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Techtalk: Trends 2011

Das erste Quartal des jungen Jahres ist ein prima Zeitpunkt, um sich Gedanken über die aktuellen technischen Entwicklungen zu ­machen. Christoph Künne trennt für Sie die Spreu vom Weizen.

Das erste Quartal des jungen Jahres ist ein prima Zeitpunkt, um sich Gedanken über die aktuellen technischen Entwicklungen zu ­machen. Christoph Künne trennt für Sie die Spreu vom Weizen.
Jede Branche hat ihre Moden. Regelmäßig wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, damit alle etwas zum Darüberreden haben und einen Grund, die Geldbörse zu zücken, um sich auf den vermeintlich neuesten Stand zu bringen.
Auch Bildermacher sind solchen Moden unterworfen. Wir sind dabei Konsumenten und Produzenten gleichermaßen, deshalb trennen wir die Moden in zwei Bereiche: die technischen und die ästhetischen.
Technik
Der nächste große Hype ist Handybildbearbeitung für den ambitionierten Fotografen. Schon länger sind die Kameras in den kleinen Begleitern von der Auflösung her so gut, dass man zumindest für alle dokumentarischen Bilder und selbst für Web­reportagen oder Kleinkunst im Polaroid-Format nichts anders mehr braucht.
Was jetzt boomt, sind Apps zum Bildbearbeiten. Adobe hat Photoshop längst, aber etwas halbherzig, aufs Telefon portiert. Um genau zu sein, die Photoshop-Phone-App ist grenzenlos langweilig, wenn man sie mit spacigen Anwendungen wie Hipstamatic, Lo-Mob oder Plasticbullet vergleicht. Die verwandeln alltägliche Schnappschüsse auf Knopfdruck in Eye-Candy im Lomo-Stil. Als wäre das nicht allein schon sensationell, kann man die Resultate dieses Zeitvertreibs beim U-Bahnfahren nur einen Klick weiter seinen Freunden im Web zeigen.
Schon 2010 stand im Zeichen kleiner Systemkameras mit HD-Videofunktion. Da diese den Amateurmarkt revolutioniert haben, wird sich an dem Trend auch in 2011 nichts ändern. Marktdurchdringung braucht Zeit. Alle Hersteller haben jetzt die zweite Gerätegeneration am Markt und damit ausgereifte Produkte, für die man viel Zubehör kaufen kann und muss.
Alle Hersteller? Nein. Interessant ist, wer bei dem Trend nicht mitmacht: Die beiden Markführer des DSLR-Segments, Canon und Nikon. Vielleicht haben sie einfach Angst, ihre eigenen Produkte zu kannibalisieren. Oder sie basteln im Stillen an noch trendigeren Trends für 2012.  Glaubt man den Marketingverantwortlichen ­führender Unterhaltungsunternehmen, stehen wir noch 2011 vor einer großen Wende in Richtung 3D. Die Argumentationskette ist so kurz wie einleuchtend: Weil der 3D-Film ?Avatar? ein so großer Kinoerfolg war, wollen jetzt alle Konsumenten 3D-Geräte haben, nur noch 3D-Medien konsumieren und auch gleich noch ihre eigene visuelle Medienproduktion auf 3D umstellen.
Obwohl mich der Film nicht so vom Hocker gehauen hat, finde ich das einleuchtend. Besonders, weil wir uns jetzt schon alle 3D-Fernseher, 3D-Videokameras, 3D-Drucker und ? zum Aufrüsten älterer Kameras ? 3D-Objektive kaufen können. Da ist 3D-Medien ? wie 3D-Fotos und 3D-Filme ? selber machen ganz wichtig, denn vorproduzierte 3D-Inhalte gibt es kaum. Aber später, in ein, zwei oder drei Gerätegenerationen, werden alle Bilder viel tiefer und schöner sein. Besonders dann, wenn man zum Betrachten nicht mehr auf diese klobigen Spezialbrillen angewiesen ist.
Ästhetik
Die ästhetische Trends stehen oft in direktem Zusammenhang mit neu verfügbaren Techniken. Früher ließ sich das gut an der Werbung ablesen. Gab es neue Plug-ins oder eine neue Photoshop-Version, konnte man den Einsatz ihrer neuen Funktionen drei Monate später auf vielen Werbeplakaten für andere Produkte bewundern. Die sahen dann komischerweise alle ein bisschen ähnlich aus, aber es war schon wieder ein Trend geboren.
Die oben beschriebenen Techniktrends ziehen zwangsläufig eine Reihe von Veränderungen nach sich. Allerdings dauert das oft länger, als man zunächst meint.
So dürfte es langsam an der Zeit sein, dass man neue Erzählformen, die schon mit der Verfügbarkeit videotauglicher DSLR-Kameras (ein Trend von 2009) möglich wurden, auch als Konsument zu Gesicht bekommt. Ich hatte das eigentlich schon für 2010 erwartet, aber vielleicht braucht man ja so lange für den Schnitt oder um sich als Fotograf in die Bewegtbild-Erzählsprache ­einzuarbeiten.
Ein solch unerwarteter Sprung ins kalte Wasser könnte auch den prognostizierten Erfolg von 3D-Fotos und -Videos bremsen. Zudem muss man auch noch etwas finden, was sich mit den Techniken besser erzählen lässt als ohne. Avatar gehörte übrigens nicht unbedingt dazu. Ich kannte die Geschichte schon lange ? wenn auch etwas abgewandelt ? mit Cowboys und Indianern.
In jedem Fall werden ­nachbearbeitete Handyfotos ästhetisch ihre Duftmarken setzen. Sicherlich nicht, weil sie große Kunst sind. Eher, weil sie sich in so großen Mengen während der vielen kleinen Leerlaufmomente des Alltags erzeugen und ins Netz stellen lassen. Munter ­bleiben!
Weitere Artikel von Christoph Künne finden Sie in DOCMA 39 (2-2011). Sie können das Heft direkt bei uns im Webshop bestellen.
Das Inhaltsverzeichnis und die Arbeitsmaterialien zu den Workshops im Heft finden Sie hier.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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