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Storytelling in der Fotografie – It’s all about a Story

Storytelling in der Fotografie
Storytelling in der Fotografie: Charles sitzt an seinem Schreib­tisch, versinkt in Selbstmitleid, trinkt, und betrachtet einen Umschlag.

Wollen Sie sich als Fotograf weiterentwickeln? Dann ist es notwendig, sich an neue Ideen ­heranzuwagen und Herausforderungen anzunehmen. Wir zeigen Ihnen, wie das mit Storytelling funktioniert.

In Zeiten, in denen viele Menschen ihre Leidenschaft zur Fotografie entdeckt haben, wird es umso wichtiger hervorzustechen: Durch die eigene Persönlichkeit, den individuellen Blick auf die Dinge und einen eigenen Stil. Immer wieder beschäftigte Melinda Rachfahl die Frage, wie sie ihren Fotos mehr Atmosphäre verleihen und sie lebendiger gestalten könnte. Das Fotografieren von reinen Beauty-Portraits reichte ihr längst nicht mehr aus. Die Lösung ihres Problems fand sie im sogenannten „Storytelling“. Wie auch Sie das Erzählen von Geschichten für Ihre Fotografien nutzen können, erläutert die Fotografin exemplarisch anhand ihrer Fotoserie „Never trust a beautiful woman“ im Stil des Film noir.


Storytelling:  Themenfindung und Konzeptentwicklung


Storytelling bedeutet – ganz einfach ausgedrückt – Geschichten zu erzählen. Speziell auf die Fotografie bezogen, leiten Sie den Betrachter so von Bild zu Bild und binden ihn in die Geschehnisse ein. Für jede gute Geschichte benötigen Sie erst einmal einen Protagonisten oder mehrere. Die müssen ein Ziel verfolgen oder einen Konflikt miteinander haben, der sie aufhält. Es braucht Inhalte, die berühren, Abläufe, die mitreißen. Und eventuell auch eine Moral, die den Betrachter zum Nachdenken bringt.

Die Darstellungen auf den Fotos sollten daher so nachvollziehbar wie möglich sein. Es gibt jedoch Geschichten, die eine gewisse Portion Hintergrundwissen benötigen. Sie können in einer Foto­serie nicht wirklich alles erschöpfend abbilden. Liegt die Geschichte nicht in (gegebenenfalls zusätzlicher) Textform vor, kann es  sein, dass jeder Betrachter andere Gründe für das gezeigte Handeln der Protagonisten in der Foto­serie erkennt. Doch genau das erzeugt Spannung. Auch eine gewisse Portion „willing suspension of disbelief“ (willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit)gehört dazu. Nach dieser Theorie soll sich der Betrachter ohne Hinterfragen auf den Genuss der – in unserem Fall – Bilder einlassen. Ob ein gewisses Handeln oder eine entsprechende Darstellung denn überhaupt möglich seien, tritt in den Hintergrund. Der Leser willigt ein, sich zeitweilig einer Illusion hinzugeben und unterhalten zu werden. Wir kennen das alle aus Comics oder Fantasy-Erzählungen.

Storytelling in der Fotografie
Storytelling in der Fotografie: Eine unbekannte Frau steht in Charles Büro.

Themenfindung & Recherche

Wie kommen Sie auf eine Bild­idee? Welche Geschichte wollen Sie erzählen? Was möchten Sie mit Ihrer Bildserie ausdrücken? Und vor allem: Wie schaffen Sie es, Ihre Idee so umzusetzen, dass Sie nicht nur eine spannende Bildreihe, sondern auch eine dichte Atmosphäre erzeugen?

In letzter Zeit beschäftigte ich mich öfter mit dem Genre „Film noir“. Auf der Suche nach einer Story für meine Bildserie wurde mir nach einigen Überlegungen klar: Wieso benutze ich nicht genau diesen Filmbereich für die Umsetzung meiner Geschichte? Was würde sich wohl besser eignen als ein Genre, das jeder kennt? Manchmal liegen die Antworten auf kreative Fragen näher, als man denkt.

Die Ideen für Shootings könnten sich daher in Ihrem Umfeld finden – Dinge oder Tätigkeiten, mit denen Sie sich in letzter Zeit stärker beschäftigen, weil es Sie interessiert oder weil sie Ihnen Spaß machen. Es können aber auch Dinge sein, die Ihnen einfach nur gefallen. Halten Sie also die Augen offen!

Zurück zu unserem Genre: Der Begriff „Film noir“ (französisch für „schwarzer Film“) wurde erstmals 1946 vom französischen Filmkritiker Nino Frank verwendet. Er fasst eine bestimmte Art von Filmen der 1940er und 1950er Jahre zusammen. Als Vorbilder gelten die deutschen expressionistischen Stummfilme und die US-amerikanische Hardboiled-Kriminalliteratur der 20er und 30er Jahre. Gekennzeichnet sind die Filme von einer Low-Key-­Beleuchtung, starken Hell-Dunkel-Kon­trasten, auffälligen Schatten, Rauch und Nebel, Silhouetten, experimentierfreudiger Kameraführung und expressiver Bildgestaltung.

Die Filme wurden wegen der damaligen Technik in Schwarzweiß gedreht. Im Mittelpunkt der Geschehnisse stehen Themen wie Kriminalität, Mord, Verschwörungen oder Affären. Aber auch Motive wie Geldgier und Eifersucht prägen das Genre. Unter den archetypischen Figuren des Film noir finden sich hartgesottene Detektive, gefährliche ­Verführerinnen, korrupte Polizisten, eifersüchtige Ehemänner oder heruntergekommene Schreiberlinge.

Neben der Musik und den typischen Filmen aus jener Zeit können Sie auch Graphic Novels als Recherchematerial heranziehen. Diese werden häufig als „Crime noir“ beziehungsweise „Noir Comics“ bezeichnet. Besonders angetan hatte es mir hier die Reihe „Fatale“ von Ed Brubaker und Sean Phillips, die ich für die Entwicklung meiner Geschichte nutzen wollte. Comics können Fotografen vor allem im Hinblick auf die Bildgestaltung weiterhelfen, da sie bereits ein zweidimensionales Medium sind. Doch auch in Neo-noir Filmen (moderne Weiterentwicklung des Film noir) wie  etwa „Sin City“ konnte ich eine Inspirationsquelle finden.

 


Storytelling in der Fotografie: Wie Sie Ihre Geschichte entwickeln, das Shooting organisieren, die Beleuchtung und die Kulisse planen und vieles mehr erfahren Sie in der Fortsetzung des Artikels, den Sie in der neuen DOCMA 85 (Ausgabe November/Dezember 2018) finden.


 

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