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Apodisation – ein neuer Trend?

Mitten im neuen Sony FE 100 mm F2,8 STF GM OSS (SEL100F28GM) befindet sich ein sogenanntes „Apodisationselement“, das das Bokeh des Objektivs verbessern soll. Was steckt hinter der Methode der Apodisation und was ist aus den Objektiven von ehedem geworden, die auch ohne solche Hilfsmittel ein cremiges Bokeh erzeugt hatten?

Apodisation – ein neuer Trend?
Das Apodisationselement (hier blau dargestellt) im Sony FE 100 mm F2,8i STF GM OSS sitzt in der Blendenebene. (Quelle: Sony)

Der japanische Begriff „Bokeh“ steht für geistige Verwirrung und Demenz, im Kontext der Fotografie aber für die besondere Art der Unschärfe, mit der ein Objektiv die Motive vor oder hinter der Schärfenzone abbildet. Es geht also nicht darum, wie groß die Unschärfe ist, sondern um ihre Qualität. Eine weiche, wolkige Unschärfe gilt als gutes, angenehmes Bokeh, während man eine unruhige Unschärfe mit Doppelkonturen entlang länglicher Objekte als schlechtes Bokeh ansieht. Das Bokeh eines Objektivs lässt sich am besten anhand von Unschärfekreisen erkennen, wie sie durch helle Reflexe im unscharfen Bereich des Bildes entstehen. Verschwommene Unschärfekreise zeigen ein gutes Bokeh an, Kreise mit einem hellen Rand dagegen ein schlechtes Bokeh. Scheiben einheitlicher Helligkeit versprechen ein neutrales Bokeh.

Der klassische Weg zu einem Objektiv mit gutem Bokeh führt über eine unterkorrigierte sphärische Aberration. Das bedeutet, dass Lichtstrahlen, die auf den Rand der Frontlinse fallen, einen etwas anderen Brennpunkt als Lichtstrahlen haben, die nahe der Linsenmitte auftreffen. Das scharfe Bild wird dann von unscharfen Bildern überlagert, was einer leichten Weichzeichnung in der Schärfenzone entspricht. Dafür ist das Bokeh im unscharfen Hintergrund sehr weich – im unscharfen Vordergrund zeigt sich zwar ein schlechtes Bokeh, was aber für die Mehrzahl der Bilder keine Rolle spielt.

Moderne Objektivrechnungen sind generell auf eine knackige Schärfe getrimmt, die durch eine leichte Überkorrektur der sphärischen Aberration erreicht wird. Der Nachteil der großen Schärfe in der Schärfenzone ist allerdings ein weniger schönes Hintergrundbokeh, erkennbar am hellen Rand der Unschärfekreise. Das gute Vordergrundbokeh solcher Objektive kann dies nicht ausgleichen.

Apodisation – ein neuer Trend?
Das Fujinon XF56mm F1.2 R APD war das erste Objektiv mit Apodisationsfilter und Autofokus. (Quelle: Fujifilm)

Die Idee der Apodisation beruht nun darauf, das Bokeh eines überkorrigierten Objektivs so zu formen, dass verschwommene Unschärfekreise und ein cremiges Bokeh entstehen – und zwar im Vorder- wie im Hintergrund. Die Entstehung des unscharfen Bildes kann man sich so vorstellen, dass sich ungezählte Unschärfekreise überlagern – es ist so, als würde man das Bild mit einem dicken Pinsel auf eine Leinwand tupfen, wobei die Form des Pinsels der Blendenöffnung entspricht. Ein verschwommener Unschärfekreis und damit ein weicher „Pinsel“ lässt sich nun ganz einfach dadurch erzeugen, dass man ein Verlaufsfilter in die Blendenebene des Objektivs setzt, das in der Mitte durchsichtig ist und zum Rand hin immer dunkler wird. Dieses Filter ist das sogenannte Apodisationselement. Vor zwei Jahren hatte Fuji erstmals ein so modifiziertes Objektiv vorgestellt, das sich auch automatisch fokussieren ließ. Nur eine Phasendetektion war mit diesem Fujinon XF56mm F1.2 R APD nicht möglich; im Gegensatz zu seinem Pendant XF56mm F1.2 R ohne Apodisationselement unterstützte es nur einen Autofokus nach dem Kontrastvergleichsverfahren. Das Sony FE 100 mm F2,8i STF GM OSS soll nun auch einen AF mit Phasendetektion ermöglichen.

Apodisation: Objektive von Fuji und Sony

Generell sind Objektive mit Apodisationselement etwas weniger lichtstark, da das Verlaufsfilter am Rand der Blendenöffnung Licht schluckt – es dringt weniger Licht durch, als die nominelle Lichtstärke angibt. Erst wenn man abblendet, verschwindet dieser Nachteil – aber damit auch das weiche Bokeh. Ein optionales Einschwenken des Filters in den Strahlengang ist bislang nicht möglich. Die Brennweiten der Apodisationsobjektive von Fuji (umgerechnet 84 mm) und Sony (100 mm) prädestinieren sie für die Porträtfotografie, und Porträts mit geringer Schärfentiefe sind auch die klassische Motivkategorie, die von einem weichen Hintergrundbokeh profitiert. Diesen Effekt lassen sich beide Hersteller teuer bezahlen; das Sony FE 100 mm F2,8i STF GM OSS kostet 1849 Euro, das Fujinon XF56mm F1.2 R APD 1299 Euro. Dafür bieten sie das Beste zweier Welten – knackige Schärfe in der Schärfenzone, aber gleichzeitig ein sehr angenehmes Bokeh im unscharfen Bereich davor und dahinter.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Eine sehr gute Erklärung.
    So sehr ich die Bildqualität, damit meine ich die Auflösung und die Schärfe moderner Kamerasysteme, schätze, verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass man, auch aus Gründen welche die Physik beschreibt, jede einzelne getroffene Maßnahme durch andere Maßnahmen wieder etwas korrigieren muss.
    Das alles beginnt damit, dass wegen der Beugung des Lichts Korrekturen nötig sind. Die Anzahl der Linsen und damit das Gewicht von modernen Objektiven beweist es ja. Meine Zeiss Ikarex samt 3 Wechselobjektiven erreichte gerade mal des Gewicht einer 1DXII. Ohne Objektiv. Und was dann bei modernen Kameras selbst bei Raw-Fotos schon die Firmware macht, kann man ja von Modell zu Modell und sogar bei jedem Firmwareupdate miterleben.
    Der Vergleich der Bildqualität von Fotos der ersten EOS 5D oder gar der Kodak mit CANON/Nikon-Bajonett mit heutigen 5DSR oder A7RIII ist erstaunlich. Und das, obwohl Sensoren zwar weiterentwickelt, jedoch keine neue, bahnbrechende Technologie erfunden wurde.

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