geschlossen wäre. Und der (linke) Fluchtpunkt des Geräts liegt weit unter dem Horizont der Szene (rote Fluchtlinien in der Rekonstruktionsskizze, [4]). Was aber ist mit den völlig „falschen“ Schlagschatten der Stühle hinten, die im rechten Winkel zur Sonneneinstrahlung fallen? Nun – ausgerechnet die stimmen, denn das Licht, das sie verursacht, kommt nicht direkt von der Sonne, sondern von deren Spiegelung in der großen Fensterscheibe; daher auch die merkwürdigen „Schatten“ rechts davon. Die Einsendung der Gasgrill-Montage 3 verdanken wir Peter Bauer. Er war zunächst (visuell) über die merkwürdigen Schatten gestolpert (zumal der offene Grill einen solchen wirft, wie er im geschlossenen Zustand aussähe). Viele der „falschen“ Schatten sind jedoch richtig, da das Sonnenlicht von den Fensterscheiben reflektiert wird. Der einmontierte Grill dagegen ist, wie Bild 4 belegt, mit dem weit unterm Horizont liegenden Fluchtpunkt völlig misslungen. Selbst bei einer solch hochwertigen Architektur-Visualisierung wie der des geplanten Londoner Wolkenkratzers mit Pool auf dem Dach [5]stimmt die Perspektive nicht, wie die Rekonstruktion zeigt [6]. Bei einem Dach könnte man ja immer noch sagen, es sei halt ein wenig schräg – bei einer Wasseroberfläche funktioniert diese Ausrede nicht. Dass der XXXLutz-Stuhl [7] „zur Zeit nicht verfügbar“ ist, sollte einen nicht wundern – erstaunlicher wäre, wenn es ihn überhaupt gäbe. Von schräg unten aufgenommen bei gleichzeitig sichtbarer Spiegelung in der Standfläche, das ist schon beachtlich! Mit Spiegelungen tat sich auch die „Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee“ schwer [8]. Ein schräg aufgenommenes Objekt in Photoshop zu spiegeln – bekanntlich bloßes zweidimensionales Umklappen – stößt da schnell an seine Grenzen. So versinkt die Spiegelung weiter hinten im See, während sie vorn rechts das Schiff überholt. „Richtig“ kann man das auf diesen Weg gar nicht machen, weil das Bildinformationen aus drei Dimensionen brauchte. Immerhin könnte man die falsche Spiegelung zum Beispiel durch Wellenstruktur und -Verzerrung, Deckkraftsenkung und anderes optisch etwas unterdrücken [9]. Horst Fenchel machte uns auf das geplante Londoner Hochhaus mit gekipptem Dach-Pool aufmerksam 5. Von Waltraud Ingerl erhielten wir den sinneverwirrenden Stuhl 7 aus der XXXLutz-Möbelwerbung (kein Wunder, dass er nicht verfügbar ist). Und Christian Herbert Hildebrand schließlich schickte uns einen Prospekt der „Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee“ mit der phantasievollen Reflexion des Ausflugsschiffs 8. Man lernt immer gern aus den Fehlern anderer – über weitere Zusendungen solcher Bilder freuen wir uns.