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Bildkritik: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bildbearbeiter

Was von den Vorher-Nachher-Fotovergleichen in der Antifalten- oder Abnehm-Werbung zu halten ist, wissen Bildbearbeiter besser als andere. Auf der Website „Apotheken Gesundheit“  hat Jo Steinmetz jetzt ein besonders dreistes Beispiel entdeckt. Heißt es dort zunächst noch unter dem Vergleichsbild: „Anwendung nach wenigen Wochen“, so liest man weit unten nach langem Scrollen in Winzigschrift „Resultate können von Person zu Person variieren. Abbildung Person nachempfunden“. Doc Baumann hat näher hingeschaut.

Bildkritik: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bildbearbeiter
So kann’s enden, wenn man Bildbearbeitung zu kräftig einsetzt, um störende Elemente zu entfernen.
Foto: Pexels Skitterphoto / Montage: Doc Baumann

„Sie hatten ja schon in Ihrer Rubrik mit dem Beitrag ,Haut drauf‘ ausführlich darüber berichtet“, schrieb Jo Steinmetz. „Anscheinend hat dieser Fake Methode. Hier mal wieder ein Wunderprodukt in der ,Apotheken Gesundheit‘. Und abermals hat man sich keine Mühe gemacht, ein Zweitfoto anzufertigen und somit wieder das Vorher-Bild ein wenig gephotoshoppt und als Nachher-Bild deklariert. Im wahrsten Sinne augenscheinlich!

Aber: im Kleingedruckten dann u.a. der Hinweis: »Dies ist eine Werbung und nicht ein aktueller Nachrichtenartikel, Blog oder Verbraucherschutz update die Geschichte auf dieser Website dargestellt und die Person in der Geschichte dargestellt sind keine tatsächlichen Nachrichten. Vielmehr basiert diese Geschichte auf den Ergebnissen, die einige Leute, die diese Produkte verwendet haben, erreicht haben. Die Ergebnisse, die in der Geschichte und in den Kommentaren dargestellt werden, sind illustrativ und möglicherweise nicht die Ergebnisse, die Sie mit diesen Produkten erzielen. …«“

Kurzum: Kann, muss aber nicht stimmen!“

Bildkritik: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bildbearbeiter
Der angebliche Vorher-Nachher-Vergleich der Antifaltencreme mit ein und demselben, rechts nachbearbeiteten Foto

Zunächst einmal muss man feststellen, dass der erste zitierte Satz überhaupt keinen Sinn ergibt und grammatisch völlig danebenliegt, und der zweite ist auch nicht viel besser. Klingt wie mit dem Google-Übersetzer aus dem Lateinischen übersetzt.

Nehmen wir aber mal die Grammatik ernst, so gibt alles plötzlich wundersam einen Sinn. Denn so wie etwa „Bergarbeiter-Krankheit“ eine Krankheit ist, die bevorzugt Bergarbeiter befällt, dient „Apotheken Gesundheit“ der Gesundheit der Apotheken.

Alles klar? Es spielt keine große Rolle, ob die nur beim Hersteller oder in der Apotheke erhältliche Creme den Anwenderinnen nutzt und ihre Falten verschwinden lässt – wichtig ist, dass sie zur finanziellen Gesundheit der Apotheken beiträgt.

Allerdings scheinen die Seitenbetreiber auch den Apotheker-Kolleginnen nicht so recht zu trauen, weswegen sie am Ende den rot gedruckten Hinweis ergänzen: „Um sicherzustellen das Originalprodukt zu erwerben empfehlen wir generell den Kauf direkt beim Hersteller“. Mit Kommas haben die’s so wenig wie mit der visuellen Authentizität …

Und nicht nur mit der visuellen. Die Überschrift der Seite lautet „Ein Hausmittel hilft – Forscher entdecken eine überraschende Wirkung von Jasmin“. Wenn es ein Hausmittel ist, heißt das, dass seine Wirkung schon der Uroma vertraut war. Was gibt’s da für die Forscher noch zu entdecken?

Ja gut, der Faktor Zeit wird nicht ausdrücklich erwähnt. Man könnte ja auch schreiben „Die Erde dreht sich um die Sonne – Forscher entdecken sensationelle Neuigkeit“. Aber die Präsens-Form des „entdecken“ spricht doch eher für ein aktuelles Ereignis. Sie entdecken also ein altes Hausmittel …

Hausmittel zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, recht preisgünstig zu sein – Kamillentee, Brennnesseln usw. Die hausgemittelte Antifaltencreme ist zugegebenermaßen auf der verlinkten Seite auch deutlich billiger „geworden“. Sie kostet jetzt statt 100,00 Euro nur noch 69,90, ein echtes Schnäpschen, äh, Schnäppchen! Denn das ist der Preis für Unmengen davon – genauer: 100 ml, also ganze fünf Schnapsgläser voll.

Wenden wir uns der Relativierung im Kleinstgedruckten zu: „Resultate können von Person zu Person variieren. Abbildung Person nachempfunden“. Dagegen lässt sich nichts sagen, das ist eindeutig so. Lädt man etwa zu einem fairen Wettbewerb ein, mit gleichen Chancen für alle, etwa das Ersteigen eines Baumes bis zu einer Markierung in fünf Meter Höhe, kann es durchaus sein, dass ein geübter Freeclimber schneller oben ist als mein beinamputierter Schulfreund Georg. Wie gesagt: „Resultate können von Person zu Person variieren.“

Und wenn ich dann Georg in den Baum montiere, ist halt die Abbildung der Person irgendwie nachempfunden. Völlig korrekt, wenn auch ganz klein geschrieben.

Da ich gerade kein Foto von Georg und  einem passenden Baum habe, denke ich mir schnell was anders aus. Etwa eine Gebrauchtwagen-Anzeige: „So könnte Ihr Neuer* aussehen. Statt 100.000 nur 699,00 €.“ und im Kleingedruckten: „* Modelle können von Auto zu Auto variieren. Abbildung Wagen nachempfunden“. Und dann bei der Besichtigung vor Ort …

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Es wäre ein klein wenig enttäuschend, wenn der in einer Auto-Werbeanzeige abgebildete Wagen (gelieferte Ausführungen können von Modell zu Modell variieren) bei der Abholung gewisse Abweichungen erkennen ließe.

Man könnte ja denken, bei „93,9% zufriedener Kunden“ wäre vielleicht ein einziger dabei, der ein Vergleichsfoto … Na gut, dann nicht. Aber die Creme ist doch „Dermatologisch getestet“.  *Im Patch-Test am Menschen (Kosmetische Studie) eines deutschen unabhängigen Auftrags-Forschungsinstituts“. Wie haben die das denn gemacht? Ihre Versuchsperson genau angeschaut (oder war’s gar mehr als eine?), wochenlang jeden Tag einbestellt, um ihr die Augenringe zuzuschmieren, danach abermals kritisch angeschaut und festgestellt: Nach meiner Erinnerung sah das vorher übler aus. Vorher-Nachher-Fotos zu machen ist überflüssig, wir haben ein prima Gedächtnis!

Bei einem „Forschungsinstitut“ wäre das eine eher ungewöhnliche Vorgehensweise.

Also, ehrlich, mich würde es ein klein wenig mehr überzeugen, wenn ich nicht das Foto A vorgesetzt bekäme, das dann dank Bildbearbeitung zu Foto B mutiert, sondern wenn auch nur eine einzige der vielen Eingecremten mal ein glaubwürdig echtes Bild am Anfang der Behandlung und nach einigen Wochen aufgenommen hätte.

War aber nicht der Fall. Daher lieber Photoshop und Kleingedrucktes. Übrigens muss man auch als Bildbearbeiter höllisch aufpassen! Denn wenn man Werkzeuge und Effekte zu heftig anwendet, leidet schon mal das das komplette Auge darunter. Und welchem Ophthalmologen kann man schon ein Werbebild zu dem Thema verkaufen „Ein altes Hausmittel zur Entfernung von Iris und Pupille“. Will doch keiner haben!

Bildkritik: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bildbearbeiter

PS: Ich habe lange vergeblich versucht, mit verschiedenen KI-Systemen mit Prompts wie „menschliches Auge mit glatter, durchgehender Bindehaut, ohne Iris und Pupille“ (oder mit entsprechendem negativem Prompt) ein ähnliches Bild auf KI-Weg hinzukriegen. Es hat nie geklappt; ein Auge, so „weiß“ ein Neuronales Netz, ist nun mal durch Iris und Pupille charakterisiert, und ohne die gibt’s keinen Output.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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6 Kommentare

  1. Wieso versucht man „mit verschiedenen KI-Systemen mit Prompts wie „menschliches Auge mit glatter, durchgehender Bindehaut, ohne Iris und Pupille“ Ergebnisse zu erzielen, die (derzeit) nie möglich sind?
    Welchen Sinn hat es, aufzuzeigen womit es nicht geht?
    Genau das hat unter anderem dazu geführt, dass ich mein Abo bei euch gekündigt hab.
    Mal darüber nachdenken vielleicht?

  2. Ich gebe mir jetzt selber die Antwort:
    Nein, ihr werdet das nie machen. Niemals nachdenken darüber, was die Leserschaft wirklich will, solange die Abonnenten zahlen, und die Online Zugriffszahlen stimmen.
    „Die Hure der Reichen“ war ein Begriff im Untersuchungsausschuss der WKSTA ist Österreich.
    „Die Hure der Auflage und der Online Klick’s“ – so würde ich DOCMA beschreiben.

    1. Tut mir schrecklich leid, aber ich bin schlicht zu dumm, um zu verstehen, worum es in Ihren beiden Kommentaren überhaupt geht. Meine natürliche Intelligenz reicht da leider nicht aus. Soll ich’s mal mit künstlicher versuchen?
      Nur am Rande: Das mit der KI, die diese Aufgabe nicht schafft, war eine knappe Erwähnung am Rande – eigenlich ging’s ja um was anderes, das rein hurentechnisch betrachtet in der Überschrift gar nicht vorkam und so kaum Klickzahlen hätte generieren können.

    2. Sie gehen davon aus, dass unsere Print- wie die Online-Angebote geschätzt werden, da Auflage und Klicks stimmen – OK. Aber wir haben angeblich keine Ahnung, was die Leser wollen? Ist das nicht ein bisschen widersprüchlich?

  3. Wenn Sie uns so schlimm finden, warum lesen Sie dann die Artikel und kommentieren sie auch noch polemisch? Wir haben verstanden: Wir schreiben nicht für Sie. Schade, aber gut. Es gibt so viele tolle Internetseiten da draußen. Die freuen sich bestimmt über Ihren Besuch.

  4. Da jetzt alle aus der Redaktion kommentiert haben, gebe ich halt auch noch meinen Senf dazu – ganz schnöde mit den gesuchten Antworten. 😉 Aber ich habe auch Fragen.

    „Wieso versucht man “mit verschiedenen KI-Systemen mit Prompts wie „menschliches Auge mit glatter, durchgehender Bindehaut, ohne Iris und Pupille“ Ergebnisse zu erzielen, die (derzeit) nie möglich sind?
    Welchen Sinn hat es, aufzuzeigen womit es nicht geht?“

    Der Sinn ist: Hätte es funktioniert, hätte Kollege Baumann bei der Illustration viel Zeit gespart. Aber darum ging es gar nicht, der Absatz war nur eine beiläufige Randnotiz für manchen Blogleser, der sich für die gerade – oft unkritisch – gehypten generativen KI interessiert.

    „Genau das hat unter anderem dazu geführt, dass ich mein Abo bei euch gekündigt hab.“

    Genau was hat dazu geführt? Das Aufzeigen von Dingen, die eben auch einmal nicht funktionieren?
    Docs Augenretusche-Übertreibung trifft ja nicht unbedingt meinen Humor-Nerv, aber ich verstehe, was er meint. Sie wirklich oder nur böswillig nicht?

    „Nein, ihr werdet das nie machen. Niemals nachdenken darüber, was die Leserschaft wirklich will, solange die Abonnenten zahlen, und die Online Zugriffszahlen stimmen.
    ‚Die Hure der Reichen‘ war ein Begriff im Untersuchungsausschuss der WKSTA ist Österreich.
    ‚Die Hure der Auflage und der Online Klick’s‘ – so würde ich DOCMA beschreiben.“

    Was will die Leserschaft denn? Also was wollen SIE denn konkret? Und wie können wir es nicht nur IHNEN sondern auch allen anderen Lesern Recht machen? Haben wir unsere ganzen Leserumfragen in der Vergangenheit ganz umsonst gemacht? Glauben Sie mir: Wir reißen uns den Arsch auf, unser Heft für unsere Leser (und natürlich auch uns) am Leben zu halten. Nicht durch billige Tricks, sondern durch inhaltliche Qualität am Puls der Zeit. Das ist gar nicht so leicht mit einem Print-Medium. Und Klickzahlen bedeuten auf diesem werbefreien Blog, der keinen einzigen Cent in unsere Taschen spielt, nichts. NICHTS! Also bitte, erklären Sie uns, was wir richtiger, besser und nachhaltiger machen können, um auch willentlich falsch Lesende wie Sie zufriedenzustellen.
    Danke!

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