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Obamas Geburtsurkunde gefälscht?

Erweist sich die von der US-Regierung ins Web gestellte Geburtsurkunde Obamas als Bumerang, weil sie sich leicht als Fälschung entlarven lässt? Wir haben uns die fragliche Datei genauer angeschaut.

Die PDF-Datei mit der Geburtsurkunde des US-Präsi­denten Barack Obama lässt sich seit einiger Zeit von der Webseite der US-Regierung herunterladen. Um ganz sicher zu gehen, dass man nicht auf einer rechtsradikalen Website mit nachträglich selbst erzeugter Fälschung landet, kann man vorsichtshalber  auch nur den  ersten Teil der Adresse eingeben: http://www.whitehouse.gov und dann in die Suchmaske „birth certificate“ tippen. Man landet dann auf derselben Seite, die das links wiedergegebene Formular zeigt.
Seit der Kandidatur von Barack Obama versuchen rechte Gegner zu beweisen, dass er für dieses Amt nicht in Frage komme, da er gar kein gebürtiger US-Amerikaner sei. Um diese Diskussion endgültig zu beenden, hat die US-Regierung im April eine gescannte Wiedergabe seiner Geburtsurkunde auf ihrer Webseite zugänglich gemacht. Doch statt ein für allemal für eine Klärung zu sorgen, bewirkte die zum Download bereitstehende PDF-Datei genau das Gegenteil:
Verschwörungstheoretikern mit Bildbearbeitungskenntnissen fielen seltsame Stellen in dem Formular auf. In der Tat, öffnet man das PDF in Illustrator, so zeigt sich, dass es aus fast 20 Ebenen besteht. Mal befindet sich dort ein ganzes Wort, manchmal sind es nur einzelne Buchstaben. Einige dieser Textschnipsel sind voll deckend, andere erscheinen halb transparent.
Sie können das mit der heruntergeladenen PDF-Datei leicht selbst ausprobieren. Klicken Sie in Illustrators Ebenen­palette alle Gruppen bis auf die unterste weg, bleibt nur das fast leere Formular mit vereinzelten Buchstaben und Unterschriften.
Damit ist die Fälschung wohl bewiesen. Wie konnten die Profis der US-Regierung nur so dilettantisch vorgehen und ihren Kritikern die gefälschte Datei samt allen verwendeten Ebenen überlassen? Auf die neu entfachte Diskussion hat uns unser Leser Rolf Hildner aufmerksam gemacht. Er schreibt dazu:
„Der gepostete ,Adobe Illustrator Proof‘ ist vermutlich kein Beweis. Die multiplen Ebenen sind höchstwahrscheinlich ein Algorith­mus der Scan/OCR-Software, mit der die Urkunde eingescannt worden ist. Das bedeutet: Die Software erkennt Buchstaben und speichert sie als separate Elemente mit einer 1 Bit-Pixeltiefe (das verbraucht weniger Speicher). Alle anderen Elemente werden mit einer höheren Pixeltiefe gespeichert (verbraucht mehr Speicher).
Deshalb sehen alle Buchstaben auf der Obama-Urkunde so aus, als ob sie jemand nachträglich reingemalt hätte. Die Linien und andere Artefakte sind verwischt mit Anti­aliasing-Pixeln, wie man es bei einem normalem Scan erwarten würde.“
Wir haben uns die Datei näher angeschaut. Zunächst fällt dem erfahrenen Bildfälscher auf: Wieso macht jemand das in Illustrator und nicht in Photoshop? Wieso ist er dann noch so blöd, alle Ebenen zu bewahren? Und warum kein einfaches JPEG? Scannen Sie ein Formular und sichern es dann als PDF, so gibt es keine Ebenen mit seltsamen Buchstabengruppen. Dennoch sind diese Illustrator-Ebenen kein Hinweis auf eine Fälschung. Um mehrseitige Dokumente zu scannen, verwenden Behörden oft Acrobat (Datei??>??PDF erstellen?>?Über den Scanner …“). Das Ergebnis ist – aus den von Rolf Hildner genannten Gründen –  bei aktivierter OCR-Option kleiner als eine JPEG-Datei.
Schauen Sie sich zum Vergleich das JPEG oben links an und das PDF rechts daneben: „Auf Seite“ in der ersten Zeile wurde rechts in Text verwandelt, ebenso „des Reisepasses“ oder das W in „Wohnort“. Auch dieses PDF zeigt in Illustrator einen Ebenen-Aufbau (unten links); blendet man diese Ebenen aus, ist der größte Teil des Textes verschwunden.
So führt also schlichte Unkenntnis, gepaart mit rassistischen Vorurteilen, dazu, dass die Leser von Millionen Web-Einträgen nun davon überzeugt sind, Obamas Geburtsurkunde sei eine Fälschung und clevere Bildbearbeitungs-Profis hätten das entlarvt.
Öffnen Sie das von der Regierungs-Website heruntergeladene PDF in Illustrator und schauen sich dort die Ebenenpalette an, so finden Sie zahlreiche Ebenengruppen mit Untereinträgen. Mal sind das ein paar Buchstaben, mal ganze Wörter.
Klicken Sie nach und nach alle Ebenen mit Ausnahme der untersten Gruppe weg, so bleibt ein fast leeres Formular übrig. Ist das der Beweis dafür, dass nahezu der komplette Text nachträglich in Illustrator ergänzt und dabei alter überschrieben wurde? Aber welcher Fälscher würde dafür dieses Programm einsetzen? Und dann am Ende noch vergessen, alle Ebenen auf eine zusammenzufassen?

Verfügen Sie über Acrobat, so versuchen Sie selbst einmal, seine Scan-Funktion beim Digitalisieren eines ausgefüllten Formulars einzusetzen. Hier ist das ein alter Reisepass. Das mit aktivierter OCR entstehende, in Illustrator geöffnete PDF ist auch in diesem Fall aus zahlreichen Ebenen aufgebaut. Blenden Sie in der Palette alle Ebenengruppe mit Ausnahme der untersten aus, so verschwindet ein großer Teil des Textes, und sogar der Hintergrund wird an diesen Stellen automatisch rekonstruiert.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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