50 Jahre Digitalfotografie (Teil 4)

2002–2008: DSLR rulez! Obwohl die Digitalkameras der frühen Jahre weit überwiegend Kompaktkameras mit fest verbautem Objektiv waren, gab es von Anfang an den Wunsch, auch bei den bewährten Spiegelreflexkameras den Film durch einen Sensor zu ersetzen. Zur Herstellung der ersten DSLRs in den 1990er Jahren wurden SLR-Gehäuse unterhalb der Einstellscheibe bis auf den Spiegel, den Verschluss und den Autofokus entkernt und dafür ein Sensor und die nötige Elektronik zur Bildverarbeitung und -speicherung eingebaut. Allerdings waren die verfügbaren Sensoren, ebenso wie bei den Kompaktkameras, weit kleiner als das Kleinbild, erfassten also nicht den gewohnten Bildwinkel. Maskierte man die Einstellscheibe des Spiegelreflexsuchers auf die tatsächlich vom Sensor abgebildete Fläche, blieb nur noch ein kleines, schwer zu beurteilendes Sucherbild. Echte Weitwinkelaufnahmen waren damit unmöglich. Dennoch fanden solche Kameras Käufer, insbesondere unter den Sportfotografen, die ohnehin mit langen Brennweiten arbeiteten und für die die schnelle Verfügbarkeit der Bilder wichtiger als deren Qualität war. Populäre Sensorformate der DSLRs, hier am Beispiel von Canon: Vollformat (Kleinbild), APS-H und APS-C (von links nach rechts) Auch die echten, von vornherein für die Digitalfotografie konstruierten DSLRs verwendeten zunächst kleinere Sensoren in Formaten, die man in Anlehnung an die ähnlichen Bildformate des APS-Films als APS-C (um einen Faktor 1,5 oder 1,6 kleiner als das Kleinbild) und APS-H (um einen Faktor 1,2 oder 1,3 kleiner) bezeichnete. Das entsprechend kleinere Mattscheibenbild war dank eines daran angepassten Okulars vergrößert, worunter allerdings die Helligkeit des Suchers litt. Spiegelreflexfotografen hofften weiter auf eine DSLR mit einem Sensor, der das volle Kleinbildformat erfasste, woraus der Begriff des „Vollformats“ entstand. Noch vor der Erfüllung dieses Wunsches kam eine andere Neuerung, die am Ende die gesamte Digitalfotografie auf eine neue technologische Basis stellen sollte. Mit der EOS D30 (2000) setzte Canon erstmals auf einen CMOS-Sensor im APS-C-Format, der 3 Megapixel auflöste. CMOS-Sensoren, die in einem ähnlichen Verfahren wie digitale Speicherchips hergestellt wurden, gab es zwar schon länger. Als billigere Alternative zu CCDs wurden sie aber vorwiegend in Webcams und Spielzeugen eingesetzt, da ihre Bildqualität nicht für ernsthafte fotografische Anwendungen taugte. Canon, einer der wenigen Kamerahersteller, die ihre eigenen Sensoren produzierten, war es jedoch gelungen, das für CMOS-Sensoren bis dahin charakteristische starke Rauschen in den Griff zu bekommen. Gleichwohl schien die CMOS-Technologie gegenüber CCDs noch keinen Vorteil zu bieten, was sich erst Jahre später änderte, als Sensorhersteller immer weitere Schaltkreise auf dem Sensorchip integrierten. Zudem hatten sie weiterhin einen Nachteil: Mit der überwiegend genutzten Interline-Transfer-Variante der CCDs ließ sich ein globaler elektronischer Verschluss realisieren – „elektronisch“, weil die Belichtung ohne bewegliche Teile rein elektronisch gesteuert wurde, und „global“, weil alle Sensorpixel gleichzeitig belichtet wurden. Einige Kompaktkameras erreichten so Verschlusszeiten von beispielsweise 1/16000 Sekunde, wobei sogar noch eine Blitzsynchronisation möglich war. Auch bei CMOS-Sensoren konnte man die Belichtung rein elektronisch steuern, aber nur mit einem „Rolling Shutter“, bei dem die Sensorpixel Zeile für Zeile zeitversetzt belichtet wurden – viel langsamer als bei einem Schlitzverschluss, was zu Verzerrungen bewegter Motive führte. Ein globaler elektronischer Verschluss auf CMOS-Basis muss auch heute noch mit Kompromissen bei der Bildqualität erkauft werden. Die Canon EOS-1Ds (2002) brachte das lange vermisste Vollformat (also Kleinbildformat) in die professionelle Digitalfotografie. Die Canon EOS D30 (2000) war die erste für professionelle Anwendungen entwickelte DSLR mit einem CMOS-Sensor. 2002 kamen endlich die ersten Vollformat-DSLRs auf den Markt. Neben der Canon EOS-1Ds mit 11 Megapixeln in CMOS-Technologie stellte Kodakt die DCS Pro 14n auf Basis eines analogen SLR-Gehäuses von Nikon vor, deren CCD sogar 14 Megapixel auflöste. Die Contax N Digital mit einem 6-Megapixel-CCD wurde von verschiedenen Problemen geplagt und verschwand bald wieder vom Markt, während sich Canons Modell trotz der geforderten 10000 Euro behaupten konnte. Erst 2007 schaffte es Nikon, mit der D3 als ihrem ersten Vollformatmodell mit Canon gleichzuziehen. Auch Nikon setzte inzwischen auf einen CMOS-Sensor, der 12 Megapixel auflöste. Die wachsende Zahl der Vollformatkameras führte nun allerdings nicht zum Verschwinden der APS-C-Modelle. Waren sie ursprünglich eine durch das Fehlen größerer Sensoren erzwungene Kompromisslösung gewesen, blieb diese Kameraklasse weiterhin erfolgreich. Die APS-C-Kameras konnten kürzere Brennweiten nutzen, was die Ausrüstung verkleinerte, und waren zudem deutlich erschwinglicher. 2003 kam mit der Canon EOS 300D für rund 1100 Euro die erste DSLR auf den Markt, die in der finanziellen Reichweite vieler Amateure lag. Ihr CMOS-Sensor mit 6 Megapixeln entsprach dem des Profimodells EOS 60D und lieferte eine vergleichbare Bildqualität, aber ihre Firmware blockierte einige Features, die erst findige Hacker nachträglich freischalteten. Nikon war dann mit der D70 (2004) zum gleichen Preis sehr erfolgreich, die ohne eine künstliche Verknappung von Funktionen auskam. Die Pentax ist DS für rund 900 Euro war 2004 die preisgünstigste DSLR; sie hatte einen APS-C-Sensor mit 6 Megapixeln. Pentax brachte im selben Jahr die *ist DS heraus, die nur noch 900 Euro kostete. Nachdem die Preise für DSLRs mit APS-C-Sensor auch in den Jahren darauf stetig sanken, entwickelte sich APS-C für etliche Jahre zum dominierenden Format im DSLR-Segment. Die teureren Profimodelle verwendeten Vollformat-, also Kleinbildsensoren, oder, insbesondere für Anwendungen in der Sportfotografie, solche im APS-H-Format. Olympus führte 2003 sein FourThirds-System und damit ein völlig neues, relativ kleines Sensorformat ein. Zu diesen etablierten Formaten trat 2003 noch ein Weiteres: FourThirds. Olympus hatte sich nach dem Ende seines analogen OM-Systems dazu entschieden, mit digitalen Modellen erneut in den SLR-Markt einzusteigen. Da eine Kompatibilität mit dem früheren, technisch veralteten System nicht zur Debatte stand, war man frei, mit den Konventionen zu brechen und ein nach selbst gesetzten Kriterien optimales Sensorformat zu wählen. Dies war das FourThirds-Format mit einer Diagonalen von 22,3 Millimetern, halb so groß wie die des Kleinbilds und auch noch kleiner als APS-C. Die dahinter stehende Überlegung, dass der Bajonettdurchmesser eines Kamerasystems deutlich größer als die Bilddiagonale (oder umgekehrt der Sensor deutlich kleiner als das Bajonett) sein sollte, hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt, auch wenn sie kein anderer Hersteller so radikal wie Olympus umgesetzt hat. Das FourThirds-Format überlebt bis heute im spiegellosen Micro-Four-Thirds-System, aber auch dort in einer weniger extremen Form. DSLRs besaßen zwar von Anfang an ein Display, das neben der Menüsteuerung zur Kontrolle der Bilder nach der Aufnahme diente, konnten aber im Gegensatz zu den Kompaktkameras kein Livebild anzeigen und so den Sucher ergänzen. Der Rückschwingspiegel gab dem Licht ja nur zur Belichtung kurzzeitig den Weg zum Sensor frei. Eine Livebild-Anzeige bei hochgeklapptem Spiegel kam zwar ab 2004 als Option hinzu, aber da dann nicht nur der Spiegelreflexsucher dunkel blieb, sondern auch der AF-Sensor kein Licht mehr bekam, spielte diese Betriebsart nur eine Nebenrolle. Das sollte sich erst mit einer völlig neuen Art von Systemkamera ändern. Der Spiegelreflexmarkt war in den letzten Jahren rückläufig und sie meisten Hersteller haben die Weiterentwicklung ihrer Systeme aufgegeben. Nur Ricoh pflegt noch seine Pentax-Marke mit jeweils einer Kleinbild- und APS-C-Kamera.